08:04:2014
Martha Beéry-Artho verbindet ihre vielfältigen beruflichen Kompetenzen
mit ihren Lebenserfahrungen. Daraus entsteht ein Engagement für ein von Frauen
selbst definiertes Frauenbild.
Die Fernsehdoku: “„Die Schweizer – woher kommen wir -– wer sind wir –- wohin gehen wir?“” hat viel Kritik und Diskussionen ausgelöst. Sie stützen die Argumentation der Interessen-gemeinschaft Frau und Museum, dass die Geschichte unseres Landes nur durch Einbezug der Schweizerinnen präsentiert werden darf. Martha Beéry, Fach- therapeutin für kognitives Training und Präsidentin der IG Frau und Museum, ergriff die Möglichkeit der Beanstandung und reichte zwei Beschwerden ein.
Erika Bigler
Die erste Beschwerde startete vor zwei Jahren gegen die Arenasendung vom 29.4.2012 mit dem Titel: “Bedingungsloses Grundeinkommen – Vision oder Spinnerei?”. Es war eine reine Männerrunde, die diesen politischen Vorschlag eines Systemwechsels des Einkommens und der damit verbundenen sozialen Absicherung diskutierte. Dies ohne auch nur in wenigen Worten darauf hinzuweisen, dass sich ein solcher Systemwechsel anders auf Frauen als auf Männer auswirken würde. Die Beanstandung wegen Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebotes wurde von der UBI (Unabhängige Beschwerdeinstanz Radio und Fernsehen) einstimmig gutgeheissen. Das Fernsehen zog den Entscheid vor Bundesgericht, welches ihn umgestossen hat. Das Bundesgericht begründete dies u.a damit: andere Gruppen wie Betagte, Jugendliche, Migranten, Arbeitnehmer usw. hätten dies auch beanstanden können. Was das Bundesgericht hier nicht berücksichtigte, unter all den Genannten sind über die Hälfte Frauen. Ein weiterer Grund war: eine Sendung wie die Arena wäre mit diesem Anspruch an Sachgerechtigkeit gar nicht mehr möglich, dies weil es sich nicht um eine journalistisch aufbereitete Sendung handle.
Bundesgerichtsentscheid
Ich bekam diesen
Bundesgerichtsentscheid im Oktober 2013, als sich in der Presse ein Sturm der
Kritik gegen die 4-teilige Fernsehdoku “Die Schweizer” erhob. Dies, weil diese
Sendungen als Kernpunkt des Fernsehmonats galten und eine Schweizergeschichte
ohne “nennenswerte” Frauen zeigte. Das Fernsehen rechtfertigte sein Konzept
damit, es hätte in den gezeigten Epochen keine Frauen mit politischem Einfluss
gegeben. Zudem habe es mit der Reihe “cherchez les femmes” sehr wohl
einflussreiche Schweizerinnen dargestellt. SRF hat dann in der Folge auch noch
die eine oder andere zusätzliche Sendung ins Programm aufgenommen, hält aber an
der Richtigkeit des Konzepts fest. Ich sah in diesen Begründungen der
Fernsehleitung dieselbe Haltung Frauen und Frauenthemen gegenüber
widerspiegelt, wie ich sie im ganzen Programm erlebe. Da ich nun über eine
Erfahrung betr. Beanstandung – Beschwerde und Folgen verfüge, nahm ich die
Möglichkeit einer Beanstandung wahr. Dies auch mit dem Wissen, dass es
sich hier nun sehr wohl um einen redaktionell aufbereiteten Zeitraum t
handelte.
Ich
habe in politischen Parteien mitgearbeitet und die Erfahrung machen müssen, dass
meine (Ein-) Sichten über Frauenbelange nicht geteilt werden. Ich bin der
Überzeugung, dass es Fragen gibt, die über alle verschiedenen Lebensentwürfe und
Überzeugungen Frauen insgesamt betreffen und dies, weil sie Frauen sind. Dies
war der Grund für meine Beschwerde gegen die Arena. Die Frage nach dem Einkommen
für den Lebensunterhalt z.B. stellt sich für Frauen anders als für Männer. Dies
im Zusammenhang mit den männlichen und den weiblichen Lebenswelten. Dies
jedoch steht auch in engem Zusammenhang mit dem Frauenbild in der Gesellschaft.
Diesen Fragen gehe ich nach.
Im Themenmonat die Schweizer sah ich einmal mehr
das von SRF transportierte Frauenbild, als einseitig und aus meiner Sicht
diskriminierend an. Ich beanstandete u.a. die Artikel:
Diskriminierungsverbot, Sachgerechtigkeitsgebot und auch Verherrlichung oder
Verharmlosung von Gewalt seien verletzt. Ich müsste hier noch anfügen, bei der
zweiten Beschwerde handelt es sich um eine Beschwerde gegen die Kindersendung
“Helveticus” im selben Themenmonat. Diese zeigt das, was ich kritisiere, noch
viel deutlicher auf.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich als
Einzelperson, unterstützt und begleitet von Gleichgesinnten, direkter an
gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen kann. Vielleicht heisst es deshalb
“direkte Demokratie”.
Das ist schwierig zu erklären, denn die Grundmotivation ist immer, wenn mein Gerechtigkeitsgefühl verletzt wird, dann beginnt es in mir zu arbeiten. Wenn ich dann Möglichkeiten sehe, auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen, oder etwas daran zu verändern, dann tue ich es. Dies seit ich Kind war. Ich war dann auch über zwanzig Jahre in der sozialen Arbeit tätig und habe da viel Zeit für Begleitung und Hilfe zur Selbsthilfe aufgewendet. Gerade in dieser Tätigkeit wurde ich immer mit den gesetzlichen Grundlagen und diesen zu Grunde liegenden Menschen- und Frauenbildern konfrontiert. In dieser Tätigkeit, aber auch als Fachtherapeutin für bewusstes Gedächtnistraining, ausgebildet in gestaltender Therapie, als Ausbildnerin und Laienrichterin habe ich meine Kenntnisse erweitert und meine Arbeitstechniken verfeinert. Grundlage für die nächsten Schritte jedoch bilden aber immer wieder die gemachten Erfahrungen.
Ich
bin der Ansicht, dass die Kritiken in der Presse gegen den Fernsehmonat zwar
wirksam waren, aber nur temporär, denn es wurden mit einigen Einschalt-sendungen
Zugeständnisse gemacht. SRF scheint der Ansicht zu sein, das “Problem” sei damit
“erledigt. Die Grundproblematik jedoch bleibt bestehen. So wurde z.B.,wenn ich richtig gelesen und interpretiert habe, der
Verantwortliche für das Grundkonzept befördert und zwar an die Stelle Qualität
und Märkte, die aufgewertet worden sei. Diese Stelle war jedoch von einer Frau
geleitet, die vielleicht jetzt an die Stelle dieses Mannes gewählt wird. Ich
vermute eine etwas eigenartige “Rochade”, die in einem Zeitraum passiert, in dem
SRF vorsieht, mehr Frauen in die Kaderpositionen aufsteigen zu lassen.
Interpellation
Dann ist von Nationalrätin Yvonne Feri aufgrund dieses Fernsehmonats eine Interpellation eingereicht worden. Sie will das Radio- und Fernsehgesetz in Bezug auf Diskriminierung und Gleichstellung der Geschlechter anpassen. Der Bundesrat hat in seiner Antwort darauf hingewiesen, dass man ja Beschwerde einreichen könne, wenn das Diskriminierungsgebot nicht eingehalten würde. Wie aufwändig das ist, und dass man es ja dann auch tun muss und vor allem durchhalten, das möchte ich hier auch aufzeigen. Es ist auch eine Möglichkeit, die Fernsehmacher nochmals darauf aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass es auch im Publikum Menschen gibt, die aufmerksam hinschauen und aufzeigen, wenn sie das Gesetz verletzt sehen. Es geht auch darum zu wissen, ob das die unabhängige Beschwerdeinstanz auch so sieht.
Das Fernsehen hat nun meine Beschwerde mit Begleitbrief und dem mit meinen Einwänden, Berichtigungen, Vervollständigungen usw. versehenen Schlussbericht erhalten. Zur Beschwerde gegen die Kindersendung “Helveticus” habe ich jede der 26 vierminütigen Teile einzeln auf das gezeigte Frauenbild angesehen und meinen Eindruck beschrieben. Nun kann das Fernsehen wieder Stellung nehmen, ich bekomme dann diese und kann mich wieder äussern. Das Fernsehen hat dann nochmals Gelegenheit, sich zu äussern und dann wird die UBI zu einer Öffentlichen Verhandlung einladen. Da kann mich sich nicht mehr dazu äussern, da verhandeln dann die Mitglieder der eidg. Beschwerdeinstanz, alles Juristinnen und Juristen, die vom Bundesrat in dieses Gremium gewählt sind.
Uff......
aber ich finde es einfach wichtig, dass sich Frauen in Sachen Frauen und ihre Darstellung in den Medien und damit in der Gesellschaft einbringen. Sie führen damit weiter, was mit der Frauenbewegung begann. Denn das gezeigte Frauenbild wirkt sich gesellschaftlich viel wirksamer aus, als wir uns das vorstellen können. Ich denke, dass ich das als “Gedächtnistrainerin”, also eine, die etwas mit Gedächtnis und damit den Grundlagen des Denkens zu tun hat, so sagen darf.