Im Gemeindewappen von Frauenfeld findet
sich tatsächlich eine Frauenfigur, eine sehr starke Frau. Sie zähmt einen Löwen
und führt ihn an der Kette. Das jetzige Wappen ähnelt dem alten Stadtbanner aus
dem 15. Jahrhundert. Während sich im ersten Wappen das «Fräuli» dem «Leuli»
noch abgewandt hatte und ihn auch nicht an der Kette führte, zeigt sie ihm im
heutigen Wappen ganz klar «die Herrin».
Die Deutung des Stadtwappens ist noch immer umstritten. Der Löwe soll
für die Habsburger stehen, die zur Zeit des einstmaligen Auftauchens des
Stadtwappens im Siegel als Nachfolger der Kyburger die reichenauische Vogtei
über die Stadt ausübten. Kopfzerbrechen bereitet den Wissenschaftlern nur die
weibliche Figur, eine anmutige Bürgersfrau in rotem Kleid. Wäre es die
Gottesmutter, wäre sie weniger bürgerlich gekleidet und trüge sicher einen
Heiligenschein, finden die Experten. Wer also ist die Dame, die für Frauenfeld
steht? Man nimmt denn mal einfach an, dass das «Fräuli» im Wappen ebenfalls an
die Herkunft des Stadtnamens anlehnt: «das Feld der Frauen». Ganz unter uns
gesagt, munkelt man aber, dass die Frauen in Frauenfeld den Herrschaften schon
früh zeigten, wo’s lang geht. Und Frauen sagen in Frauenfeld den Herren der
Schöpfung noch heute, wie die Häsin zu laufen hat.
Stolze Kämpferinnen
Starke und selbstbewusste Frauen gab es
im Thurgau schon früher, zum Beispiel jene Frauen, die nicht daran dachten,
alle Moralvorstellungen der Herrschaften
zu akzeptieren. Ledige Frauen mit Kind wurden nämlich aus der Stadt verbannt.
Für Affären wurde nur die Frau bestraft. Auswärtige Ehepartner wurden nicht
akzeptiert, so sie denn nicht wenigstens finanziell auftrumpfen konnten. Per
Gerichtsbeschluss erreichten die Frauen, dass in der Gesellschaft doch immerhin
zur Kenntnis genommen werden musste, dass eine Frau «an ihrer unehelichen Geburt
keine Schuld trage». So wurde auf Druck der Frauen ein Frauenhaus gebaut, das
aber allerdings leider eigentlich ein Bordell war und von Männern kontrolliert
wurde. Erreicht wurde aber, dass Amtsträger, die Ehebruch begingen und dabei erwischt
wurden, von ihrem Amt zurückzutreten hatten. Von den 242 Scheidungsbegehren,
die zwischen 1651 und 1800 gestellt wurden, stammten 144 von Frauen – und dies
zu einer Zeit, in der Scheidungen nicht geduldet
wurden und als Schande (besonders für die Frau) angesehen wurden. Wie stolz
müssen Frauen gewesen sein, damit sie all dies auf sich nahmen, nur um einen
ungeliebten oder schlechten Ehemann loszuwerden? Auch im Thurgau wurden im
Mittelalter leider noch Dutzende von
Frauen als Hexen hingerichtet, besonders Hebammen, die oft der Unzucht mit dem
Teufel bezichtigt wurden oder erfolgreiche Heilerinnen und Kräuterfrauen, denen
man ebenfalls einen Pakt mit dem Teufel nachsagte.
Aktive Feldbestellerinnen
Die Gründung eines lokalen Frauenvereins
wurde im Jahr 1889 schon besprochen und 1901 unter dem Namen «Thurgauischer
Frauenverein zur Hebung der Sittlichkeit» realisiert. Es folgte bald darauf die
Schaffung von Logierzimmern durch die Organisation «Freundinnen junger Mädchen».
Zu Beginn des ersten Weltkriegs wurde ein erstes Kinderheim geschaffen, und 1919
folgte die Gründung des Thurgauischen Frauensekretariats, die erste professionelle
Fürsorgestelle im Kanton. Anna Walder übernahm 1922 die Leitung der
Berufsberatung für Frauen, zu einer Zeit also, als Frauen meist nicht daran
denken durften, einen Beruf erlernen zu können. Frauenfeld bestellte auch diesbezüglich in einer Vorreiterrolle
schweizweit das Feld der Frauen. Seit gut achtzig Jahren nimmt sich die
Frauenzentrale Thurgau den Anliegen und Rechten der Frauen an. Sie war,
zusammen mit den weiteren Frauenvereinen und Frauenorganisationen, Mitkämpferin
für die formale Gleichstellung der Frau. «Frauen müssen nicht mehr mit
Paukenschlag auf der Strasse ihre Rechte einfordern», freuten sich die
Verantwortlichen. Sie waren aber schon damals überzeugt, dass es noch viel zu
tun gebe und die Feinarbeit angegangen werden musste. Es geht noch heute um
Themen wie die Lohngleichheit und um die Rahmenbedingungen, damit Frauen und
Männer Beruf und Familie vereinbaren können und das hohe Ausbildungspotenzial
der Frauen privat und volkswirtschaftlich genutzt werden kann.
Weitsichtige Erntehelferinnen
Als Anna Walder im Jahr 1926 die
Schaffung der Frauenzentrale Thurgau realisierte, waren noch ganz andere Themen
aktuell. Damals kannte man noch keinen Mutterschutz, keine Stimmberechtigung
und keine ebenbürtige Ausbildung der Mädchen und Frauen, was sich auch
Jahrzehnte lang noch nicht verändern sollte. Zu Anna Walders Zeiten ging es um Opfer-
und Schulungsfragen, um Kinderbetreuung, Fürsorge und Armenhilfe. Die Opferhilfe, initiiert durch die Evangelische Frauenhilfe, wurde im Auftrag des Bundes zwischen
1993 und 1995 aufgebaut und sollte besonders den Frauen Hilfe und Unterstützung
bringen. 1995 schlossen sich die grossen Frauenverbände des Kantons Thurgau zur
BENEFO (BEratungsNEtz der FrauenOrgansationen) zusammen und übernahmen die
Opferhilfe. Das von der Evangelischen
Frauenhilfe aufgebaute Chinderhuus in Romanshorn wurde vom neuen Trägerverein
1999 übernommen. Die Fäden aber wurden wie meistens in Frauenfeld gezogen. Wenn
sich heute die Beratungsstelle in Weinfelden befindet, ist das ein Zeichen,
dass die Arbeit der Frauenfelderinnen sich mehr und mehr über den ganzen Kanton
auswirkte, und das ist gut so. Doch weiterhin halten starke Frauenfelderinnen oft
die Fäden in der Hand. Sie waren aktiv bei der Gründung der
Pflegekinderkommission, beim Bau des Töchterheimes in Frauenfeld, bei der
Schaffung des «Wohnens auf Zeit» oder beim Umbau des Sonnenhofes in Romanshorn.
Gute Felder müssen Früchte tragen, nicht nur im Zentrum, dem eigentlichen Feld
der Frauen, sondern im ganzen Kanton, in der ganzen Schweiz und auf der ganzen Welt.
Die Frauenfelderinnen haben dafür schon immer den Boden bestellt.
Unermüdliche Vorreiterinnen
Und beim Stichwort Frucht erinnern wir
uns hier auch an die Bananenfrauen von Frauenfeld. Die «Rebellinnen für den
gerechten Handel» kämpfen seit vier Jahrzehnten für mehr Gerechtigkeit in
Politik und Wirtschaft. Bananenfrau Ursula Brunner lebt den Traum des gerechten
Handels auf der Welt und wünscht sich ein Bildungsangebot zum Thema «Fairer
Handel». Ihre Mitstreiterin der ersten Stunde, Aenni Rotzler, kann die
Entwicklung leider nicht mehr mitverfolgen, denn sie hat kürzlich ihr Kampffeld
für immer verlassen. Als die Bananenfrauen aktiv wurden, belächelte man sie
vielerorts. Sie liessen dennoch nicht locker, aufzuzeigen, was an der Banane
krumm ist und dass diese nicht nur ihre süssen Seiten hat. Ein grosser Teil der
Bevölkerung ist heute bereit, für fairen Handel mehr zu bezahlen. Dies ist ein
Verdienst der Bananenfrauen von Frauenfeld, die unermüdlich sensibilisierten,
aufklärten und informierten. Vor vierzig Jahren schon wurde geschnüffelt und
abgehört. In der damaligen Zeit des «Kalten Krieges» wurde in Amerika das World
Trade Center eröffnet. Der Konsumboom regierte und «man dachte, man könnte und
hätte alles», so die Bananenfrauen. Ursula Brunner, Doris Kolb, Aenni
Rotzler und weitere engagierte Frauenfelderinnen bereiteten den Boden für die Schaffung der Weltläden und für den weltweiten
Fairtrade-Handel. Dabei mussten sie oft bittere Pillen schlucken, denn Max
Havelaar wollte zahlreiche Jahre nicht mit den Bananenfrauen von Frauenfeld
zusammenarbeiten, so aktiv diese auch waren. Dabei spielte es keine Rolle, dass
diese der Organisation jahrelang Spendengelder zukommen liessen und den Handel und dessen
Spielregeln von Grund auf kannten und über ein immenses Netzwerk verfügten.
Erst 2007 wurden die Bananenfrauen von den Herrschaften der Max Havelaar-Stiftung endlich anerkannt. Ob dies auch
damit zu tun hat, dass die unermüdliche Arbeit von Frauen zwar gern genutzt
wird, die Fäden des Handels und der Entscheidungen aber möglichst in männlicher
Hand bleiben sollen?
Links:
www.regiofrauenfeld.ch/xml_1/internet/de/application/d83/d373/f157.cfm Frauenfeld_Stadtfuehrungen_2013.pdf provelothurgau.ch/veloroute_femmes_tour.pdf
www.bananenfrauen.ch