Frauengeschichte

Streitgespräch aus dem Hause Onken

Auf gewohnt hautnahe Weise gewährt Julia Onken in ihrer neusten Veröffentlichung "Hilfe, ich bin eine emanzipierte Mutter“ Einblick in ihre Erfahrungs- und Gedankenwelt. Neu ist, dass sie dies zusammen mit ihrer Tochter Maya tut.
Zu einer emanzipierten, selbständigen Frau erzogen, sieht sich Maya Onken dank zweifacher Mutterschaft trotz mitbetreuendem Kindsvater der verschiedenartigsten Unbill der berufstätigen, karrierebewussten Mami ausgesetzt. Und das, obwohl sie in der Obhut einer der Schweizer Gallionsfiguren der Frauenemanzipation aufgewachsen ist!
Warum hast Du mir das nicht gesagt?

Verzweifelt stellt sie denn auch die Frage an ihre Mutter Julia: “Warum hast mir das nicht vorher gesagt?“ Und meint damit eine deutliche Warnung vor dem zermürbenden Spagat zwischen fürsorglicher Mutter, liebender Ehefrau und selbstbewusster Marketingfachfrau mit notabene akademischer Ausbildung.


Julia Onken wiederum erfährt wie viele Mütter vor ihr (und wohl mit und nach ihr), dass auch die wertschätzendste, aufgeklärteste und bestgemeinte Erziehung keine Garantin dafür ist, dass nicht doch irgendwann die Vorwürfe der erwachsenen Töchter auf sie niederprasseln.
Oft amüsant, meist nachdenklich stimmend

Auf amüsante und trotzdem tiefgründigeWeise gewähren uns diese beiden Frauen Einblick in ihre Erlebniswelten, die geprägt sind von der frustrierenden Einsicht, dass auch in der heutigen Zeit wirklich partnerschaftliche Rollenverteilungen weder üblich, noch einfach zu erreichen sind. Anhand von vielerlei Berichten aus dem eigenen Leben und dem Leben von Freundinnen macht Maya Onken deutlich, dass sowohl die Gesellschaft und mit ihr die Wirtschaft, aber auch die Mütter höchstselbst, noch nicht bis in die letzte Konsequenz bereit sind für die faire Aufteilung von Erwerbs- und Erziehungsarbeit zwischen Frauen und Männern. Und dass es noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten gilt, bis zumindest in unseren Breitengraden optimale Grundvoraussetzungen dafür geschaffen sind.


Aber es wäre kein Buch aus dem Hause Onken, wenn nicht zuguterletzt auch Tipps und Tricks weitergegeben würden, die jede Frau für sich erlernen kann. Einer der hervorstechendsten ist die Verabschiedung vom Perfektionsgedanken. Und nahezu revolutionär mutet heute wieder der Gedanke an, dass sich tatsächlich andere Menschen genauso gut um die Kinder kümmern können wie die Mütter - auch wenn sie es anders machen.
Streit und Verständnis in liebevollem Respekt

So leichtfüssig und "klartextig“ das Streitgespräch zwischen Mutter und Tochter Onken auch zeitweise daherkommt - immer ist die tiefe Zuneigung zwischen ihnen spürbar und der gegenseitige Respekt für das Geleistete und Erfahrene. Und wenn sich Julia auch eine gewisse "Klugscheisserei“ von Maya vorwerfen lassen muss, so zeigt sich doch, dass in Maya's Erleben die alte Tradition des Zwiespalts zwischen Selbst-Liebe und Liebe für die Kinder einfach mit neuen Tönen fortgesetzt wird. Es ist tröstlich zu lesen, dass die Weisheit der vorangegangenen Mutter von der Jung-Mutter angenommen werden kann. Dass Anregungen und neue Denkmuster nicht einfach zurückgewiesen werden. Und dass sich Maya diese nicht nur aneignet, sondern weiterdenkt, neue, witzige Kategorien von Familien-Frauen und -Männern fantasiert und die Anstösse ihrer Mutter ernst nimmt. Bis auf den Teil mit der Sexualität - da besteht sie auf ihrer eigenen Sichtweise und behält sich diejenige ihrer Mutter Julia vor für ihre eigenen "Grossmutter-Tage“.

 

Autorin/Autor

 

Yvette Anhorn
Publikationsdatum 31.08.2006
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