Vernetzung

Schritt für Schritt aufs Podest

Frauen und Macht - die Kombination sorgt noch immer für eine Kontroverse. Eindeutig ist dafür das Fazit der FrauenVernetzungsWerkstatt: Wer macht, gewinnt Macht. Prominente Frauen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verrieten, wie's geht.
Als Tagungsmoderatorin Mona Vetsch vor einem Jahr an der 7. FrauenVernetzungsWerkstatt zufällig auf Heidi Hanselmann stiess, kandidierte diese noch für den St. Galler Regierungsrat. Am Samstag begrüsste nun Regierungsrätin Hanselmann gegen 700 Frauen im Audimax der Universität St. Gallen. In ihren einführenden Worten beleuchtete sie das Spannungsfeld der Macht zwischen Anspruch und Widerspruch: "Viele Frauen nehmen Macht mehr als Widerspruch denn als Anspruch wahr. Es geht darum, die eigene Einstellung zur Macht zu ändern. Denn Macht per se ist nicht schlecht!“, betonte die Gesundheitsdirektorin.
Rote Zora und Backlash

Als Erika Bigler, Laufbahnberaterin, PR-Beraterin Jolanda Spirig und weitere initiative Frauen vor zehn Jahren die eben gegründeten St. GallerFrauenNetzWerke an der Ostschweizer Bildungsausstellung (OBA) mit einem Stand erstmals präsentierten, legten sie mit dieser Aktion den Grundstein für die FrauenVernetzungsWerkstatt, inzwischen ein längst etablierter und ungebrochen beliebter Kongress. 67 Organisationen zählen die St.GallerFrauenNetzWerke heute, vor einem Jahrzehnt waren es noch zwölf. Die beiden Pionierinnen jubelten trotz Zehnjahre-Jubiläum verhalten: Der Backlash in Frauenfragen sei offensichtlich, bemerkte Jolanda Spirig. Erika Bigler - von einem Journalisten unlängst als "rote Zora“ betitelt - ortete im Rückschritt Chancen: "Vielleicht braucht es ihn, damit junge Frauen die Problematik erkennen.“
Wirtschaftsfrau und Vorbild

Als Carolina Müller-Möhl nach dem Tod ihres Mannes das Präsidium der Müller-Möhl Group übernahm, schlug ihr Skepsis entgegen. Jetzt sind die Kritiker verstummt, Müller-Möhl gehört zu den mächtigsten Wirtschaftsfrauen der Schweiz. In ihrem Referat plädierte sie dafür, bei politischen Sparmassnahmen konsequent auf die Auswirkungen für Frauen zu achten, zum Beispiel beim Abbau ausserfamiliärer Kinderbetreuung. Im Weiteren seien gleiche Löhne für Frauen und Männer unabdingbar - dafür müssten allerdings Frauen ihr Selbstmarketing verbessern. Das sei schwierig, weil es kaum Vorbilder gebe, sagte Carolina Müller-Möhl. Ihr eigenes Vorbild sei Bundesrätin Calmy-Rey. Sie selbst behandle übrigens Frauen- und Männerunternehmen gleich - entscheidend sei die Wirtschaftlichkeit, nicht das Geschlecht. Aber: Sie stelle überdurchschnittlich viele Frauen ein, antwortete sie auf die Frage einer Teilnehmerin.
Regierungsrätin und böse Post

Als Marianne Dürst-Kundert, erste und bisher einzige Glarner Regierungsrätin, nicht wartete, bis jemand ihre Kandidatur vorschlug, sondern sich gleich selbst ins Rennen brachte, erhielt sie böse Post: "Was haben Sie überhaupt geleistet, ausser Frau zu sein?“. Die Anwältin liess sich nicht beirren, sie traute sich das Amt zu. Den Anwesenden empfahl sie das Gleiche: "Tun Sie, was Sie sich zutrauen! Machen Sie Schritt für Schritt nach vorne, auch aufs Podest!“ Dürst-Kundert forderte eine neue Beziehung zwischen den Frauen: "Wir müssen uns nicht mögen, wir müssen uns nützen. Und wir brauchen Netzwerke als strategisches Mittel zur Einflussnahme.“ Verschiedene Lebensentwürfe der Frauen und das Negieren vorhandener Hierarchien erschwerten eine neue, zielgerichtete Solidarität, die heute nötiger denn je sei, so die Präsidentin der FDP-Frauen Schweiz.
Zwei Hausfrauen und Blocher

Als Doris Vetsch und ihre Schwester Anita Chaaban die Verwahrungsinitiative lancierten, ernteten sie Spott (Was wollen jetzt zwei Hausfrauen eine Initiative starten?) und Unverständnis (Man kann doch nicht eine Initiative aus Betroffenheit in die Welt setzen!). "Es war ein steiniger Weg“, erinnerte sich Doris Vetsch im Gespräch mit Mona Vetsch. Der Weg ist mit der Annahme der Initiative keinesfalls beendet: Jetzt feilen die beiden Frauen in der Arbeitsgruppe unter Bundesrat Christoph Blocher an der Umsetzung der Initiative, kämpfen um "ihren“ Inhalt und überwachen änderungen mit Argusaugen. Dass sie, die Hausfrauen, mit studierten Juristen am Tisch sitzen, "nehmen wir nicht mehr so ernst“, erklärte Doris Vetsch selbstbewusst.Der Nachmittag gehörte traditionsgemäss den Workshops, diesmal mit Themen rund um die Macht, darunter auch ein Dialog mit 13 Politikerinnen aus vier Kantonen. Und wie immer gab es Zeit und Raum für das Knüpfen neuer Netzwerke. Der Schluss war weniger traditionell: Die Acapickels sorgten mit einem eigens abgestimmten Auftritt für einen kulturellen Höhepunkt.

 

Autorin/Autor

 

Franziska Hidber
Publikationsdatum 27.03.2005
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