Frauengeschichte

Jolanda Spirig las aus der Geschichte der Frauenzentrale Appenzell Ausserrhoden

Wer würde unter dem Titel "Von Bubenhosen und Bildungsgutscheinen" schon eine Geschichte vermuten, die sich manchmal wie ein spannender Krimi liest? Die Journalistin, Jolanda Spirig, schrieb dieses Werk zum 75-jährigen Jubiläum der Frauenzentrale Appenzell Ausserrhoden. In Mosnang stellte sie es dem Frauenforum Alttoggenburg vor.
Es ist ein unscheinbares Werk, vorne gelb, hinten weiss eingebunden. Auf der Vorderseite zeigen drei kunstvolle, doch schlichte Bilder, Frauen an der Nähmaschine, beim Flicken und bei der Warenkontrolle. Dass sich in diesem Kleid die 75-jährige und dazu äusserst interessante Geschichte der Frauenzentrale (FZ) Appenzell Ausserrhoden verbirgt, würde kaum vermutet, selbst wenn dies auch in einem kleineren Untertitel aufgeführt wird. Auch der Haupttitel "Von Bubenhosen und Bildungsgutscheinen“ lässt wohl ebenfalls nur Kennerinnen der Frauengeschichte, eine besonders spannende Lektüre erahnen. Doch 75 Jahre Frauenzentrale Appenzell Ausserrhoden beinhalten auch 75 Jahre typischer Frauengeschichte, welche sich über fast das ganze letzte Jahrhundert bis in die heutige Zeit erstreckt. Der Inhalt des Buches schafft aber nicht nur einen Einblick in die Sichtweise der Frauen, zeigt es auch deren enormes Engagement und Schaffen auf.
Geschichte schreiben

Autorin Jolanda Spirig hat die Geschichte der Frauenzentrale Appenzell Ausserrhoden in Zeitabschnitten festgehalten und zeigt die Veränderungen von der emsigen Schafferin zur politischen Denkerin auf. Ihre Auswahl erarbeitete sie aus rund "zwei Laufmetern Akten“ während des Jahrhundertsommers 2003. "Ich war tagelang in der Bibliothek und arbeitete mich durch die Fülle der Informationen“, sagt die Autorin. "In der grössten Hitzezeit aber, habe ich auch mal die Notizen an den Badestrand mitgenommen“, so Spirig. Es sei ihr ein besonderes Anliegen gewesen, nicht nur chronologische Geschichtsabläufe zu beschreiben, denn nur so konnte sie mit gutem Gewissen den Auftrag der Frauenzentrale annehmen. Die Porträts der Präsidentinnen der FZ und einer heute über 90-jährigen Militärsockenstrickerin vervollständigen das Werk. Schliesslich hat Jolanda Spirig die Funktionsbereiche der FZ und die Pionierinnen des Kantons Appenzell Ausserrhoden aufgelistet.
Nicht alles besser

Die Ausführungen anlässlich der Lesung vor dem Frauenforum Alttoggenburg in der Bibliothek Mosnang liessen zuweilen staunen, schmunzeln oder hin und wieder gar zu einem Kopfschütteln hinreissen. ältere und jüngere Frauen hatten sich dazu eingefunden. "Mir kommt das alles ganz normal vor. Wir kannten ja nichts anderes“, erklärte eine ältere Frau, als die jüngeren Semester in der Pause diskutierten und sich über einige Passagen mockierten. "Und heute ist auch nicht einfach alles besser!“, fügte sie dann leicht trotzig an. Die Jungen hätten heute doch keine Ahnung mehr, wie es früher lief. Gerade deswegen seien solche Berichte besonders wertvoll.
Moralischen Einfluss nehmen

"Der Frauenzentrale standen die Frauenpflichten näher als die Frauenrechte. Nebst ihrem Engagement in der hauswirtschaftlichen Bildung übernahm sie wichtige soziale Aufgaben und entlastete dadurch den Staat“, schreibt Jolanda Spirig in der Einleitung zu ihrem Werk. In den damaligen Frauenvereinen - sie waren nach der Gründung der FZ erstmals unter einem Dach vereint - waren bürgerliche Frauen tätig. Frauen, deren Männer genügend für den Lebensunterhalt der Familien verdienten. Deswegen setzten sie sich für die Frauen aus Arbeiterkreisen ein, jene die tagsüber in Fabriken arbeiteten und nur wenig Zeit für Haushalt und Familie hatten. Ein erstes Projekt war denn auch die Schaffung von Ferien für entkräftete Frauen und Töchter. Kurz nach der Gründung wurde die FZ auch gebeten, den Dienst in die Alkoholprävention zu stellen. So war es denn auch später immer wieder die Regierung, welche der FZ Aufträge erteilte, die die Frauen auf ehrenamtlicher Basis zu erfüllen hatten. Es wurden unter anderem Flick-, Näh- und Kochkurse oder Vorträge angeboten, nicht zuletzt "um von der einseitigen Kaffee-, Kartoffel- und Brotküche wegzukommen“. Jolanda Spirig zitierte aus einem Zeitungsbericht, der den Ablauf eines solchen Kochkurses minutiös beschreibt.
Arbeit schaffen

Nach Einbruch der Verdienstmöglichkeiten in der Stickerei oder Weberei, baute die FZ mit Ausdauer und Hartnäckigkeit eine in der ganzen Schweiz bekannte Heimarbeit auf. Bubenhosen wurden genäht, nicht modische, doch dauerhafte und qualitativ hochstehende. Auf Wunsch wurden die Hosen gar mit einem Ersatzhosenboden zu einem kleinen Aufpreis geliefert. überhaupt: Immer dort wo Mängel oder Hilfsbedürftigkeit waren, trat die FZ auf den Plan. Die Förderung der Haushaltslehre war eines dieser Engagements. Die FZ rief aber vor dem zweiten Weltkrieg zu Wehranleihen auf, richtete während der Kriegszeit Soldatenstuben ein, beschaffte und stellte Wäsche für die Soldaten bereit oder strickte für sie Socken und Handschuhe. Militärsocken wurden bis ins Jahr 1994 weiterhin nach genaustens vorgeschriebenen Mustern hergestellt.

 

Autorin/Autor

 

Publikationsdatum 31.01.2005
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch