Das grosse Welttheater oder eine Schwalbe macht noch keinen Sommer

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Gemischte Gefühle an der WM.
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Lebensfreude ist alles.

Eine Schwalbe im Fussball ist ein vom vermeintlichen Opfer vorgetäuschtes Foul.

 

Schlagzeilen zum Thema:

„Schwalben werden immer raffinierter“

„Die zehn schönsten Schwalben“

Gehören Sie zu den Frauen, die sich sehr für das Thema Fussball erwärmen können oder versuchen Sie vielleicht immer noch herauszufinden, was denn daran so packend sein soll? So oder so, wir können uns dem Geschehen der aktuellen Weltmeisterschaft nicht völlig entziehen. Ein Fan hier, ein Fähnlein dort. Doppelte Freude und geteiltes Leid, wohin man schaut.

 

Franziska Elsaesser

30:06:2010

 

Kürzlich war ich bei meiner brasilianischen Freundin zum Abendessen eingeladen, um in ihrem grossen Freundeskreis das Spiel Brasilien gegen die Elfenbeinküste anzuschauen. Das war kurz nach dem  grossen Überraschungssieg der Schweizer gegen Spanien und selbst die hartgesottensten Nichtinteressierten waren nicht völlig unberührt geblieben.

 

So auch an diesem Abend. Gute Laune, eine lebhafte Atmosphäre, ein ausgezeichnetes brasilianisches Fischgericht und schliesslich zu Spielbeginn die brasilianische Landeshymne, zu der sich die gelb-grüngekleideten Landsleute vor den Bildschirm stellten, mit der Fahne winkten und begeistert mitsangen. Mein Gedanke dabei, was geht mir denn ab? Würde ich wenigstens für Roger Federer so hinstehen und mitsingen?

 

Der Match war für mich jedenfalls in verschiedener Hinsicht sehr spannend. Was mir beim Zusehen  besonders ins Auge stach, war die unglaubliche Ausdrucksfähigkeit der Spieler.  Und das Echo der gezeigten Emotionen im Publikum.

Da gab es alles: Freude bis hin zur Ekstase, Wut oder auch nur Ärger, Ohnmacht, Fassungslosigkeit, abgrundtiefe Trauer wie beim Untergang der Titanic. Eindrücklich zudem der Mut zum Softie: echte Tränen, sei dies nun aus Verzweiflung, aus Rührung oder vor Schmerz.

Das unsägliche Leiden dieser schönen und starken Männer, die sich vor Schmerzen auf dem Boden winden müssen, war nur schwer zu ertragen.

Doch dann sofort die Frage unter den Zuschauenden: war das nun eine Schwalbe? Ist es echte Pein oder eher peinlich?

 

 

Wie bitte? Bis dahin hatte ich nämlich zu den Leuten gehört, die bei  „Schwalbe“ an einen Vogel denken und nachdem ich eben erst gelernt hatte, dass es auch Fouls braucht, nun also die nächste Lektion: ein Foul kann ausserdem vorgetäuscht werden. (Erklärung siehe Box-Info).

 

Interessant scheint mir bei  einer derartigen Schauspielkunst vor allem die Frage, was für ein Vorbild denn unsere Jugend erhält. 

Inzwischen ist  ja bekannt, dass die Jungs und Mädchen in den Fussballclubs nach Meisterschaften besser kicken, da sie nachahmen, was sie beobachten. Sie fühlen mit, übernehmen unbewusst  Bewegungsabläufe und Taktiken und lernen im wörtlichen Sinne spielend dazu.

Das ist so, weil unser Gehirn mit speziellen Zellen ausgestattet ist, die solches Lernen ermöglichen. Praktisch, nicht wahr, und heitere Aussichten für unsere künftigen Fussballtalente.

Was hingegen die Theatralik gewisser Spieler betrifft, lässt sich der Lerneffekt etwas heikler an.

Im positiven Fall bekommen unsere Kinder die Möglichkeit ihr Urteilsvermögen zu schärfen, zwischen Sein und Schein zu unterscheiden. Im weniger günstigen Fall erhalten sie das OK, negativen Gefühlen freien Lauf zu lassen, wie auf facebook beobachtet werden kann an zum Teil sehr beunruhigenden  Äusserungen  zu  Schiedsrichterurteilen oder Spielern.  Mobbing global sozusagen.

 

Spielen wir doch also lieber mit dem Ball als mit Gefühlen und Feuer, denn auch die armen  Schiedsrichter scheinen tatsächlich vor keiner leichten Aufgabe zu stehen und werden deshalb oft in die Wüste geschickt, oder an den Strand. Und nun wissen wir ja alle weshalb: da gibt es keine Schwalben - so glaube ich zumindest.

 

Damit wäre dann meine persönliche Fussballwelt eigentlich ganz in Ordnung. Meinen Fisch habe ich geniessen können, die ansteckende Freude der Brasilianer ebenfalls, etwas Mitleid mit dem Elfenbeinteam verspürte ich schon und auf den unerwarteten Sieg der Schweizer bin ich immer noch stolz.

Und wer weiss, vielleicht werde ich eines Tages sogar für Roger singen.


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