Frauengeschichte

Erste Chefärztin Chirurgie der Schweiz gewählt

Das Spital Bülach übernimmt eine Pionierrolle in der Gleichstellung. Es ernannte als erstes Spital der Schweiz eine Frau zur Chefin der Chirurgie: die Zürcherin Brigitte Muff.
Ende Februar ist der Entscheid gefallen. Die Betriebskommission wählte Brigitte Muff, zurzeit leitende ärztin im Zürcher Stadtspital Waid, auf den 1. September zur Chefärztin Chirurgie. Der jetzige Chefchirurg, Urs Neff, wird pensioniert. Brigitte Muff wird die erste Frau sein, die diese Führungsfunktion in einem Schweizer Schwerpunktspital übernimmt. Die Chirurgie ist ein traditionell "männliches“ Fach, der Frauenanteil hat erst in den letzten Jahren markant zugenommen, parallel zur wachsenden Zahl der Frauen, die ein Medizinstudium machen. So arbeiten heute in den chirurgischen Kliniken etwa gleich viele Assistenzärztinnen wie Assistenzärzte. Je höher die Hierarchiestufe, desto weniger Frauen sind aber anzutreffen. Für die Chefarztstelle in Bülach hatten neben Brigitte Muff mehrere Männer kandidiert.


Dass sie das Rennen machte, habe auch mit Glück zu tun, meint die Zürcherin bescheiden: dass die Stelle in Bülach gerade jetzt frei wurde, da sie sowohl beruflich als auch privat bereit war für die Herausforderung. Die 49-Jährige hat die nötige Erfahrung in verschiedenen Spitälern gesammelt, und ihre Tocher ist aus dem Kindesalter hinaus.
Job-Sharing eingeführt

Dass Brigitte Muff auch tatsächlich gewählt wurde, hat aber weniger mit Glück zu tun als mit Können. Die Bülacher wissen genau, wen sie in ihr Spital holen: auch unter den Hausärzten ist Muff bekannt. Die Spezialistin für Viszeralchirurgie (Bauchorgane) sowie für Allgemein- und Unfallchirurgie hat im Verlauf ihrer Karriere insgesamt zehn Jahre in Bülach gearbeitet, als Oberärztin und als leitende ärztin. Schon vor zehn Jahren übernahm sie eine Vorreiterrolle, indem sie zusammen mit zwei Kollegen ein Job-Sharing einführte. Zu dritt teilten sie sich zwei Oberarztstellen. Heute gibt es dieses Modell auch an anderen Orten, damals war es für die ärzteschaft revolutionär. "Das ist ein Karrierekiller“, musste sich Brigitte Muff sagen lassen, "Teilzeit in einer Chirurgie-Kaderstelle geht nicht“.


Doch sie ging unbeirrt ihren Weg, machte berufsbegleitend eine Managementausbildung und ist jetzt im Waidspital sowohl chirurgisch tätig als auch als Klinikmanagerin. Zudem hat sie einen Lehrauftrag an der medizinischen Fakultät der Uni Zürich und engagiert sich auch berufspolitisch. Im Vorstand der Zürcher ärztegesellschaft ist sie zuständig für die Fortbildung.


Zurzeit hat Brigitte Muff eine 90-Prozent-Anstellung. In Bülach werden es 100 Prozent sein. Etwas anderes sei gar nicht diskutiert worden: "Teilzeit für eine Chefärztin ist noch ein Tabu“. Vielleicht wird diese Frau auch das einmal ändern.

 

Autorin/Autor

 

Susanne Anderegg
Publikationsdatum 30.03.2005
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