Wohlbefinden

Heilige Hochzeit von Himmel und Erde Teil I

Sommerzeit, die Hohe Zeit des Jahres! Hoch und immer höher steigt das Licht. Immer intensiver wird die Einstrahlung der Sonne, des Nachts sind nur noch wenige Stunden richtig dunkel. Auf der Erde erreicht das Wachstum der Vegetation ihren Höhepunkt.
Die Energien des Sommers strömen nach draussen, ergiessen sich hinaus in die Welt. Alle irdischen Gefässe sind nun gefüllt bis zum Rand und fliessen über vor Energie. Wenn wir es feinstofflich wahrnehmen könnten, wie alles nach aussen strahlt, erstrahlt in Glanz und Farbenpracht, welch ein Fest des Lebens! Es ist, als ob die Pflanzen sich mit dem Licht der Sonne vereinigen wollten, die Sphären von oben und unten strecken sich einander entgegen und verschmelzen ineinander.


Die naturverbundenen Menschen der frühen Kulturen haben die Energien des Jahreskreises gespürt, wahrgenommen und daran teilgenommen. So war denn auch der Monat der Mittsommerwende in alter Zeit die Hohezeit der Heiligen Hochzeit. Bei heiligen Steinen und Quellen wurde getanzt und gefeiert: Die Vereinigung von Himmel und Erde, von Göttin und Erdenkönig, von Sonne und Mond.
Das Zeichen des Krebs

Das Tierkreiszeichen Krebs entfaltet seine Wirkung. Was überströmt, fliesst zueinander. Die Menschen suchen Gemeinschaft und verbringen viel Zeit im Draussen. Krebs ist das Zeichen des Mondes. Ist es nicht interessant, dass es zur Zeit des höchsten Sonnenstandes im Jahr der Mond ist, der hier im Zentrum steht? Umgekehrt ist es am "Gegenpol“ des Jahres, an Weihnachten, die Wiedergeburt der Sonne, welche gefeiert wird! So sind die kosmischen Kräfte im Gleichgewicht, und die Menschen haben dies in Kult und Kultur gefeiert. Die Königin des Krebs-Zeichens ist Maria, die Meer-Mutter mit der Mondsichel. Krebs ist ein ur-matriarchales Zeichen, es ist das Zeichen der Mütter, der göttlichen Gross-Mutter ANA und der Urahnin aller Völker. Sie ist die Quelle des Lebens. So wie das Krebs-Haus im Horoskop der Ort unserer Herkunft ist, die Gewässer unserer Seelenheimat, die tiefen Teiche, aus denen in vielen Sagen die kleinen Kinder stammen. Astrologisch entspricht das Kind dem Mond, der im Krebs seine Wohnstätte (astrologisch sein "Domizil“) hat.


Krebs ist ein Wasserzeichen. Wasser ist das Element, das Verbindung schafft. Es fliesst zwischen den Aggregatzuständen von fest und gasförmig, von sichtbar und unsichtbar, von Materie und Geistigen Welten. Wasser ist das Element der astralen Sphären zwischen den Welten, von welchen uns geheimnisvolle und zauberhafte Geschichten erzählen, Traumbilder, Naturwesen. Kinder und Tiere stehen diesen Welten noch nahe, können mit ihnen kommunizieren. Wir vernünftigen Erwachsenen, von unserer patriarchal-rationalen Gesellschaft auf das Sonnenbewusstsein reduziert, welches sich nur auf die sichtbaren Dinge der Tageswelten richtet, wir haben den Zugang zu jenen Welten vergessen und verlernt. Uns Frauen wird noch eher eine Liaison mit den Wasser- und Mondenwelten gestattet, aber für die Männer unserer Zeit ist das offiziell tabu.
Hochzeit in Vergangenheit und Zukunft

Früher war das anders. Unser Bewusstsein war anders. Auch das Bewusstsein der Männer. Wir heutigen Menschen können uns kaum mehr vorstellen, wie in frühen Kulturen das grosse Sommerfest der Heiligen Hochzeit empfunden wurde. Sexualität in unserer Zeit ist dermassen abgespalten und reduziert, verflacht auf schnelle Körperreize, kollektiv durchsetzt von Angst und Gewalt.


Wie können wir Heutigen wieder Zugang finden zu den umfassenden und ganzheitlichen Empfindungen der naturverbundenen spirituellen Kulturen unserer Vergangenheit? Und was soll uns die Vergangenheit nützen, uns, die wir doch so sehr auf Zukunft und weiteren Fortschritt ausgerichtet sind?


Am 21. Juni tritt die Sonne ins Tierkreiszeichen Krebs. Seine Bedeutung geht viel tiefer als die paar Schlagwörter in den Horosköpli der Tageszeitungen, auf den Zuckersäckli oder in den bunten Büchlein in Kiosk und Buchhandlung. Die Symbolik des Krebs-Zeichens zeigt eine himmlische Konstellation, die Vollmondstellung um die Mittsommerwende. Sonne und Mond stehen sich ebenbürtig gegenüber auf dem Zenit des Jahres. Sie sind genau gleich gross. Sie begegnen sich auf gleicher Ebene, es ist die rote Horizontebene bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, wenn wir beide Lichter des Himmels einander gegenüber erblicken. Diese übergangszeiten zwischen Tag und Nacht sind von besonderer Stimmung. Blutrot ist manchmal die Farbe des Himmels. Weich ist das Licht und geheimnisvoll fliessen die Welten ineinander. Die Energie entspricht analog dazu dem Element Wasser, welches fliessende übergänge schafft.
Mondmänner

In jenen vergessenen Zeiten, wo Himmel und Erde noch in Verbindung standen und ihre Hochzeit von den Menschen mitgefeiert wurde, gab es noch Mond-Männer. Ja, liebe Frauen, das waren noch Zeiten! Der Mond war meist männlich, er wurde in den verschiedenen Völkern der Erde dargestellt als Mondgott mit Hörnern. Er war der gehörnte Partner der Göttin und trat auf in Gestalt von Stier und Ziegenbock (Steinbock, dem Krebs gegenüber!). Er hiess Minos, Apis, Sin, Tesup, Mani, Meness und Lunus. Er hatte viele Namen, genau so wie die Göttin. Später wurde er dann verteufelt, so wie die Göttin auch. In den Märchen finden wir ihn noch als den diabolischen "Gehörnten“ mit den Bocksfüssen. Aber es gab ihn, den Mann im Mond und den Mond im Mann. Wer würde das heute noch denken! In der heutigen Astrologie wird nämlich sowohl das Krebs-Zeichen wie auch sein "Planet“ der Mond als "weiblich“ definiert. Mit allem patriarchalen Nachhang. Denn der Mond hat schliesslich kein eigenes Licht, so heisst es jedenfalls, er ist bloss blasser Empfänger des strahlenden Lichts der ("männlichen“) Sonne, welches er für die Erde reflektieren darf ØWer will sich mit so was schon identifizieren? Kein Wunder, wollen Männer heute vom Mond in ihrem Horoskop nichts wissen. Lieber delegieren sie ihn an die Frauen, die sind schliesslich für den Mond zuständig, so schreibt es die Rolle vor.


Doch Rollen sind nicht vom Himmel gefallen. Sie sind Produkt unserer Kultur und Zeit, Ergebnis unserer Gedanken. An der Schwelle zum Wassermann-Zeitalter sind wir frei, unsere Gedanken neu zu denken und neue mentale Formen in den äther zu schicken. Was wir heute an neuen Visionen entwickeln wird die Realität von morgen. Unser Verständnis von Mond und Sonne, unsere inneren Bilder von Sexualität und Geschlechterbeziehungen, die können wir ändern! Damals, als "Hochzeit“ noch heilig und nicht patriarchal definiert war, da hatte der Mond mit seiner Kraft definitiv eine andere Stellung als heute. Denken wir an einige der positiven Eigenschaften, die dem Mond astrologisch zugeschrieben werden: die Welt der Gefühle, das "innere Kind“ mit seiner Phantasie und spielerischen Kontaktfreude, Sensitive Aufnahme- und Spiegelfähigkeit. Wünschen wir uns solche Eigenschaften nicht auch bei einem Mann?


Leider entspricht es nicht dem Profil des patriarchal-männlichen Rollenmusters, dessen Bilder uns allen, Männern und Frauen, noch so tief in den Knochen sitzen, sei's bewusst oder unbewusst. Doch wie wäre es, wenn der Mondmann von früher eine Renaissance erleben würde?

 

Autorin/Autor

 

Patricia Ertl
Publikationsdatum 21.06.2006
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