Schengen - die neue Freiheit

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Seit dem 12.Dezember 2008 gehört die Schweiz dem Schengen-Raum an.
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Mehr als 700.000 Menschen sind in der Schweiz von der Visumspflicht im Schengen-Raum befreit.

Zur Information:

Das Schengener Informationssystem (SIS) ist eine nichtöffentliche Datenbank, in der Personen und Sachen eingetragen sind, die im Schengen-Raum zur Fahndung ausgeschrieben sind. Zugriffsberechtigt sind nur Sicherheitsbehörden in sechzehn Schengen-Ländern. Rechtsgrundlage sind das Schengener Übereinkommen und die zugehörigen Durchführungs-
vereinbarungen.

 

Nina Nuhodzic

Einen Applaus für die Schweiz! Mit der Assoziierung der Schweiz an das Schengen-Abkommen der EU ändern sich die bisher gewohnten Visa-Regeln. Davon betroffen sind nicht Schweizer BürgerInnen, sondern geschätzte 700.000 Personen in der Schweiz, die aus visumspflichtigen Drittstaaten stammen. Eine Welle der Erleichterung macht sich bei den AusländerInnen breit!

 

Nina Nuhodzic

16:12:2008

 

Ich bezweifle, dass irgendeine Schweizer Bürgerin verstehen oder nachvollziehen kann, was dieses Abkommen für viele Menschen bedeutet. Ich stamme selber aus einem Drittstaat und benötige ein Visum für jede einzelne Reise, manchmal auch mehrere für die Durchfahrt durch einige Länder.
Ich habe mich mein ganzes Leben dieser erniedrigenden, mühseligen Tortur der Visumbeschaffung unterziehen müssen. Plötzlich spüre ich eine unbeschreibliche Freiheit, denn für jene, die in der Schweiz eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzen, öffnet sich der Schengen-Raum gleich wie für Personen mit Schweizer Pass.

Ich habe wegen meiner Visumpflicht eine Angst vor Grenzübergängen entwickelt. Das beklemmende Gefühl, sich einer Landesgrenze zu nähern, hat mich immer verfolgt. Ich erinnere mich an einen sehr unangenehmen, frostigen Morgen, als ich mit einem Reisebus quer durch Europa in die Schweiz kam.

Eine zwanzigstündige Fahrt durch die wildesten Ecken Europas, vorbei an schönen Landschaften, die man nie geniessen konnte. An einer Landesgrenze wurde ich mit meinen Mitreisenden im Morgengrauen unsanft aus dem Bus gejagt, wir mussten uns an eine Linie stellen und still warten. Noch halb verschlafen und zitternd musste ich, wie alle anderen auch, miterleben, wie GrenzbeamtInnen mit höhnischem Lachen meine Reisetaschen durchwühlten.

Vieles wurde nass, weil die Beamten unser Gepäck grob behandelten, allerdings schenkten sie ihre Aufmerksamkeit meiner Unterwäsche. Es ist unschön, wenn man so etwas erlebt und nichts dagegen unternehmen kann. Mir war immer bewusst, dass meine Reaktion auf diese Taten nur negative Konsequenzen haben könnte. Für mich und für den Busfahrer...

 Es wurden die Spürhunde losgelassen, wir warteten immer noch im Schnee vor dem Bus. Als man nichts Anstossendes oder Gefährliches fand, liess man uns erst fahren, als unser Busfahrer Zigaretten und Whisky opferte. Diese Prozedur wiederholte sich ganze acht Mal, bis ich die Schweizer Grenze passiert hatte.

Im Sommer mal kurz ans Mittelmeer? Kurz über die Grenze zum Einkaufen? Keine Chance!

Ich kenne keine andere Art zu reisen, ausser  mit einem Reisevisum. Um dieses zu beschaffen, braucht es Zeit, Geduld und Geld.  Das bedeutete: über eine 0900-Nummer Termin vereinbaren, mindestens einen Tag Ferien eingeben im Geschäft, am Morgen früh ins Konsulat reisen, sich vor schlechtgelaunten BürokratInnnen bis auf die Unterhosen ausziehen (Krankenkassenbescheinigungen, Wohnsitzzeugnisse, meine letzten drei Lohnausweise, Studienbestätigung, Geburtsurkunde, Bescheinigung der Gemeinde usw.).

Und wehe, man hat auch nur ein Dokument nicht mitgebracht: dann ging die Tortur an einem anderen Tag von vorne los. So viele private Fragen über die Lebensverhältnisse und den Sinn und Zweck einer Reise (auch wenn es nur ums Einkaufen geht!), und immer steht der Beamte des Konsulats über mir wie ein unbezwingbarer Berg.

Mittlerweile haben sich die SchweizerInnen zu diesem wichtigen Schritt entschlossen. Damit wurde mir meine neue Freiheit geschenkt. Mein erster Gedanke am Schengen-Freitag war der Wunsch, jede mir bekannte Grenze nochmals zu bereisen, einfach aus Lust und Freude.

Ich möchte einfach schnell den GrenzbeamtInnen zuwinken, während ich an ihnen normal vorbeifahre, wie alle EuropäerInnen auch - mit Menschenwürde und ohne Schikane.

Danke an Helvetia, die dies möglich macht!


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