Wohlbefinden

Sternenzeit - Die Nacht des Jahres

Ist Euch schon aufgefallen, dass nie im Jahr die Gestirne so hoch stehen und sich so strahlend präsentieren wie in der dunkelsten Zeit der Wintertiefe? Während die Sonne tagsüber in immer flacherem Bogen von Osten nach Westen kriecht, verläuft die Bahn des Mondes und der Planeten immer höher am Himmelszelt! Der Winter ist wahrlich die Hohe Zeit der Sterne!
Liebeserklärung des Firmaments

Es kommt mir vor wie ein Liebesgedicht der Sterne an uns Menschen! Als ob sie uns erinnern wollen an ein viel grösseres Licht als das äussere der Sonne, welches uns nur gerade die Oberfläche der Materie beleuchtet. Ein Kind sagte mal, der Sternenhimmel sei wie ein dunkler Mantel voller kleiner Löcher, durch welche das Licht des Himmels zu uns hindurchstrahlt, welches hinter der Nacht verborgen ist. Ist das nicht ein schönes Bild, dieser Glanz im Dunkeln, der von unendlicher Helligkeit dahinter grüsst? Astrologie ist die Weisheit der Sterne und sagt: Wie oben - so unten, Wie aussen - so innen. Ein Horoskop ist das Abbild der Sterne in unserem inneren Kosmos. Also leuchten auch in uns drinnen diese nächtlichen Zeichen, die von einem grossen Licht künden, das in der Tiefe verborgen ist (= dem Kreis im Zentrum des Horoskopes). Seit ich, dank Sternen und Astrologie, eine andere Sicht der Nacht gewann, begann ich die Schätze der Dunkelheit zu entdecken. Die Nacht hat sich für mich umgekehrt! Von Geburt auf bin ich ein Sommerkind und ich liebe die Wärme und das Licht. Aber meine Abneigung gegen den Winter machte zunehmend einer tiefen Neugier Platz, einer Entdeckungsfreude, was alles hinter diesem äusseren Dunkel verborgen sein mag. Wer von uns kennt denn noch das Erlebnis tiefer Dunkelheit und die Wirkung des Lichts einer einzigen Kerze darin?
Innere Forschungsreise

In unserer Zeit, wo es scheinbar keine weissen Flecken mehr auf der Landkarte gibt und wir uns auf der Höhe bisher erreichten menschlichen Wissens glauben, wird einigen von uns immer bewusster, wie wenig wir wissen über die einfachsten Dinge des Lebens, z.B. über den Schlaf. Die heutige Wissenschaft weiss immer noch nicht, warum wir überhaupt schlafen. Sie kann zwar alle möglichen Schlafphasen beschreiben, kann sie aber nicht erklären. Sie mutmasst, wir bräuchten den Schlaf zur Erholung, während gleichzeitig bekannt wurde, dass gewisse Hirnregionen während des Schlafes aktiver sind als am Tag. Was tun wir also in der Nacht? Wohin geht unsere Seele? - Je nach Weltsicht und Hintergrundwissen werden die Antworten unterschiedlich ausfallen.
Die verlorene Nacht

Tatsache ist, dass wir uns seit rund fünftausend Jahren eine stark sonnenlastige Patriarchatsphilosophie einverleibt haben, die uns im Leib und in der Seele hockt. Sie prägt unser Denken, unser Unterbewusstsein, unser Tagesbewusstsein und unsere Weltgestaltung. Die Zeit unserer Oberflächen-Aktivitäten von morgens bis abends ist massgebend. Schlafzeit wurde minimiert, Nacht wurde zum Tag, wir leben im Smog konstanter überbeleuchtung. Es gibt in der Schweiz keinen Quadratmeter Land mehr, wo in der Nacht noch wirkliche natürliche Dunkelheit zu erleben wäre. Von einem topausgerüsteten Astronomen habe ich erfahren, dass der nächstgelegene geografische Punkt von der Stadt Zürich aus, wo es noch kunstlichtfreie Nacht gibt, ein bestimmter Waldrand ist auf dem Gottschalkenberg. Dort ist es genügend dunkel, so dass er wenigstens noch einige Sterne sehen kann, die nicht im kunstlichtverseuchten Nachthimmel verschwunden sind.
Die Sonne und ihr äusserer Schein

Es ist diese überbetonte Sonnen-Ideologie, verbunden mit einer Verteufelung der Dunkelheit, welche auch die gesamte westliche Astrologie und ihre Deutungen durchtränkt. So kennen wir wohl alle "unser Tierkreiszeichen", welches das Sonnen-Zeichen unseres Horoskopes ist. Wo aber unser Mond steht oder unsere Venus oder andere bedeutsame Faktoren, das ist den wenigsten bewusst. Alles in unserer Welt ist auf Sonne ausgerichtet, auf das flache Tages-Bewusstsein unseres rationalen Verstandes, der nicht mehr erleuchtet als die Oberfläche der Materie. So ist es nicht verwunderlich, dass auch der philosophische Weltenhorizont Vieler heute beim Ende ihrer Nasenspitze aufhört. Wie klein ist doch die Sonnenwelt, verglichen mit den unendlichen Weiten des Nachthimmels! Unser Tagesbewusstsein wird begrenzt vom Vorhang unserer oberflächlichen Sicht. Wenn wir den Blick öffnen hinauf zu den Sternen, kann sich unser Bewusstsein erweitern zu tieferen Dimensionen. Doch können wir noch unterscheiden zwischen echtem Licht und künstlichem? Sind wir nicht vielmehr so geblendet vom äusseren Schein unserer Zivilisationserrungenschaften, dass wir blind geworden sind für das innere Licht? Wo ist der Sternenglanz geblieben?
Licht in der Tiefe

In der patriarchalen Sonnenwelt haben wir uns auf der Oberfläche verloren. Der Zugang zur Tiefe ging dem Bewusstsein verloren und wird nur noch unbewusst aufgesucht, im Schlaf oder in verzerrten suchtbildenden Formen. Doch das Geheimnis des Lebens entzieht sich dem physischen Auge und dem rationalen Verstand. Es ist im Dunkel zu finden. Mit dem übergang in eine neue Zeit erwacht heute wieder die Sehnsucht nach den verlorenen Schätzen des Nachtbewusstseins, wie es früher noch von den Menschen gepflegt wurde. Die Verbindungen zu unserer Vergangenheit und zu unseren Wurzeln werden wieder freigelegt und lassen uns staunen über all dem, was da zutage kommt. Und plötzlich erscheinen uns die Botschaften alter Sagen, Märchen, Kindergeschichten und Volksweisheiten wieder in neuem Licht: wird nicht der leuchtende Goldschatz stets im tiefen Dunkel gefunden, im Innern von Bergen, Felsen, Kellern….
Raum für Träume

Die Nacht öffnet Raum für Träume und Reisen ins Innere. Andere Wahrnehmungen werden wach. Neue Welten werden sichtbar, andere Ebenen von Wirklichkeit. Die Nacht ist der Ort für Verbindungen mit der spirituellen Welt. So auch die Nacht des Jahres, vor allem die dunkle Zeit von November bis Januar und ganz besonders die heiligen Nächte der "Zeiten dazwischen" vom 24. Dezember bis 6. Januar, wo alles durchlässiger wird. In ihr finden wir leichter Zugang zu den für das äussere Auge unsichtbaren Welten. Nacht schenkt Verbindung nach innen, zur Quelle allen Lebens. Die Energien breiten sich nicht mehr im Aussen aus, sondern fliessen in die Tiefe nach innen. So ist die dunkle Phase im Jahreskreis seit Alters schon die bevorzugte Zeit für Orakel und Botschaften aller Art aus dem Jenseits.
Schwarze Madonna - Königin der Nacht

Nacht ist urweiblich, so wie das magische Dunkel der Gebärmutter, aus welcher alles Leben kommt. Sie ist der geheimnisvolle Innen-Raum, die Quelle aus dem Unsichtbaren. Hier geschieht das Wesentliche. In Tempeln, Kirchen und Krypten wurde in dämmrigen Höhlenräumen ein Licht entzündet und Innenkehr genährt, quasi in Nachahmung und analog zur Grossen Nacht. Seit Urzeiten wurde die Nacht geheiligt. Heute erinnert daran noch die grosse Feier der Geweihten Nacht zur Wintersonnenwende. Weihnachten ist das Fest der Geburt aus dem weiblichen Lebensschoss. Maria an Weihnachten in ihrem blauen Sternengewand ist die ursprüngliche Schwarze Göttin. In christlichen Kirchen finden wir sie noch als Schwarze Madonna mit dem Kind auf dem Schoss. Schwarz ist die Farbe der Grossen Nachtgöttin, und Schwarz die Farbe ihrer Symbol- und Botentiere, z.B. der Raben. Noch heute finden wir sie als Begleittiere heiliger (und oftmals historisierter) Frauengestalten wie z.B. der Idda von Toggenburg (Kloster Fischingen). Auch das Bild der Alten Hexe mit dem Raben auf ihrer Schulter ist ein verzerrter Rest der einstigen Göttin mit ihren heiligen Tieren (ð astrologischer Tier-Kreis).
Orakel der Schicksalsgöttin

Zum Kind in der Krippe pilgerten die drei heiligen Könige, weise Magier und Sternenkundige aus dem Morgenland mit ihren Gaben. Sie folgten dem Stern und sind meist dargestellt in Weiss, Schwarz und Rot, den alten Farben der Göttin. Wer sich mit Symbolik und Bildersprache befasst, erkennt leicht, dass diese Figuren die bildlichen überbleibsel der ursprünglichen dreifaltigen Schicksalsgöttin sind, die im christlichen Kontext vermännlicht wurde, wie so vieles andere auch. Die Göttin bescherte jedem neugeborenen Kind sein Schicksal, astrologisch ausgedrückt sein Horoskop. Es waren ihre Gaben an das Kind, ihm gegeben als Auf-Gaben für seine Zukunft. So ist das Geburtshoroskop jedes Menschen seine Gabe und Aufgabe für sein Leben. Als verflachte Sylvester-Neujahrs-Bräuche haben sich noch Reste dieser alten Rituale bis in unsere Zeit erhalten.
Sprache der Tiere

Das klassische Astro-Zeichen dieser Zeit ist der Steinbock. Sein Motto lautet: "Langsam, aber sicher". Steinböcke als Tierboten können uns lehren, wie wir in rauher kalter Welt überleben. Ihre domestizierten Nachfolger waren die Ziegenböcke, klassische Begleittiere der Göttin auf zahllosen frühen Bildern. Auch sie wurden im Christentum dämonisiert zu Teufelsböcken, auf denen Hexen reiten. Es heisst, in den magischen Rauhnächten können manche die Sprache der Tiere wieder verstehen. Und Kommunikation mit Tieren wird heute wieder salonfähig. Wir könnten viel lernen, wenn wir wieder auf die Tiere hören würden. Der Tierkreis der Astrologie berichtet davon, wie die Botschaften der Tiere in der Religion der Göttin ernst genommen wurden. Die christliche Kirche von heute kennt diese Zusammenhänge nicht mehr. Und bei uns selber ist vieles im Dunkel unseres Unterbewusstseins versunken. Aber die Frauen von morgen werden die Weisheiten wieder wissen! Heute haben wir die Chance, das vergessene Licht der Nacht neu zu entdecken.
Winterlicht

Nie erstrahlt die Welt so blendend hell wie an einem Wintertag voller Schnee. Alles glitzert in Weiss, die Luft ist voller Sternen-Schneekristalle, es ist, als ob jetzt der nächtliche Sternenhimmel sogar noch den Tag durchwebt! Als ob der Himmel auf die Erde gekommen sei! Wer schon auf Winterpfaden in den Bergen unterwegs war, hat noch andere Phänomene dieser Zeitqualität erfahren: vor allem die Verlangsamung. Ganz automatisch wird unser Schritt, unser ganzer Körper zum Runterfahren seiner gewohnten Geschwindigkeit gebracht (siehe die Steinböcke). Winterzeit kann uns Langsamkeit lehren, so wie die Nacht uns innere Achtsamkeit lehrt. Wenn wir in gewohntem Tempo durch die Welt hetzen, bleibt für die Wahrnehmung der Innenwelten keine Chance. Der Preis dafür ist der Verlust unserer Seelenverbindung. Wir kennen die Folgen: Stress, Krankheit, Depression, Süchte, Sinnverlust und dergleichen mehr lassen die Kosten explodieren und das System unserer wirtschaftlichen und sozialen Sicherheiten immer mehr zusammenbrechen. Dabei wäre es doch so einfach, wir bräuchten nur dem Vorbild der Natur zu folgen. Doch auch von ihr haben wir uns "fort geschritten" im patriarchalen Fortschrittswahn.
Botschaft der Langsamkeit und Stille

Wenn wir diese Zeichen und Naturgesetze nicht achten, wird es eine harte Zeit. Dabei ist im Winter so viel Weichheit zu finden. Wenn in der Nacht Schnee fällt, ist der Morgen verzaubert von einer Harmonie runder, weicher Formen überall, alles ist wie in weisser Watte. Wenn sogar in der Stadt grosse Flocken fallen, verändert sich die Atmosphäre. Vielleicht stockt der Autoverkehr, das Tram steht still. Viele von uns sehnen sich nach Ruhe, nach Stille, nach Zeit; aber wenn sie da ist, ertragen sie sie nicht. Nutzen wir doch die Winterzeit, um nicht einfach verärgert über etwelche Verzögerungen weiterzuhasten, sondern um uns einmal etwas Stille und Ein-kehr zu gönnen. Und wer weiss, was wir alles entdecken werden, wenn wir dem Zauber lauschen, der aus der Stille lockt…

 

Autorin/Autor

 

Patricia Ertl
Publikationsdatum 10.01.2006
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