Wohlbefinden

Fitnessprogramm für die Seele

Bruno Dörig sprach kürzlich bei den vereinigten Bütschwiler Frauenvereinen zum Thema "Leben aus der Mitte". Es waren Worte ohne Belehrung oder esoterisches Einlullen, dafür mit humorvoller Gelassenheit Der Verleger, Lehrer und Katechet Bruno Dörig plädierte für ein Fitnessprogramm für die Seele.
Warum soll man an einen Vortrag gehen von jemandem, der in unserem hektischen Konsumismus von der Notwendigkeit spricht, dieses ominöse Ding von Seele zu pflegen? Reflexartig blinkt das Warnlicht: Achtung Esoterik, der predigt nur von vagen inneren Werten, will uns den Spass am Leben verderben oder uns zu frommen Kopfnickern machen. Bruno Dörig lächelte solche Bedenken gleich zu Beginn seines Vortrags weg. Sein Sohn habe als Jugendlicher solche Vorträge auch "voll langweilig" gefunden. Warum lohnte es sich trotzdem? Zunächst weil Bruno Dörig Glaubwürdigkeit ausstrahlt. Ihm ist das Thema offensichtlich ein persönliches Anliegen. Die sichere wissenschaftliche Distanz des Psychologen ist genauso wenig sein Ding wie ein predigerhaftes Missionieren. Unter dem Titel "Leben aus der Mitte" trafen sich auf Einladung von Frauenverein und Frauengemeinschaft Bütschwil knapp 50 Zuhörerinnen und eine Handvoll Zuhörer im Oberstufenschulhaus. Was bringt jemanden dazu, sich sein ganzes Leben mit der menschlichen Seele auseinander zu setzen?
Lebenspraktiker

Dörig zeigte sich in dieser Frage ganz als Lebenspraktiker, der weder Schulphilosophie noch esoterische Einlullung betreibt. Zwei prägnante und einleuchtende Erlebnisse hätten ihn die erstaunliche Wichtigkeit der Seele gelehrt, berichtete der frühere Sekundarlehrer und gebürtige Innerrhödler Dörig: Erstens die erschütternde Beobachtung von ausgebrannten Arbeitskollegen in sozialen Berufen und zweitens eine frühe Erfahrung mit der tiefen Wirkung von Kunst: "Wenn mein Vater Appenzeller Streichmusik hörte, geriet er immer in einen anderen Seelenzustand. Er begann zu weinen, was ich als Knabe natürlich gar nicht verstand." Begreiflich ist die väterliche Melancholie für jeden, der die Appenzeller Musik ein wenig kennt. Denn da stehen die Noten oft in schwermütigem Moll, was bekanntlich auf direktem Weg in den Keller des Innenlebens führt. Auf sympathische Weise kombiniere Dörig Lebensweisheit und positives Denken.
Persönlichkeitsbildung

Sein Anliegen ist die Persönlichkeitsbildung und der Aufbau von Selbstvertrauen des Erwachsenen. Also ziemlich nützliche Dinge. Und das habe viel zu tun mit einem reichen Innenleben. Schnell kam die Rede auf die Seele als Kraftzentrum, als Ruhepol oder als Ort der Geborgenheit. So richtig knackig konkret wurde die Seele auch an diesem Abend nicht. Braucht es wohl auch nicht. Denn die Seele, so Dörig, bezeichne die Idee einer möglichen Zuflucht vor fremdbestimmtem Konsumismus, nervösem Aktivismus und übertriebenen sozialen Erwartungen. Diese sollten einen nicht fertig machen oder depressiv stimmen. Als Hilfsmittel seien Gebete genauso geeignet wie persönliche Dinge, die für Rituale und Meditationen Gebrauch finden, so etwa Mandalas und Musik, aber auch einfache Dinge wie ölbäumchen, Kugeln oder Steine.

 

Autorin/Autor

 

Bütschwiler Frauenvereine
Publikationsdatum 29.05.2004
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch