Vernetzung

Ein Workshop an der 9. FrauenVernetzungs Werkstatt: Interreligiöser und interkultureller Alltag - Generationen im Gespräch

Im Workshop des FrauenNetzwerks der evangelisch-reformierten Kirchen der Kantone St. Gallen und beider Appenzell diskutierten Frauen unterschiedlichsten Alters über ihre religiöse Identität und ihren Platz im schweizerischen Alltag.
Während das St. Galler Tagblatt über einen zunehmenden Rassismus gegen Moslems in der Schweiz berichtet, erzählen Frauen an einem Workshop der Frauenvernetzungswerkstatt über ihren gelebten Glauben im Alltag. Am Podium, geleitet von der evangelischen Pfarrerin Dr.theol. Doris Brodbeck, diskutieren je eine Frau jüdischen, moslemischen und christlichen Glaubens miteinander.
Begegnung der Religionen

Die Workshopteilnehmerinnen beteiligen sich rege am Austausch. Religion zeigt sich in den unterschiedlichsten Aspekten, es ist die Rede von Freude, Trost, Liebe, Hoffnung, Emanzipation, Solidarität von Wohlbefinden und Geborgenheit; aber auch von Gewalt und Fanatismus. Die zwei jungen Frauen, eine Muslima aus der Türkei und eine Katholikin aus dem Kosovo, berichten von ihrem Leben und ihren interreligiösen Begegnungen in der Schweiz. Die ältere Generation ist vertreten durch eine Frau jüdischen Glaubens; sie hat viel Spannendes zu erzählen aus ihrem Leben.


Zu Reden gibt - wie könnte es anders sein - vor allem das Kopftuch. Die junge Frau aus der Türkei erklärt, dass sie das Kopftuch freiwillig trage. Laut Koran sei das Kopftuchtragen zwar Pflicht, doch werde im Islam kein Zwang dazu ausgeübt. Auch die immer wieder angeprangerten Zwangsheiraten hätten einen kulturellen Hintergrund, der Islam sage, dass bei einer Heirat beide Ehepartner einverstanden sein müssen.
Akzeptanz und Vorurteile abbauen

Die Podiumsteilnehmerinnen sind sich einig, dass ein gutes Zusammenleben ohne Akzeptanz des je anderen Glaubens kaum möglich ist. Veranstaltungen wie dieser Workshop können helfen, gegenseitige Vorurteile abzubauen. In der Runde wird betont, dass ohne gute Kenntnisse des eigenen Glaubens kein Dialog mit den anderen Religionen möglich ist. Allerdings wird immer wieder darauf hingewiesen, dass wir in der Schweiz die Trennung haben zwischen Kirche und Staat. Auch erwarten wir Schweizerinnen, dass unsere Werte respektiert werden, wenn es z.B. um eine Frau im Pfarramt geht. Die Podiumsleiterin, Doris Brodbeck, ist froh, dass sich beim DIGO (Dachverband islamische Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein) eine Frauengruppe gebildet hat.
Die Frauenfrage in den Religionen

Bei der Frage nach dem Weiblichen im Glauben, ob es einen weiblichen Charakter in Gott gebe, antwortet die Muslima, dass im Familienleben ohnehin die Frau das Sagen habe. Zudem sei im Koran Gott weder männlich noch weiblich. Auch für die Jüdin ist ein feministischer Zugang zu ihrer Religion kein drängendes Thema. Kann es sein, dass die jahrhundertelange Unterdrückung und Verfolgung von Frauen im Christentum (Hexenverfolgungen etc.), dazu geführt hat, dass Christinnen ein starkes Bewusstsein für ihre Diskriminierungen entwickelt haben und sich auch deswegen mit feministischer Theologie beschäftigen?


Die zwei Stunden des Workshops sind viel zu kurz für das Gespräch über den interreligiösen und interkulturellen Alltag; die Diskussion hätte noch stundenlang weiter geführt werden können. Die junge Katholikin aus dem Kosovo meint zum Schluss, dass sie und ihre andersgläubigen Kolleginnen Gott trotz aller Verschiedenheit ähnlich erleben, und dass sie den anderen Glauben akzeptieren. Dass dieses Zusammenleben in einem günstigeren sozialen, politischen und ökonomischen Klima einfacher wäre, ist allen Teilnehmerinnen klar.

 

Autorin/Autor

 

Heidi Amstutz
Publikationsdatum 29.03.2006
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