Fiese Grossmutter mit grossem Herz

Bild
Ein unterhaltsames, verschmitztes Buch für triste Tage.
Bild
Alina Bronsky lebt und schreibt bei Frankfurt.

Das Buch:

Alina Bronsky, Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010; Preis: 28.90 Franken.

Der russischstämmigen Schriftstellerin Alina Bronsky ist mit ihrer neuesten Veröffentlichung ein spritziges Buch gelungen. Sie lässt eine schöne, anspruchsvolle und exzentrische Grossmutter im Russland der Krisen- und Umbruchjahre um ihre Familie kämpfen. Sie beschreibt eine erfrischend unkorrekte, misslungene und doch immer wieder hoffnungsvolle Familiengeschichte, in der alle von der dominanten Grossmutter abhängig sind.

 

Brigitta Schmid

20:10:2010

 

Sie wächst einem im Laufe der Geschichte ungewollt ans Herz, Rosalinda – Mutter und Grossmutter. Und man leidet mit ihr in ihrem steten Kampf um Schönheit, Anerkennung und Erfolg.


Drastisch, sinnlich und gefühlvoll …

Dieser tatarischen Grossmutter geht nichts über ihre Enkelin, die sie anfangs eigentlich gar nicht haben wollte und sie setzt alles daran, aus ihr den Mensch zu machen, der sie selber gern gewesen wäre. Dieses Unterfangen, bereits an der eigenen Tochter gescheitert, lässt sich auch an der übernächsten Generation nicht erfolgversprechend an. Trotzdem hält die Heldin bis zum bitteren Ende daran fest. Eine erfolgreiche, hübsche und sympathische Persönlichkeit heranzuziehen ist kein einfaches Unterfangen, schon gar nicht im sowjetisch mangel-geprägten Russland. Aber auch der beginnende Kapitalismus zeigt sich der Familie nicht wirklich gesonnen. So gestaltet sich der Alltag der drei Frauen – der Ehemann und Vater hat sich zu einer anderen Frau abgesetzt – harzig und farblos. Nie aber mangelt es der Grossmutter an Ideen, Willenskraft oder „dummer, gieriger Männer“, die sich ausnehmen lassen.


Leidenschaftliches Leben

Am Schluss hat die alternde, kränkelnde Grossmutter – allein in Deutschland gestrandet, ohne die fleissige Tochter und ohne die erwachsene Enkelin – ihre eigene Geschichte längst selbst überlebt. Illusions- und kraftlos überlässt sie sich dem hart errungenen Wohlstand und lässt sich treiben. Schillernd bis zum Schluss ist allein ihre äussere Erscheinung auf die sie in allen Lebenslagen ausgesprochen viel Wert legt und die sie wohl letztlich durch das Leben getragen hat.


Alina Bronsky zieht hier eine ernüchternde Bilanz. Sie schneidet die Zeitgeschichte und auch brennende Themen wie Migration, physische und psychische Abhängigkeiten atemlos, bitter böse und wohl auch mit der richtigen Portion Rotznäsigkeit an; überlässt es dann aber der ratlosen Leserschaft diese mit dem leichten, schnellen und im Endeffekt wohl doch etwas gar oberflächlichen Schreibstil in Einklang zu bringen.


zurück            Diesen Artikel versenden            Mein Kommentar zu diesem Artikel
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch