Politik und Gesellschaft

Aufnahmeprüfung bestanden - aber kein Geld für die Schule

Grosse Chance für sieben Kinder ganz im Norden Namibias Eva und Guido Poznicek-Graf leisten einen dreijährigen Einsatz mit INTERTEAM, einer Schweizer Organisation für Entwicklungszusammenarbeit. Im Job-Sharing bilden sie an einer Dorfschule ganz im Norden Namibias die Lehrkräfte weiter. Die Familie mit drei Kindern lebt auf einer Mission, wo es auch ein Schülerhostel für 200 Kinder und Jugendliche gibt.
Die Resultate in einer lokalen Schule im Norden Namibias, so wie es die Bunya Combined School ist, sind in der Regel nicht gerade überwältigend. Nicht einmal die Hälfte der Jugendlichen besteht nach zehn Schuljahren die Abschlussprüfung. Der Inhalt des Lehrplanes weicht einfach zu sehr von der Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler ab. Wie soll man Computer-Anwendungen lernen, wenn man noch nie ein solches Gerät gesehen hat? Wie den Stromkreis verstehen, wenn es daheim in der traditionell gebauten Hütte keinen Strom gibt, wenn das Wasser in mühsamer Schlepperei vom Fluss nach hause getragen wird?Und doch gibt es auch hier Lichtblicke: Schülerinnen und Schüler, die trotz der einfachsten Lebensumstände beeindruckende intellektuelle Fähigkeiten entwickeln.
Vorzeige-Schule

In der Kavango-Region, die eine Fläche so gross wie die ganze Schweiz hat, gibt es eine Vorzeigeschule: das St.Boniface College. Mit nur gerade zwei Klassenzügen von der 8. bis zur 12.Klasse ist sie klein und fein. Die Lehrkräfte bieten gehaltvollen Unterricht, die Schulzimmer sind gut eingerichtet, das Lehrmaterial ist vorhanden.. Auch im Hostel wird den Jugendlichen mehr Komfort geboten als in anderen solchen Einrichtungen. Dank dieser Rahmenbedingungen bestehen jedes Jahr alle Absolventinnen und Absolventen von St.Boniface die Abschlussprüfung.Wer ins St.Boniface College übertreten will, muss allerdings eine schwierige Aufnahmeprüfung bestehen. Vergangenes Jahr schafften vier Mädchen den übertritt von der Bunya Combined School, wo wir arbeiten, in die beste Schule des Kavangos. In den Vorjahren war es immer nur ein einzelner Schüler. Dieses Jahr nun, wo wir die Aufnahmeprüfungen im Kreis Bunya organisierten, bestanden gleich sieben Jugendliche die schwierige Hürde: vier Mädchen, drei Knaben.
Unbezahlbares Schulgeld

Doch die Freude der sieben Erfolgreichen ist nur kurz. Alle wissen sie nämlich, dass das Schulgeld in St.Boniface enorm hoch ist. Während Hostel und Schule in Bunya im Jahr umgerechnet 40 sFr. kosten, müssen sie in der Eliteschule 250 sFr. bezahlen. Dazu kommen Uniform, Taschenrechner, Zirkel - zu viel Geld für eine Familie auf dem Lande. Lediglich zwei der sieben Jugendlichen, die die Prüfung bestanden haben, haben einen Verwandten mit festem Einkommen. Wer Glück hat und hin und wieder einen Gelegenheits-Job ergattert, bekommt im Kavango rund 3 sFr. als Tageslohn. Die Eltern von Maria, einer der Erfolgreichen sieben, brauten bisher traditionelles Bier, um ihrer Tochter das Schul- und Hostelgeld zu bezahlen. Jetzt aber müssen sie plötzlich sechsmal mehr Geld auftreiben - ein Ding der Unmöglichkeit. Victor besitzt gerade mal eine einzige Hose und ein T-Shirt. Als zweites von sieben Kindern ist er zusammen mit seinem jüngeren Bruder im Bunya-Hostel. Jetzt hat er die Aufnahmeprüfung bestanden und darf in die beste Schule des Kavangos übertreten. Als wir uns mit ihm treffen, erklärt er uns seine Sorgen: Abgesehen vom Schulgeld, das er in seiner Verwandtschaft nicht auftreiben kann, teilt er Koffer und Bettdecke mit seinem Bruder. Was sollen sie jetzt machen, wo sie nicht mehr im gleichen Bett schlafen können, fragt er mich. Und dann ist da noch Paulus, ebenfalls eines von sieben Kindern in der Familie. Paulus‘ Eltern und Geschwister wohnen in Murayi, einem kleinen Dorf, das 50 km entfernt von der nächsten Schotterstrasse im Busch liegt. Sowohl Vater als auch Mutter sind ohne Einkommen.
Grosse Chance

Doch die sieben Kinder von Bunya, die jetzt wohl eine der grössten Chancen ihres Lebens packen können, haben Glück: Wir versuchen, sie beim übertritt ins St.Boniface College zu unterstützen. Wir bemühen uns darum, Sponsoren zu finden. Wir fahren mit ihnen die 80 km in die neue Schule, damit sie sie vor dem ersten Schultag schon mal ansehen können. Wir machen auch Halt Rundu mit ihnen, der einzigen Stadt im Kavango, und kaufen jenen ohne finanzielle Möglichkeiten die nötige Schuluniform und die restliche Ausstattung.


Was aber geschieht mit all den anderen Jugendlichen in der Region, deren Potential vorhanden ist, die aber nicht das Glück haben, dass in ihrer Umgebung Menschen aus dem reichsten Land der Welt wohnen, die sich ihrer annehmen?


Weitere Informationen zum Projekt von Eva und Guido Poznicek-Graf im Norden Namibias:
www.mypage.bluewin.ch/kavangowww.interteam.choder direkt bei: evaguido@iway.na Kontaktadresse: Fam.Graf, Brunnenstrasse 5, Altstätten, Telefon 071 755 22 77.

 

Autorin/Autor

 

Eva Graf
Publikationsdatum 31.08.2003
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