Frauengeschichte

Schuld und Söhne

Der Schock über die Resultate der letzten PISA-Studien sitzt noch immer tief. Nun zeigt uns Uwe Wittstock in der "Welt", woran es gelegen hat. Hätte man/frau nämlich nur Mädchen getestet, wäre alles anders gekommen. 
"Unsere Söhne sind arm dran" - so beginnt Uwe Wittstock in der "Welt" eine weitere Strophe des seit dem PISA-Schock immer länger und lauter werdenden Klagelieds über unsere benachteiligten Knaben. Der Schock wäre uns erspart geblieben, hätte man nur die Mädchen getestet, die spitzenmässig abschnitten. Schon im Oktober 2002 verarbeitete Jochen Bölsche  im "Spiegel" diese Kränkung des männlichen Egos mit einem Tadel an die Frauen: Sie seien schuld, ganz besonders die Feministinnen. Sie hätten aus den Vor- und Grundschulen jungenfeindliche Biotope gemacht. Und nun Wittstock: "Das Erziehungssystem fördert immer noch stärker Mädchen, obwohl die Probleme der Jungen viel grösser sind."


Die "Probleme" der Jungen schildert Wittstock eingangs anschaulich mit einer Erzählung über seinen Sohn: Er kann noch kaum laufen, aber ist bereits bestens imstande, ein Mädchen zu drangsalieren. Erst stösst er sie um, dann wirft er ihr Sand ins Gesicht, und zum Schluss haut er ihr mit der Schaufel eins auf die Nase.


Der arme Junge!


Wenn dies jungentypisches Verhalten ist (und daran zweifelt Wittstock nicht), dann haben nach meiner bescheidenen weiblichen Auffassung die Mädchen grössere Probleme als die Jungen.


Sie sind in jeder Hinsicht besser als die Jungen, in ihren schulischen Leistungen, in ihrem sozialen und kommunikativen Verhalten, aber sämtliche Spitzenpositionen in unserem Land und und sonst in der Welt sind besetzt von Männern. Kein Wunder, dass die Welt Probleme hat. Die Autorin einer preisgekrönten Studie über das unerträglich rüpelhafte Verhalten der Jungs in der Schule formulierte es privat so: Die Analphabeten sind an der Macht.


Tatsächlich wäre es zu begrüssen, wenn in den Schulen mehr Männer sich der schweisstreibenden Aufgabe der Zivilisierung des männlichen Nachwuchses unterziehen würden. Auch bei der undankbaren Familien-, Haus- und Erziehungsarbeit wären sie uns sehr willkommen, sie können daraus gern weniger "jungenfeindliche Biotope" machen. Aber sie finden halt die ihnen qua Geschlecht zustehenden Spitzenpositionen, jene bekannten frauenfeindlichen Biotope, viel attraktiver.

 

Autorin/Autor

 

Luise F. Pusch
Publikationsdatum 28.01.2005
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