Holger Reile ist freier Journalist und arbeitet für den Rundfunk sowie für verschiedene Printmedien. Er ist zudem Mitbegründer des Internetportals www.semoz.de.
Seit dem Rücktritt Sven Hannawalds und der sportlichen Stagnation von Martin Schmitt leiden die deutschen Skispringer unter Popularitätsverlust. Doch im Schatten der etwas flügellahmen Adler setzen nun die Damen zu weiten Sprüngen an.
Holger Reile
11:11:2007
Seit 1908 haben sich Frauen langsam Zugang zu fast allen
Olympischen Wintersportarten erkämpft. Ein langer und mühsamer Weg, meist
versperrt von männlichen Sportfunktionären. Die traditionelle Rollenverteilung
verordnete Frauen Anmut, Liebreiz und Harmoniestreben. Ehrgeiz, Kampf und
Verbissenheit galten lange als unweiblich. Medizinische Bedenken gegen
sporttreibende Frauen hielten sich hartnäckig fast bis zum Ende des letzten
Jahrhunderts. Da wurden "Argumente" aufgefahren, über die man heutzutage nur
noch milde schmunzeln kann. Bei sporttreibenden Frauen, so die abenteuerlichen
Behauptungen, leide die Gebährfähigkeit, die Gefahr von Brustkrebs sei hoch und
der weibliche Kreislauf könne der sportlichen Belastung nicht standhalten. So
oder so ähnlich mag heute kein seriöser Mediziner mehr argumentieren. Längst
weiß man: In Sachen Ausdauer können die Frauen durchaus mit den Männern
mithalten. Einen Unterschied gibt es, vor allem im Spitzensport, nur noch im
Kraftbereich und da vor allem in der Schnellkraft.
Stürmische 90er Jahre
In den neunziger Jahren stürmten die Frauen
bei den Olympischen Winterspielen die letzten Bastionen des männlichen
Geschlechts. Sie fahren Bob, Rodel und Skeleton, spielen Eishockey, bewältigen
im Ski-Langlauf große Distanzen und starten auch im Biathlon, auf Grund der
Schießeinlage lange eine absolut männliche Domäne. Nur noch zwei Olympische
Disziplinen sind weiterhin den Männern vorbehalten: Das Skispringen und die
Nordische Kombination, bestehend aus Skisprung und Langlauf.
Aber auch hier
ist Bewegung zu verzeichnen, vor allem im Skisprung.
Kaum jemand weiß, dass bereits Anfang der siebziger Jahre die Norwegerin Anita
Wold bei der Vierschanzentournee der Männer mit sprang und 1976 mit einem
97,5-Meter-Flug einen Frauenweltrekord aufstellte. Seitdem wagen sich immer mehr
Frauen auf die großen Skisprungschanzen und segeln auf bislang für das weibliche
Geschlecht ungeahnte Weiten. Die Österreicherin Daniela Iraschko war die erste,
die vor wenigen Jahren auf einer Skiflug-Schanze sogar über 200 Meter weit
sprang.
Was fehlt . . .
Dennoch gibt es für Skispringerinnen noch keine großen,
internationalen Wettbewerbe wie für ihre männlichen Konkurrenten die
Vierschanzentournee oder die Olympischen Winterspiele. Die wagemutigen
Sportlerinnen tummeln sich bei der "Ladies-Tour" oder beim Fis-Continental-Cup.
Die deutschen Skispringerinnen, meist noch im Teenie-Alter, gehören mit zu den
Besten ihrer Zunft. Juliane Seyfarth, eine 16-jährige aus dem Thüringer Wald,
gewann im Februar 2006 die erste Junioren-Weltmeisterschaft. Sie ist damit die
erste Skisprung-Weltmeisterin überhaupt in ihrer Disziplin.
Gut möglich, dass
2009 erstmals eine Weltmeisterschaft für Frauen ausgetragen wird. Und vielleicht
wird 2010, bei den nächsten Olympischen Winterspielen, bereits die erste
Olympiasiegerin im Skisprung gesucht. Zeit wärs, denn Frauen können längst
fliegen.