Frauengeschichte

Chancengleichheit: Die Zerreissprobe zwischen Gleichmacherei und Differenzierung

In den letzten 30 Jahren hat sich die Forschung vor allem der Differenzierung gewidmet. Die Annahme der angeborenen Unterschiede von Frau und Mann passte gut in die Männerwelt. Die Soziologie geht heute davon aus, dass die genetische Ausstattung eines Menschen als Potenz der Persönlichkeitsentwicklung betrachtet werden soll und nicht die Grundlage eines festgelegten, geschlechtsspezifischen Verhaltens bildet.
Das Machtgefälle zwischen Frauen und Männern, bzw. Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern war während langer Zeit Gegenstand der Geschlechter-Debatte. Der Hinweis auf die Tatsache der biologischen Andersartigkeit von Frauen und Männern gibt jedoch bis heute noch keine befriedigenden Antworten und führte die Diskussion immer wieder in Patt-Situationen. Eine Erweiterung der Optik erfuhr das Thema durch eine differenzierende Betrachtung der beiden Geschlechter. Nach wie vor ist aber die Annäherung an die Frage der Geschlechterdifferenz - ohne dabei in allzu geläufige Rollenzuschreibungen zu verfallen - schwierig. Ergänzend zu dieser Differenzierung wird durch die Einnahme der psychologischen Perspektive der Blick auf die Ebene der indiviuellen Werte und Ziele von Frauen und Männern erweitert.


In den letzten 30 Jahren hat sich die Forschung vor allem der Differenz gewidmet. Dadurch wurde nicht Gleiches zum Thema gemacht, sondern die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern betont. Neben vielen interessanten Erkenntnissen wurde dabei aber auch ein Beitrag zur Klischeebildung geleistet, was die Fronten im Kampf der Geschlechter zeitweise eher verhärtet als geklärt hat. Die Annahme, dass die "angeborenen Unterschiede“ Frauen für den Haushalt und Männer für Macht und Karriere prädestinierten, passte allzu gut in die Ideologie der Männerherrschaft. In einer Gegenbewegung wurden die stereotypen Rollenzuschreibungen in Frage gestellt. Der legitime Anspruch nach Gleichstellung zeigte aber auch eine deutliche Tendenz zur Gleichmacherei der Geschlechter.


Mädchen wie Jungen stehen also vor der Herausforderung, sich unter unterschiedlichen biologischen Ausgangslagen und gesellschaftlichen Anforderungen zu einer differenzierten Persönlichkeit mit einem klaren Bewusstsein über ihre Geschlechterrolle zu entwickeln. Eine grosse Aufgabe!


Die Soziologie geht davon aus, dass die genetische Ausstattung eines Menschen als Potenz der Persönlichkeitsentwicklung betrachtet werden soll und nicht die Grundlage eines festgelegten, geschlechtsspezifischen Verhaltens bildet. Viele Verhaltensweisen und sogar Persönlichkeitsmerkmale sind erlernt - was nichts anderes bedeutet, als dass auch "umlernen“ möglich ist.


Ansätze für politisches und auch pädagogisches Handeln sind sowohl auf biologischer, soziologischer wie auch individualpsychologischer Ebene zu finden. Unsere Aufgabe ist es, Mädchen und Buben auf ihrem Weg zu einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und ihnen reflektierte Vorbilder in Bezug zur Geschlecherrolle zu sein.

 

Autorin/Autor

 

Christina Fehr
Publikationsdatum 27.09.2005
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