Einmal Balkon, bitte!

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Etwas speziell und auch etwas Besonderes: Alleine in Filmwelten einzutauchen. Bild: langercity.de.
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Popcorn in der "Mini-Mini"-Variante

"Anscheinend war meine Aussprache so schlecht, denn die Kassierin fragte mit dröhnend lauter Stimme, ob ich wirklich nur ein Billet brauche. Mit rotem Kopf bejahte ich dies und verliess so schnell wie möglich den Eingangsbereich."

Lea Fürer

Ohne Begleitung ins Kino zu gehen, verstösst gegen ein ungeschriebenes Gesetz. Alle, die es trotzdem tun, haben doch sowieso keine FreundInnen oder sind irgendwelche Filmfreaks. Stimmt das wirklich? Unsere Redaktorin Lea Fürer hat den Selbstversuch gemacht . . .

 

Lea Fürer

08:10:2009

VerliererInnen oder GewinnerInnen?
Seit Wochen habe ich mir in den Kopf gesetzt, einen bestimmten Film im Kino schauen zu wollen. Ich habe eine Freundin angefragt, die begeistert zugestimmt hat. "Toll, genau diesen Film wollte ich auch unbedingt einmal sehen. Aber ich habe vorher niemanden gefunden, der mich begleiten wollte."

Meine Frage, warum sie nicht einfach alleine gegangen sei, habe ich diesmal für mich behalten. Denn meine Freundin hat mir früher darauf stets entrüstet geantwortet: "Ich gehe doch nicht alleine ins Kino!? Dann denken doch alle, dass ich keine Freundinnen und Freunde habe und eine absolute Verliererin sei!"
Doch stimmt dies? Ist jemand, der den Mut aufbringt, alleine einen Abend im Kino zu verbringen nicht eher eine Gewinnerin oder ein Gewinner? Klar, auch ich habe immer beim Anblick von AlleingängerInnen meine Begleitung gestupst und ihr etwas über diese Personen zugeflüstert. Oft kam aber auch der Spruch: "Das würde ich mich alleine nie trauen."

Allein in der Masse
Als der Tag unserer Verabredung kam, hatte mir meine Freundin recht kurzfristig abgesagt. Natürlich war ich enttäuscht und auch ein bisschen wütend. Ich hatte einfach keine Lust an diesem Abend zu Hause zu bleiben. Da stellte ich mir die Frage "Warum gehst du nicht einfach alleine?" Ich rang mit mir selbst. Soll ich – soll ich nicht? Ist das genehm – ist es nicht? Schlussendlich fasste ich den Entschluss dieses Experiment zu wagen. Ein wenig beklommen ging ich zur Kinokasse und versuchte möglichst leise zu sagen: "Einmal Balkon, bitte." Anscheinend war meine Aussprache so schlecht, denn die Kassierin fragte mit dröhnend lauter Stimme, ob ich wirklich nur ein Billet brauche. Mit rotem Kopf bejahte ich dies und verliess so schnell wie möglich den Eingangsbereich.

Ich schalt mich selbst einen Feigling und nahm mir vor, unbekümmert und nicht so verschüchtert meinen Kinoabend zu geniessen. Ich nahm mir also eine Filmvorschau, natürlich nur ein Heftchen, bestellte mir Popcorn, natürlich nur eine "Mini-Mini Portion", kaufte mir einen Eistee, natürlich nur einen halben Liter, setzte mich in die hinterste Reihe, natürlich nicht in einen Love-Seat, und gönnte mir in der Pause ein Glacé. Ich erntete viele schräge Blicke, fühlte mich manchmal doch ein wenig fehl am Platz, wusste genau, was das Pärchen neben mir über mich tuschelte. Trotzdem war dieser Abend für mich ein voller Erfolg. Schliesslich kann ich ja während des Films nicht mit jemandem sprechen. Selbstverständlich macht es mehr Spass ein Erlebnis zu teilen. Doch ich empfehle es gerne weiter: Ein Kinoabend alleine ist sicher eine Erfahrung wert!


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