Wohlbefinden

Zeit der Sinnlichkeit Teil I

Am 20. April wechselt die Sonne astrologisch in das Tierkreiszeichen "Stier“ und verweilt dort bis zum 21. Mai. Habt Ihr Euch auch schon gewundert, dass in der Astrologie das Zeichen "Stier“ als "weibliches“ Zeichen gilt?
Ein weiblicher Stier?

Wie kommt es, dass so ein archetypisch männliches Tier wie der Stier so stark mit Weiblichkeit in Verbindung gebracht wird? Zu Zeiten meiner Astro-Ausbildung konnte mir das niemand wirklich erklären. Ich musste mit den ungelösten Fragen und Widersprüchen leben lernen. Als ich vor dreizehn Jahren begann, mich intensiv mit der Erforschung der matriarchalen Ursprünge unserer Kultur und somit auch der Astrologie zu befassen, löste sich so manches der einstigen Rätsel auf erstaunliche Weise. Ich komme nachher darauf zurück.
Mein Körper und ich

Das Zeichen Stier wird dem Planeten Venus zugeordnet. Es kann als Sammelbecken unserer sinnlichen Erfahrungen seit der Kindheit betrachtet werden. Wie erlebten wir den Körperkontakt mit unserer Mutter? Wurden wir von ihr an der Brust gestillt oder bekamen wir den "Schoppen“? Wie war es in der Schwangerschaft, im Bauch unserer Mutter? Fühlten wir uns da wohl und geborgen? Wie konnte sich unser werdender Körper in die Sinnlichkeit des materiellen Seins hineinentwickeln? Und wie erfuhren wir später den Umgang mit unserer Körperlichkeit? Wie wurde ich berührt, gewickelt, genährt, gestreichelt? Wurde mein Hunger gesättigt? Welche Qualität hatten all diese Erfahrungen? - Im Sammelbecken unserer Körpererfahrungen bildet sich unser späteres Verhältnis zu Körper, Sinnlichkeit und Sexualität. Ist mein Körper nur ein stumpfes, funktionierendes Vehikel, damit ich die Pflichten des Alltags bewältigen kann? Oder ist da genügend Lust und Lebendigkeit vorhanden, mich das Erdenleben auch geniessen zu lassen?
Verteufelung der Leiblichkeit

Die Freude am Leiblichen ist im Zeichen des Stiers und der Venus zuhause. Es ist die Liebe zum Körper und zur Materie. Wie sehr hat sie doch leiden müssen im Laufe der patriarchalen Geschichte: Unterdrückt und ausgetrieben mit Gewalt, Sinnlichkeit war des Teufels. Freude am Körperlichen war Gottesverrat und Hexerei. Genuss war ein himmlischer Augenblick, der die Ewigkeit der Hölle nach sich zog. Der weibliche Körper war eine Zumutung, musste gezüchtigt und verurteilt werden, verurteilt zu Folter und Tod. Skorpion, der Gegenpol des Zeichens Stier, hatte Hochkonjunktur über Jahrhunderte. In seiner Verzerrung hatte er nur ein Ziel: die Vernichtung der Leiblichkeit! Oder es wurde dem Körper die Seele ausgetrieben. Die Kälte des entseelten Materialismus und die Sucht nach veräusserlichten Quantitäten ("immer mehr!“) ist genauso eine Folge jener teuflischen Torturen. Diese langen Prägungen, liebe Frauen, die sitzen uns allen noch in den Zellen unserer Körper, bewusst oder unbewusst.
Mein Körper, mein Haus

Heilung der Leiblichkeit aus einer körperfeindlichen Geschichte ist eine kollektive Aufgabe für uns alle im Neuen Zeitalter. Darum ist Stier, das Zeichen der lebendigen Sinnlichkeit, von so fundamentaler Bedeutung. Es ist ein Erdzeichen, es ist der Grund und Boden unserer materiellen Existenz. Es ist Grundlage unseres Selbstwertgefühls. Es gibt uns Standfestigkeit und Stabilität. Wenn wir uns in unserer eigenen Haut nicht wohl fühlen, wo denn dann? Wir können über die ganze Erde in die Ferne flüchten, unserer Leiblichkeit können wir nicht entgehen. Dieses Thema tragen wir mit uns, wo immer wir stehen und gehen. Auf der Grundlage einer positiven Beziehung zu unserer Körperlichkeit können wir Selbstvertrauen entwickeln, unseren Begabungen vertrauen, auf unsere eigenen Ressourcen bauen, mit Wertschätzung für unsere eigenen Leistungen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Frauen ihren Wert noch so oft für zu billig verkaufen. Viele Frauen glauben immer noch, im grunde nichts zu können und nichts zu haben. Sie leben ohne Verbindung zur eigenen Substanz. Und in unserer Gesellschaft gilt Frauenarbeit immer noch als zu vernachlässigender Gratiswert, der im Bruttosozialprodukt des Landes unsichtbar bleibt.
Materielle Wertschätzung

Was ist mir lieb und teuer? Welche Werte sind mir wichtig? Und das Geld, wie stehe ich zu ihm? Was ist Reichtum? Verteidige ich meinen Raum, meinen Besitz, meine Schätze, meinen Körper und mich selbst? Wie steht es um meine Abgrenzungsfähigkeit? All diese Themen gehören zum Zeichen des Stiers. Getraue ich mich, eigenen Raum zu beanspruchen? Lebe ich im Gefühl des Mangels und des ständigen zu-kurz-Gekommen-seins? Oder habe ich irgendwo Zugang zu einer Weide der Fülle und der Zufriedenheit, wo es mir an nichts mangelt und keine Zukunftsängste mich jagen? Und wie steht es mit der Fülle meiner Körperlichkeit? Mit meinem Umfang, meinem Gewicht? Was bedeuten sie mir? Vergiss dabei nicht, dass zu radikale Konfrontationen mit möglichen Verletzungen dieser Themenbereiche selbstzerstörerisch sein können (losgelöster Skorpion). Wenn Du die (Ab-)Gründe der leidvollen Geschichte weiblicher Leiblichkeit erforschen willst, sorge zuerst für den Aufbau genügend tragender Substanz in Deiner Seele.
Blüte des Lebens

Die Frühlingsmonate April und Mai gehören zu den schönsten des Jahres! Die Natur erblüht in ihrer Leiblichkeit und schwelgt in der Wonne von Duft und Schönheit! Sie öffnet sich mit ganzer Hingabe an das Leben, voller Lust, Genuss und Lebensfreude! Die Feier der Göttlichkeit der Materie darf nicht verwechselt werden mit dem grenzenlosen Materialismus unserer Tage. Unsere blinde Konsumgesellschaft beutet die Erde aus bis zur restlosen Zerstörung ihrer Ressourcen. Wenn wir aus Verlustängsten etwas festklammern, werden wir es totsicher verlieren. In den matriarchalen Religionen hingegen wurde das LEBEN verehrt in seinem sichtbaren und unsichtbaren Aspekt. Im Frühling materialisierten sich die Lebenskräfte wieder ganz ins Körperliche hinein und wurden dort begrüsst und geehrt. Im Herbst zogen sie sich wieder ins unsichtbare Reich zurück, um sich dort zu regenerieren. Hinter der Verehrung der Leiblichkeit stand die Akzeptanz ihrer natürlichen Vergänglichkeit und das tiefe Vertrauen auf die zyklische Wiederkehr der Kräfte aus dem Schoss der Lebensmutter.
Land der Göttin

Alles schwelgt in der Fruchtbarkeit des Landes, welches einst als erotischer Leib der Göttin erlebt wurde. Im Vertrauen in die Fülle und Nahrung, in der Hingabe an eine erotische Gegenwart des Lebens! Dahinter stand in den matriarchalen Kulturen die Wahrnehmung von Mutter Erde als dem lebendigen Nährboden unserer Existenz. Sie wurde verehrt in den Erdtempeln der Göttin auf der ganzen Welt, besonders eindrücklich sind z.B. die Tempel auf Malta. Das Leben als Feier der leiblichen Erotik war das Erleben der unmittelbaren sinnlich-spirituellen Berührung der Göttin. So war auch in späteren Zeiten jede Kirche ein Leib der Göttin. Der Eingang zu ihrem heiligen Innenraum war die wohlgehütete Schwelle ihrer Vulva. In den dunklen Zeiten der patriarchalen Religionen ging dieses Wissen und Erleben vollständig verloren. Aber heute entdecken wir es wieder und können die Wiederauferstehung der göttlichen Leiblichkeit neu feiern!


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Autorin/Autor

 

Patricia Ertl
Publikationsdatum 20.04.2006
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