Wohlbefinden

Frühlingskraft des Lebens Teil II

Wenn am 21. März die Sonne in das Sternzeichen Widder eintritt, lohnt es sich unbedingt, auch hinzuschauen, was diesem Widder entgegengesetzt für ein Zeichen steht. Es ist die Waage - auch sie patriarchal eingefärbt.
Alles was auf der anderen Seite der Medaille erscheint, wird ignoriert, verdrängt oder abgewertet. Auf der anderen Seite aber, dem Widder gegenüber, liegt das Zeichen der Waage, ein Venus-Zeichen. Uns allen ist wohl sattsam bekannt, was für Eigenschaften einer patriarchalen Venus zugeschrieben werden. Sie hat schön und wohlgeformt zu sein, nett und harmonieliebend. Immer freundlich lächelnd. Adrett gekleidet. Hauptsache schöne Oberfläche. Scheinbaren Frieden durch falsches Nachgeben und faule Kompromisse. Venus wird gerne als die sanfte Schöne gezeichnet, welche den aggressiven Mars mit ihren Verführungskünsten besänftigt und zähmt. Die Schöne und das Biest. Als römische Liebesgöttin ist sie eine Figur aus der patriarchalen Antike, reduziert auf Rosenduft und Erotik. Doch diese einseitig-oberflächliche Betrachtungsweise der Venus mit ihrer seichten, nur auf das äussere Erscheinungsbild zielenden Schönheit, entspricht nicht ihren ursprünglichen Qualitäten.
Venus und Waage

Wenn wir Venus etwas gründlicher betrachten, offenbart sie uns ein anderes Bild von sich und schenkt uns ein tieferes Verständnis von Harmonie, als wir es gängigerweise gewohnt sind. Sie regiert das dem Widder gegenüberliegende Zeichen der Herbst-Tag-und-Nachtgleiche, der Waage. Das Bild spricht schon für sich, es ist ein Symbol für Ausgewogenheit und Gleichgewicht. Der Herbst lässt uns einerseits die Früchte ernten, die aus den Frühlingstrieben hervorgegangen sind, andererseits mahnt uns seine Melancholie an die Sterblichkeit ebendieser irdischen Formen. Die Waage ist das Tor zur Welt des Todes, zur Zeit von Herbst und Winter, hin zu den geistigen Welten, aus deren Schoss alles Leben ent-springt und wohin es wieder heimgeht (ein-geht). Leben entfaltet sich nicht linear, sondern in organisch-zyklischem Wachstum. Es ist die Akzeptanz dieser Grenzen und natürlichen Gesetzmässigkeiten, welche Mensch und Natur in Einklang miteinander leben lässt.
Gleichgewicht und Harmonie

Das Zeichen Waage lehrt uns, dass Balance nur möglich ist, wenn beide Seiten gleich gewichtet werden. Dies gilt für alle Beziehungen, in Partnerschaft und Gesellschaft, in der Natur und zwischen den Völkern. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei, sondern um gerechte Verhältnisse. So gilt auch das Zeichen Waage als das Zeichen der Gerechtigkeit. Es kann wohl kein Zufall sein, dass Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, in weiblicher Gestalt dargestellt wird. In der einen Hand hält sie das Schwert, womit sie gleichsam den Gegenpol Mars im Griff hat; in der anderen Hand hält sie die Waage. Als göttlich weibliche Gestalt hat sie beide Seiten in sich integriert, hat sie in der Hand, kann sie beide handhaben. Damit ist sie eine wahre Göttin der Ganzheit und entspricht den Darstellungen weiblicher Göttlichkeit seit Anbeginn der Zeiten. Indem sie selber zentriert in der Mitte steht, kann sie beide Seiten ins Gleichgewicht bringen: die nach aussen gerichtete Lebenskraft des Mars einerseits und die nach innen gerichteten, verbindend wirkenden Kräfte der Venus andererseits, welche für Wiederanbindung der Aussenkräfte an die Innenreiche sorgen. Dabei verlässt sie sich nicht auf den äusseren Augenschein (ihre Augen sind oft verbunden dargestellt), sondern sie blickt gleichsam nach innen und verlässt sich bei ihrem Urteil auf ihr inneres Gespür. Massstab für ihre Beurteilung ist nicht einfach der äussere Augenschein, sondern sie schaut mit den inneren Augen und wägt ab mit den Gewichten der Seele.


Und wie aussen - so innen: diese Gesetzmässigkeit gilt sowohl für die strahlende Schönheit des Sternenhimmels wie auch für jedes Kräfteverhältnis im inneren Kosmos unserer Seele (griech. Kosmos = Schmuck, Zierde, Ordnung).


Harmonie entsteht aus der Mitte und aus der Ausgewogenheit aller Kräfte in einem System. Und zur Ganzheit dieses Energiesystems gehört auch die andere Seite, die unsichtbare Welt. Wahre Schönheit entsteht aus dem Einklang mit der Ordnung des Kosmos.


Wo solche Harmonie wirkt, Einklang und Zusammenspiel zwischen innen und aussen, oben und unten, diesseits und jenseits, da bildet sich Schönheit, Kraft und Leben. Im Venus-Symbol finden wir noch heute das einstige Anch-Zeichen, die ägyptische Hieroglyphe für "LEBEN“. Wie im Grossen - so im Kleinen. Wir alle tragen einen Kosmos in uns. Wenn es uns gelingt, unsere inneren Kräfte ins Gleichgewicht zu bringen, wirkt die eigene Balance als harmonisierende Kraft hinaus in die Welt und fördert so den Frieden auf allen Ebenen.


Wenn Widder und Waage, Mars und Venus nur in ihrer patriarchalen Verzerrung und oberflächlichen Reduktion gesehen werden, liefern sie entsprechend einseitig-destruktive oder zumindest sehr einschränkende Rollenmuster für unsere Beziehungen. Die übernahme patriarchaler Inhalte auf die viel älteren, grundlegenderen Prinzipien der Astrologie trägt wesentlich bei zu den unheilvollen Rollenzuschreibungen der Geschlechter und zur Aufspaltung der Welt in einander feindliche Polaritäten.


Darum kann uns eine Rückbesinnung auf die zeitlosen Botschaften der Natur und der Sterne eine neue Grundlage geben für den Aufbau neuer Beziehungs- und Lebensformen. Alte Weisheiten können Boden und Basis bilden für eine Entwicklung, die nicht dem blinden Fort-Schritt dient, sondern der Feier des Lebens, wo Venus und Mars sich neu im Tanz vereinen. In diesem Sinne kann uns auch die Astrologie als Verbindung der Kräfte von Himmel und Erde Hoffnung geben für einen neuen Frühling des Gleichgewichts und eine zukünftige Welt in Harmonie!


Lesen Sie auch Teil I

 

Autorin/Autor

 

Patricia Ertl
Publikationsdatum 22.03.2006
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch