Kultur

Bestrickende Kunstwerke

Wie oft haben wir schon despektierlich geäussert: "Das kommt halt schon arg handgestrickt daher“, und meinten damit, dass einem Werk die Professionalität fehlt. Um "Handgestricktes“ im wörtlichen Sinn, das äusserst professionell daherkommt, dreht sich die neuste Ausstellung im Hittisauer Frauenmuseum, die am 27. Januar feierlich eröffnet wurde.
Unter dem Titel "Eine Decke für mich - und Maschenzeit für uns“ zeigen 13 Frauen - vorwiegend Handarbeitslehrerinnen - während der kommenden Wochen ihre Werke, die in einem jahrelangen Prozess entstanden sind. Zur Vernissage am vergangenen Freitag fanden sich erfreulich viele Interessierte ein.


Bereits in ihrer Begrüssungsrede machte die Leiterin des Frauenmuseums Hittisau, Elisabeth Stöckler, darauf aufmerksam, dass hinter der oft als altmodisch verkannten Werktechnik des Strickens viel mehr steckt, als gemeinhin angenommen. Diesen Faden nahmen auch Elisabeth Bischof und Cornelia Duelli auf, als sie stellvertretend für ihre 11 Mitstrickerinnen das Projekt vorstellten.
Ein lebendiger Prozess über Jahre hinweg

Vor drei Jahren entstand aus dem Bedürfnis heraus, etliche Wollreste zu verwerten, eine Idee: Wie es wohl wäre, nicht nur dem Handwerk zu folgen, sondern zu experimentieren und den Pfad des Traditionellen zu verlassen. Die vielfältigen Arbeitsproben, die daraufhin entstanden, inspirierten die Strickerinnen zu einem grösseren Projekt, in dem auch die individuelle Kreativität ihren Ausdruck finden sollte. Und das mit dem Ziel, dieses gemeinsame Wirken und Werken dereinst einem grösseren Publikum zu offenbaren.


Mit viel Ausdauer und in gemeinsamem Schaffen formten sich über zwei Jahre lang Decken, die in ihrer Struktur und Farbgebung den einzelnen Persönlichkeiten zum Ausdruck verhelfen. In teils ungewohnter Manier ist mit dem Handwerk Stricken und dem Material Wolle so umgegangen worden, dass die Betrachterin überrascht die beiden Seiten der Decken abwechseln betrachtet oder sich staunend in das entstandene Bild versenkt. Ehrfurcht zeichnet sich auf den Gesichtern des Publikums ab angesichts der Vielfältigkeit und der Grandiosität dieses Schaffens mit dem vermeintlich so Alltäglichen.
Verkanntes Kunsthandwerk

Die Ausstellung gibt dem Stricken seinen Wert zurück und damit auch den Strickerinnen. War das Stricken nämlich in der Neuzeit ausschliesslich Männerarbeit und entsprechend mit Geld und Aufmerksamkeit belohnt, verschwand es erst später im "Frauenreich“, wo es bis heute ein eher biederes, ja gar langweiliges Image erhalten hat. Dabei zeigen Umfragen und wissenschaftliche Forschungen, dass Stricken mehrere wohltuende Aspekte besitzt. Zum einen versinken Strickende oft in eine Art Meditation, ihr Puls beruhigt sich, sie können ihre Gedanken frei laufen lassen. Zum andern zwingt die Koordination der verschiedenen Bewegungen der rechten und der linken Hand die beiden Hirnhälften zu einer besseren Vernetzung, was letztlich die Hirnleistung steigert. Und dass Stricken die Kreativität auf Hochtouren bringt, zeigen die vielfältigen Werke in Hittisau auf eindrückliche Weise!

 

Autorin/Autor

 

Yvette Anhorn
Publikationsdatum 30.01.2006
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