Politik und Gesellschaft

Mutterschaftsversicherung: "Mehr Pro als Contra“

Die CVP-Frauen des Kantons St. Gallen nahmen im Hof zu Wil das Thema Mutterschaftsversicherung auf, welches Teil der Vorlage zur EO-Revision vom 26. September ist. Während Pièrre Triponez, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes die Vorteile und Glaubwürdigkeit der Vorlage darlegte, hatte sein Gegenspieler Ueli Maurer ebenso logisch erscheinende Gründe für ein Nein.
Das Thema Mutterschaftsversicherung wird in der Abstimmungsvorlage als "Revision der Erwerbsersatzordnung“ behandelt. Dort soll neu neben dem Lohnersatz für Militärpersonen auch der Erwerbsersatz bei Mutterschaft eingebaut werden. Weil die Mütter während 14 Wochen 80 Prozent Lohnausfall bekommen sollen, regelt die Vorlage auch die Entschädigung für Militärpersonen neu, indem deren Entschädigung von 65 auf gleiche 80 Prozent angehoben wird. Das Podium, geleitet von Matthias Unseld, konnte befürwortende wie ablehnende Aspekte beleuchten.
Keine neuen Steuern

Nationalrätin Brigitte Häberli informierte eingangs über die wichtigsten Neuerungen aus der Vorlage. So sollen die Mütter mit einem 14-wöchigen bezahlten Mutterschaftsurlaub entschädigt werden, er beträgt 80 Prozent des bisherigen Lohnes. Anspruch haben auch selbständigerwerbende Frauen, Bäuerinnen und Ehegattinnen, welche im Betrieb ihres Mannes gegen Barlohn mitarbeiten. Nicht berufstätige Frauen können von der Vorlage nicht profitieren. Den Arbeitgebern bringt die Revision eine finanzielle Entlastung. Deren Kosten machen heute mit der Regelung im Obligationenrecht rund 350 Millionen Franken aus. Die Lösung bewirkt unter Berücksichtigung der Entlastung der Arbeitnehmer Mehrkosten in der Höhe von 100 Millionen Franken, welche aber über den EO-Abzug bei den Lohnkosten ausgeglichen werden. Die Frauen erhalten mit dieser Lösung erstmals die Möglichkeit, von den EO-Beiträgen zu profitieren, bisher hatten sie nur einzuzahlen. Mit der Vorlage ergibt sich eine gesamtschweizerische Lösung und verhindert "Wildwuchs“ innerhalb der Kantone, so die Ausführungen von Brigitte Häberli.
Schlanke Lösung finden

FDP-Nationalrat und Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, Pièrre Triponez, zeigte in seinen Ausführungen die Einfachheit der Vorlage auf. Darin werde verhindert, dass die Arbeitgeber die Last alleine tragen müssten. Der Weg über die Erwerbsersatzordnung löse ein altes Anliegen, die Frauen auch endlich an dieser Kasse zu beteiligen. Um der Gleichberechtigung willen müsse man auch den Soldaten die gleich hohe Entschädigung zugestehen, was ein bescheidenes Anheben des Lohnersatzes bei Militärdienst benötige.


Als total überrissene Vorlage konterte SVP-Präsident Ueli Maurer sie. Nur gerade 15 bis 20 Prozent der Frauen hätten nämlich heute noch keine Lösung. Maurer störte sich auch an der Tatsache, dass die Frauen ohne Erwerb keinen Anspruch hätten. Damit würden zwei Klassen von Frauen gebildet. Von Mogelpackung sprach Maurer weitergehend, "weil in der Vorlage auch gleich noch Militärpersonen berücksichtigt werden, um das Ja auf verschiedenen Ebenen zu sichern". Maurer verwies auf die immer höhere Verschuldung der Schweiz, welche mit dieser Vorlage erneut angeheizt werde. Die Vorlage plündere das einzige noch vorhandene "Kässeli" der Schweiz.
Erhebliche Schwachstellen

Irene Bürge wies auf die heute schlechte Regelung hin, welche gerade bei Arbeitsplatzwechsel ein Hemmnis darstelle. Eine Frau erhalte im ersten Anstellungsjahr gerade mal drei Wochen Entschädigung. Erst nach mehreren Anstellungsjahren werde es besser. So werde sich eine Frau im Vorfeld einer Schwangerschaft hüten, die Stelle zu wechseln. Triponez wies weiter darauf hin, dass heute total unterschiedliche Lösungen, je nach Arbeitsverhältnis, herrschten.


Urs Weber, Geschäftsinhaber Mode Weber, wies auf die hohen Belastungen in seinem Unternehmen hin, wo von 160 Mitarbeitern deren 145 Frauen seien. Er könne sich gar nicht versichern, weil das "Schadenrisiko“, wie das im Versicherungschargon genannt werde, zu hoch sei. So profitiere er von der Vorlage deutlich.


Triponez zeigte sich erfreut über die vielschichtige Zustimmung im Vorfeld der Abstimmung. Von den 280 Branchen und Berufsverbänden sei ein einziges Nein gekommen, dies erst noch nur mit präsidialem Entscheid. Kantonale Nein seien etwas stärker ausgefallen aus Zürich, Aargau und dem Bündnerland.
Nicht aus Verantwortung entlassen

Ueli Maurer hatte keinen leichten Stand, seine Nein-Position unter die Leute zu bringen. Mit der Staatslösung gehe wieder ein Stück unternehmerische Freiheit verloren. Es dürfe nicht sein, die Unternehmer aus der Verantwortung zu entlassen. Die Eigenverantwortung gelte es unbedingt aufrecht zu halten. Maurer stellte überdies die Frage, ob denn die ersten 14 Wochen für eine Frau die Teuersten seien. Es gebe bei Kindern wohl noch viel teuere Zeiten, fügte er an.


Triponez wies abschliessend auch auf die Lösungen anderer Länder hin. Die Schweiz biete mit dieser Lösung keineswegs ein überrissenes Angebot. Irene Bürge wies darauf hin, dass mit der heutigen Lösung Frauen im Gebäralter zu "Risikoangestellten" verurteilt würden. Dies gelte es zu korrigieren. Maurer blieb bei seinem Argument, wenn schon Versicherung für Mütter, dann wenigstens für alle. Die Diskussion unter Einbezug des Publikums zeigte auf, dass die Mutterschaftsversicherung wohl eher zustimmend zur Kenntnis genommen wird. Um die Gegenargumente dennoch klar zu hören, war die Informationsveranstaltung jedoch gut geeignet.

 

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Pressedienst
Publikationsdatum 30.08.2004
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