Auch Frauen können fliegen

Bild
Weltrekord am Kulm: Eva Ganster (AUT) sprang 167 Meter.
Bild
Jacqueline Seifriedsberger und Daniela Iraschko (beide AUT) bei der Wintertournee 2005.

Holger Reile ist freier Journalist und arbeitet für den Rundfunk sowie für verschiedene Printmedien. Er ist zudem Mitbegründer des Internetportals www.semoz.de.

Seit dem Rücktritt Sven Hannawalds und der sportlichen Stagnation von Martin Schmitt leiden die deutschen Skispringer unter Popularitätsverlust. Doch im Schatten der etwas flügellahmen Adler setzen nun die Damen zu weiten Sprüngen an.

 

Holger Reile

11:11:2007

Seit 1908 haben sich Frauen langsam Zugang zu fast allen Olympischen Wintersportarten erkämpft. Ein langer und mühsamer Weg, meist versperrt von männlichen Sportfunktionären. Die traditionelle Rollenverteilung verordnete Frauen Anmut, Liebreiz und Harmoniestreben. Ehrgeiz, Kampf und Verbissenheit galten lange als unweiblich. Medizinische Bedenken gegen sporttreibende Frauen hielten sich hartnäckig fast bis zum Ende des letzten Jahrhunderts. Da wurden "Argumente" aufgefahren, über die man heutzutage nur noch milde schmunzeln kann. Bei sporttreibenden Frauen, so die abenteuerlichen Behauptungen, leide die Gebährfähigkeit, die Gefahr von Brustkrebs sei hoch und der weibliche Kreislauf könne der sportlichen Belastung nicht standhalten. So oder so ähnlich mag heute kein seriöser Mediziner mehr argumentieren. Längst weiß man: In Sachen Ausdauer können die Frauen durchaus mit den Männern mithalten. Einen Unterschied gibt es, vor allem im Spitzensport, nur noch im Kraftbereich und da vor allem in der Schnellkraft.

Stürmische 90er Jahre

In den neunziger Jahren stürmten die Frauen bei den Olympischen Winterspielen die letzten Bastionen des männlichen Geschlechts. Sie fahren Bob, Rodel und Skeleton, spielen Eishockey, bewältigen im Ski-Langlauf große Distanzen und starten auch im Biathlon, auf Grund der Schießeinlage lange eine absolut männliche Domäne. Nur noch zwei Olympische Disziplinen sind weiterhin den Männern vorbehalten: Das Skispringen und die Nordische Kombination, bestehend aus Skisprung und Langlauf.
Aber auch hier ist Bewegung zu verzeichnen, vor allem im Skisprung. Kaum jemand weiß, dass bereits Anfang der siebziger Jahre die Norwegerin Anita Wold bei der Vierschanzentournee der Männer mit sprang und 1976 mit einem 97,5-Meter-Flug einen Frauenweltrekord aufstellte. Seitdem wagen sich immer mehr Frauen auf die großen Skisprungschanzen und segeln auf bislang für das weibliche Geschlecht ungeahnte Weiten. Die Österreicherin Daniela Iraschko war die erste, die vor wenigen Jahren auf einer Skiflug-Schanze sogar über 200 Meter weit sprang.


Was fehlt . . .

Dennoch gibt es für Skispringerinnen noch keine großen, internationalen Wettbewerbe wie für ihre männlichen Konkurrenten die Vierschanzentournee oder die Olympischen Winterspiele. Die wagemutigen Sportlerinnen tummeln sich bei der "Ladies-Tour" oder beim Fis-Continental-Cup. Die deutschen Skispringerinnen, meist noch im Teenie-Alter, gehören mit zu den Besten ihrer Zunft. Juliane Seyfarth, eine 16-jährige aus dem Thüringer Wald, gewann im Februar 2006 die erste Junioren-Weltmeisterschaft. Sie ist damit die erste Skisprung-Weltmeisterin überhaupt in ihrer Disziplin.
Gut möglich, dass 2009 erstmals eine Weltmeisterschaft für Frauen ausgetragen wird. Und vielleicht wird 2010, bei den nächsten Olympischen Winterspielen, bereits die erste Olympiasiegerin im Skisprung gesucht. Zeit wärs, denn Frauen können längst fliegen.


zurück            Diesen Artikel versenden            Mein Kommentar zu diesem Artikel
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch