Vernetzung

Netzwerke bieten Chefinnen Unterstützung

Eigentlich brachte Annette Isenschmid sämtliche Voraussetzungen für eine Führungskarriere mit. Sie hat einen Master in Politikwissenschaft, ist extrem engagiert und denkt unternehmerisch. Und trotzdem stieg sie auf dem Weg in die Topetage einer Grossbank aus.
"Die Auseinandersetzungen", sagt sie, "wurden mir zu anstrengend." Ständig beweisen, dass man einen Zacken mehr draufhabe als die männlichen Mitbewerber, all die Energie, welche für Machtspiele draufging - die wollte sie für Produktiveres einsetzen. Annette Isenschmid kündigte und gründete eine Unternehmensberatung. Und sie will etwas verändern: Frauen wie sie sollen nicht länger vor der "Wahl" stehen, entweder als Topmanagerin einen 150-Prozent-Einsatz zu leisten oder in einem Teilzeitjob zu landen, wo ihr Potenzial ungenutzt verpufft.


Annette Isenschmid investiert 40 Prozent ihrer Zeit ins Präsidium von Business & Professional Women (BPW) Schweiz, dem eidgenössischen Zweig des weltweit bedeutendsten Netzwerks dieser Art. Die 2500 Mitglieder widerspiegeln ziemlich genau die Situation gut ausgebildeter Frauen in der Schweiz: Maximal drei Prozent sind Topmanagerinnen, die übrigen Frauen haben sich selbstständig gemacht oder arbeiten in KMU, wo das Klima oft frauenfreundlicher ist als in den Machtzentralen von Grossfirmen.


Doch was bringen Frauennetzwerke tatsächlich? "Sicher nicht Topjobs auf Knopfdruck", sagt Zita Küng, Gleichstellungspionierin und Gründerin der Gender-Mainstreaming-Agentur EQuality. Netzwerke seien Organismen, sie hingen von dem ab, was ihre Mitglieder einbringen. Karrieremässig seien weibliche Netzwerke logischerweise "weniger potent" als jene der Männer. Aber: Frauen lernen dort Kolleginnen kennen, die ähnliche Hürden zu meistern hatten oder haben wie sie selbst. "Frauennetzwerke", so Küng "sind rare Orte, wo Berufsfrauen frei atmen können und nicht ständig aufpassen müssen, was sie sagen."
Keine Lust auf 15-Stunden-Arbeitstage

Frauen definieren Karriere anders. "Bei den Männern", sagt Angelika Bräm, Vorstandsmitglied der Wirtschaftsfrauen Schweiz  und Mitglied beim Efficiency Club, "hat die Work-Life-Balance in der Regel keinen besonderen Stellenwert, ihre Interessen sind eher auf das Erreichen einer möglichst guten Position gerichtet." Bei den Frauen hingegen sind spätestens ab 30 auch Familie und ein ausgewogenes Berufs- und Privatleben ein Thema.


Auch karrierefreudige Frauen, stellt Bräm in ihrem Kaderselektionsunternehmen fest, hätten keine Lust auf 15-Stunden-Arbeitstage. Wenn Kinder da sind, gehts ohnehin nur mit durchgetaktetem Stundenplan. "Die meisten Mitglieder", sagt BPW-Präsidentin Annette Isenschmid, "haben eine Nanny oder lassen die Kinder in einer Tagesstätte betreuen."


Anders als Männer sprechen Frauen in ihren Netzwerken auch über ängste im Führungsalltag. "Frauen", stellt Angelika Bräm fest, "hinterfragen sich ständig. Sie möchten es allen recht machen." Dann kommt die Angst vor dem Scheitern, denn je höher man aufsteigt, desto weniger kann man es allen recht machen. Und: Viele Frauen seien sich zu wenig bewusst, wie wertvoll ihre Arbeit sei.


"Neun von zehn Frauen", so Bräm, "sagen: Der Lohn ist nicht so wichtig, Hauptsache, ich habe den Plausch." überhaupt, sagt auch BPW-Präsidentin Isenschmid, müssen Frauen lernen, klarer zu sagen, was sie wollen. Die hehren Firmenleitbilder einfordern zum Beispiel: "Der Mensch steht im Mittelpunkt", heisst es dort oft. Aber warum funktioniert dann Teilzeit im Kader nicht?


Frauennetzwerke tun einiges, um ihren Mitgliedern den Rücken zu stärken. Bei den Business & Professional Women berichten Rollenvorbilder über ihre Erfahrungen: Topmanagerinnen wie Gisèle Girgis von Migros etwa, aber auch Inhaberinnen von Familienbetrieben und Politikerinnen wie Christine Beerli oder Brigitta Gadient. Es gibt Mentoringprogramme für Berufseinsteigerinnen, Umsteigerinnen und Wiedereinsteigerinnen, aber auch einen Stipendienfonds für Frauen, die Unterstützungspflichten haben und über keine existenzsichernde Erstausbildung verfügen.
Netzwerk für Kleinunternehmerinnen

Auch die kleineren und mittleren Unternehmerinnen haben sich 1998 vernetzt. "Es war immer ein seltsames Gefühl, als fast einzige Frau 50 Männern gegenüberzusitzen", sagt Beatrice Suter, Vorstandsmitglied von frauen.unternehmen. Inzwischen hat das Netzwerk 520 Mitglieder, hauptsächlich Firmen aus Werbung, Treuhand und Personalberatung, vom Einfraubetrieb bis zum Unternehmen mit 200 Angestellten.


Die Mitgliedsfrauen treffen sich zu Weiterbildungen und Business-Kontakttreffen mit Kurzreferaten zu Themen wie: Wie erstelle ich einen Businessplan? An Netzwerkpartys haben die Mitglieder zudem Gelegenheit, während dreier Minuten ihr Unternehmen vorzustellen. Beatrice Suter warnt jedoch vor falschen Erwartungen: "Netzwerken ist ein Geben und Nehmen. Und es fängt mit Geben an."


Besonders karrierebewusste Frauen machen auch in klassischen Männernetzwerken und Verbänden mit. Es brauche beides, sagt Wirtschaftsfrau Angelika Bräm, denn Netzwerken werde immer wichtiger: "Eine gute Ausbildung allein genügt nicht mehr. Entscheidend ist, zur richtigen Zeit die richtigen Personen kennen zu lernen." Gleichstellungspionierin Zita Küng plädiert für einen Rollentausch: Auch Frauen sollten "fallweise die Dienste von Wasserträgern und Steigbügelhaltern" annehmen.


Per Lift ins Topmanagement gelangen Frauen aber auch so noch lange nicht. Die meisten möchten da auch gar nicht hin. Neben den strukturellen Hindernissen schreckt sie auch das "emotionale Magersuchtskonzept" vieler Topmänner ab. Die seien "selbst unter der Dusche Präsident" und gäben für das Lebensziel "Chef" oft Privatleben, Gesundheit und soziale Kontakte auf, sagt Gertrud Höhler, die Grande Dame der Wirtschafts- und Politikberatung.


Die Zeit arbeite für die Frauen, glaubt BPW-Präsidentin Annette Isenschmid. Sie war kürzlich in den USA und stellte fest, dass die Globalisierung die Vielfalt fördere: Frauen, Schwarze und Latinos im oberen Management würden immer selbstverständlicher. Und, so glauben Fachleute, die Globalisierung könnte die Unternehmensstrukturen frauenfreundlicher machen: hin zu kleineren, agilen Einheiten mit flachen Hierarchien. Lange kann es sich die Schweiz ohnehin nicht mehr leisten, das Knowhow der Frauen zu verschwenden. Inzwischen haben nämlich bei den 20- bis 29-Jährigen fast gleich viele Frauen einen Hochschulabschluss wie Männer. Tendenz steigend.

 

Autorin/Autor

 

Paula Lanfranconi
Publikationsdatum 27.07.2005
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