Den eigenen Weg suchen und finden – ein Lesetipp

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Das Buch beschreibt zehn Porträts von Frauen, die voller Eigensinn ihren eigenen Weg gingen.
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Ulrike Meinhof ist wohl die umstrittenste der Porträtierten.

EigenSinnige Frauen

Piper Verlag, München, September 2004
10. Auflage: 2009
ISBN 978-3-492-24058-1
256 S., 10 Abb., 9.95 € (D)
In allen Buchhandlungen erhältlich

Das Buch „EigenSinnige Frauen“ bildet zusammen mit „WaageMutige Frauen“ und "AusserOdentliche Frauen“, die zu einem späteren Zeitpunkt vorgestellt werden, eine Trilogie.

Frauen, die ihr Schicksal nicht einfach erduldeten, Frauen, die sich gesellschaftlichen Erwartungen nicht unterwerfen wollten und Frauen, die in Männerdomänen eindrangen. Dieter Wunderlich porträtiert in seinem Buch „EigenSinnige Frauen“ zehn davon. Entstanden ist dabei ein spannender und lesenswerter Querschnitt, der unterschiedlichste Frauenbilder aufzeigt.

 

Cornelia Forrer

13:12:2013

 

Wunderlich ist ein Mann, der glaubt, dass berühmte Männer überall in Büchern und mit Denkmälern geehrt wurden, während er auf der Suche kaum auf Porträts von ungewöhnlichen Frauen stiess. So entschloss sich der praktizierende Psychologe, dem nachzugehen und Abhilfe zu schaffen. Mit dem 1999 erschienenen Buch unter dem Titel „EigenSinnige Frauen“ gibt Wunderlich zehn  Frauen ein Gesicht, die unterschiedlicher – und natürlich eigensinniger – nicht sein könnten.

Ob Johanna von Orléans, Rahel Varnhagen oder Ulrike Meinhof: der Autor spürte über die Jahrhundertgrenzen hinaus, spannende Frauenleben auf. Leider sei es das Buch eines Mannes und auch als dieses ersichtlich, schreibt die „Rhein-Main Presse“ in einem Artikel, eine Kritik die unberechtigt scheint, denn immer wird ein Mann aus der Sicht eines Mannes und die Frau aus der Sicht einer Frau das Leben sehen.  Wir können nun einmal nicht anders.

Zeugen des Eigensinns
„Keineswegs haben sich allein in der modernen Frauenbewegung und Emanzipation eigensinnige Frauen entwickelt“. Vielmehr haben sich Frauen in Politik, Kunst oder in der Wissenschaft immer wieder hervorgetan und zukunftsweisende Wege eröffnet. So ähnlich lobt die „60plus-press“ und der „Konstanzer Südkurier“ empfindet Wunderlichs Porträts als Mut machend und als Aufruf, der eigenen inneren Stimme zu folgen.

Beachtliche Zeugnisse bewegender Lebensläufe sind Wunderlichs Frauenbilder allemal. Rasch wird beim Lesen nämlich deutlich, welche Visionen Frauen schon in früheren Jahrhunderten zur Wirklichkeit machten. „Sich selber zu vertrauen und den eigenen Weg zu suchen und zu gehen – und dies als Mann oder Frau“, könnte als Motto über allen zehn Porträts stehen. Dazu sind Durchhaltewille und Kampfgeist erforderlich – und genau dies demonstrierten die zehn Porträtierten ihren Zeitgenossen anschaulich, selbst wenn sie deshalb nicht immer verstanden wurden. Dank des Eigensinnes und des Glaubens an sich und seine Vision, liessen sich Frauen wie Marie Curie, Maria Ward, Frida Kahlo und Co. nicht beirren und vom Weg abbringen. Zum Glück für die Nachwelt!

„Mein wichtigstes Werk ist mein Leben“, sagte schon Simone de Beauvoir, ein Motto, das auch Frauen aus heutiger Zeit Leitstern sein soll. Schluss mit passivem Erdulden, Schluss mit falschen Erwartungen und vor allem auch Schluss mit der Vorstellung, dass die Gesellschaft, die Männer, die Vorgesetzten, die schlechten Familienverhältnisse oder sonst irgendwer oder irgendwas Schuld an unserem Schicksal sind. Wir sind immer noch des Glückes eigene Schmiede. Dies zeigt das Buch „EigenSinnige Frauen“ uns sehr deutlich auf.

Zeugen der Kraft
Ein kurzer biographischer Einstieg in Kindheit, ins Milieu und den geschichtlichen Hintergrund bietet hilfreichen Zugang zu den Schicksalen und der Darstellung der Ideen, Visionen, Leistungen und Irrwege der Porträtierten. Mit flüssiger Feder geschrieben, versteht der Autor, sie als Rebellinnen und doch immer auch als Heldinnen ins richtige Licht zu setzen. Wichtig war ihm, nach Aussagen in einem Porträt, das Aussergewöhnliche zu beschreiben und den positiv zu verstehenden Eigensinn aufzuzeigen. „Gott sei Dank gibt es diesen Eigensinn“, findet denn das Medium „Frau aktuell“ in einer Buchkritik. Wunderlich versteht es ausgezeichnet, die Porträts selbstsprechend als Aufruf an Frauen und Männer, die Welt zu erobern, zu beschreiben. Das Buch ist deshalb auch lesenswert, wenn Mann oder Frau sich nicht besonders für Geschichte interessieren.

Voller Scharfsinn geschrieben, hervorragend recherchiert und wie aus einem Guss auf Papier gebracht, spürt der Autor auch menschliche Zwischentöne auf und schafft Bilder, die nicht nur lebendig wirken, sondern gleich auch eine Beziehung zum beschriebenen Du zu schaffen vermögen – zum Du, das gegen den Strom schwamm, um Neigungen zu leben, Talente zu fördern und Ansichten durchzusetzen. Die Begeisterung ist aus jeder Zeile spürbar, so als wäre Wunderlich jeder der Beschriebenen persönlich begegnet. Nuancenreiche Beschriebe, detaillierte Psychogramme und menschlichste Betrachtungen, machen  selbst Frauen wie Meinhof fassbar.

Dies sind die porträtierten Frauen:

Johanna von Orléans (1411 – 1431), ein Bauernmädchen, das unbeirrbar an seine Bestimmung glaubt und seinen König zum Sieg führt.

Maria Ward (1585 – 16.45), eine Nonne, die in der Männderdomäne Kirche ein Leben lang für ihre Vision kämpft.

Maria Sibylla Merian (1647 – 1717), eine Forscherin, die schon hundert Jahre vor Humboldt Südamerika entdeckt.

Madame Pompadour (1721 – 1764), eine Mätresse, die in die grosse Politik eingreift.

Rahel Varnhagen (1721 – 1833), eine Jüdin im Gespräch mit grossen Deutschen.

Marie Curie (1867 – 1934), eine Frau, die ihr Leben erfolgreich der Radiumforschung widmet.

Coco Chanel (1883 – 1971), eine Näherin aus der Provinz, die die Pariser Modewelt erobert.

Frida Kahlo (1907 – 1954), eine grosse mexikanische Malerin, die trotz Lebensschmerz ihren Weg beschreitet.

Simone de Beauvoir (1908 – 1986), anerkannte französische Schriftstellerin, Philosophin und Feministin, die mit dem Werk „Das andere Geschlecht“ 1949 einen Meilenstein setzte.

Ulrike Meinhof (1934 – 1976), Journalistin und radikale Führungskraft der terroristischen Vereinigung „Rote Armee Fraktion (RAF)“.

 


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