Frauengeschichte

Ein Zeichen der Solidarität setzen

Wache stehen für die Anliegen der Frauen. Ununterbrochen und neun Monate lang: Die im März gestartete Aktion "Frauenwache“ in Bern ist zur Oase der Ruhe und des Gesprächs geworden. Doch was davon wird bleiben?
Der jetzige Standort ist leider nicht sehr attraktiv: Auf einem versteckten Platz in der Nägeligasse neben der Französischen Kirche, an der Seite des Stadttheaters ist der blaue Wohnwagen der Frauenwache parkiert. Plakate mit Abstimmungsparolen für einen bezahlten Mutterschaftsurlaub und verschiedene weitere Anliegen von Frauenorganisationen sind aufgehängt worden. Vor dem Wohnwagen stehen Tische mit Bänken und laden zum Platz nehmen ein. “Zwischen Arbeitsplatz und Abfalleimer - das ist also der Platz, der uns Frauen eingeräumt wird“, schrieben zwei Passantinnen Mitte Juli in das Gästebuch. Die Mehrheit der Einträge ist jedoch positiv. Aufmunternde Parolen und Ermutigungen füllen die Seiten. Dass die meisten Wächterinnen sich über den Standort zwar nicht riesig freuen, doch froh sind, dass den Frauen zumindest ein Platz mitten in der Stadt Bern und ganz in der Nähe des Bundeshauses zur Verfügung gestellt wurde, um die Anliegen sozusagen "am Ort des Geschehens“ vorbringen zu können, ist beim Durchblättern des Wacht-Tagebuches ersichtlich. "Wir haben Ballons aufgehängt und den Wohnwagen geschmückt“, steht dort. "Auf dem Markt haben wir vor der Schicht zwei Blumensträusse gekauft und schon sieht es viel besser aus“, schreiben andere Wächterinnen. Und tatsächlich ist der Standort der Frauenwache zu einer kleinen Oase der Ruhe, der Besinnung, der attraktiven Klein-Aktionen und der guten Gespräche geworden. Wo sonst findet sich rund um die Uhr ein offenes Ohr und wo sonst ist der Tisch zu jedem Zeitpunkt gedeckt?
Glied in der Kette sein

“Wir sind ein kleines Glied in einer lange Kette der Solidarität“, sind sich alle einig: Die Walliser Lehrerin, die sich bisher nie für Frauenfragen engagiert hat und dies nun tut, weil die Walliser SVP aus Spargründen das kantonale Büro für Gleichstellung abschaffen will. Die Aargauerin, die sich auch nach sieben Monaten noch immer nicht wegen desAusgangs der Bundesratswahlen beruhigt hat. Die St. Galler Studentin, die sich darüber ärgert, dass neben 120 Professoren nur fünf Professorinnen an der HSG unterrichten. Die welschen Frauen, die sich für bessere Kinderbetreuungsangebote stark machen und hoch erfreut vom Wickeltisch im Kornhaus Bern Kenntnis nehmen. Die Friedensfrauen, die den Nobelpreis 2005 für "1000 Frauen für den Frieden“ realisieren wollen. Die Künstlerinnen, die sich von der steigenden Kinderarmut betroffen fühlen und dagegen ankämpfen. Und schliesslich die Ostschweizerinnen, die künftig "ihre eigenen Spielchen“ zum Wohle der Frauen spielen möchten.
In die Geschichte eingehen

"Die Frauenwache ist als Symbol zu verstehen und unterscheidet sich von anderen Aktionen nur durch ihre lange Dauer“, sagt eine der spärlichen Besucherinnen der "Familienwache“ von ostschweizerinnen.ch am letzten Wochenende. Das Interesse der Passantinnen und Passanten scheint eher gering. Sollte dies am ungünstigen Standpunkt liegen, dann könnte sich dies bald schon ändern: Am 3. August zieht der Wohnwagen an die Speichergasse 4 am Ende des Waisenhausplatzes in einen Schulhof um. "Es ist jetzt wichtig, viele solidarische Frauen (und Männer) an die Wachen einzuladen. Sie können auch nur für eine Stunde, einen Nachmittag, für einen Kaffee bleiben“, schreibt Marie Perny in ihrem sechsten Newsletter. Auch die Frauen, die keine komplette Wache mehr übernehmen können - die Termine sind längst schon ausgebucht - haben die Möglichkeit, ihre Solidarität im Tagebuch kundzutun. "Damit wird die Bewegung nur lebendiger und stärker“, ist Perny überzeugt. Mit einem grossen Schlussbukett am 10. Dezember endet die Aktion "Frauenwache“, genau ein Jahr nach den letzten Bundesratswahlen und der Abwahl der Ostschweizer Bundesrätin, Ruth Metzler. Nachhaltig in Erinnerung bleiben werden Begegnungen und viele gute Aktionen. Und sollte Fotografin Hélène Tobler aus Lausanne die notwendigen finanziellen Mittel erhalten, wird die Frauenwache im Kunstprojekt "555 portraits des veilleuses“ in die Geschichte eingehen.

 

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Publikationsdatum 31.07.2004
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