Das Datum des ersten Konzertabends, letzten Samstag dem 8.
März aufgeführt, war kein Zufall. Anahit Balyan war es wichtig, diesen Tag für
die Aufführung zu wählen, dem Internationalen Tag der Frau. Er hat auch in
Armenien grosse Bedeutung. Denn er wird als Beginn für das Fest gefeiert, das
einen Monat lang andauert und bei dem die Frauen mit Blumen und anderen
Zuwendungen in Dankbarkeit verwöhnt werden.
Musik und Poesie
Bedeutung haben auch die Lieder der armenischen Komponisten
Komitas bis Chatschaturjan und besonders die übersetzten Gedichte von Nahapet
Khutschak. Sie alle erzählen von der Liebe, die ihre Regeln nur aus dem Herzen
bezieht.
Ursula Oelke liest zwischen den Liedern die übersetzten
Hairene des armenischen Renaissance-Dichters. Gedichte, die in je vier Fersen zu
15 Silben von der Liebe in all ihren Formen erzählen.
Fremde Klänge
Der Konzertabend, aussergewöhnlich und rund gestaltet, führt
vom alten Armenien des 16. bis in das des 20. Jahrhunderts. Die klassischen und
volkstümlichen Lieder klingen teils orientalisch, aber auch asiatisch und
kommen durch den hellen, zugleich tiefgründigen Sopran Balyans mit den reichen Koloraturen
in geheimnisvoller Weise zur Geltung.
Ursula Oelke und Nadeschka Krajnc
begleiten mit Klavier und Kontrabass die ausgewählten Werke, von denen keines
allgemein bekannt sein dürfte.
Frühlingsgefühle und
Wehmut
Deshalb mögen Musik und Worte, die Anahit Balyan singt, fremd
klingen. Sie können jedoch in einer unerklärlichen Weise erfasst werden. Denn
die Sopranistin versteht es die tiefe, geheimnisvolle Verbundenheit zu ihrem
Heimatland in Stimme und Gestik, entsprungen aus der Wärme ihres Herzens, auf
das Publikum zu übertragen. So schafft sie es mit der Auswahl der Lieder Frühlingsgefühle
genauso wie Wehmut zu wecken.
Das Hairen Nummer 58
In Khutschaks Hairenen kommt der Grundtenor der Renaissance zum Ausdruck, das Gefühl, dass das Leben uneingeschränkt gelebt und die Schöhnheit der Welt in vollen Zügen genossen werden soll. Die Mehrzahl sind Verse der Liebe, frei von elterlichen Vorschriften und Ansichten der Öffentlichkeit, einer Liebe, die nur eine Macht kennt, die Macht des Herzens.
"Schwarze Augen und schwarze Brauen,
deine Locken so schwarz und wild,
heut nacht möge Gott dich strafen,
erscheint mir nicht strahlend dein Bild.
Doch kommst du zu mir heute abend
und wird mein Verlangen gestillt,
so schmiege ich Wange an Wange,
bis dein Hauch meine Seele erfüllt."