Gallus. Der Fremde.

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Ruth Erat, Multitalent in der Kultur.
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Elke Baliarda, Kulturreporterin für ostschweizerinnen.ch.

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In einem Radio-Studio werden anhand von Gallus Begriffe peregrinatio, rebellio, contemplatio, consultatio und missio diskutiert. Die Regie ist eingespart. Die Standpunkte bleiben unvereinbar. Die Diskussion verkommt immer wieder zur Farce. Ausserhalb stellt Frau Schneeberger, die einen umgekommenen Fremden, Ibrahim, gekannt hat, ein Plakat auf, liest es immer wieder: „Flucht ist nicht freiwillig“. Der freie Wille und die Frage nach der Sinnsuche gehören so zu beiden Ebenen des Stückes, das mit einem lachhaften Kampf beginnt und mit ihm endet- wobei klar ist: Wir befinden uns im Studio in einer Medienwelt. Da wird, was im Studio geschieht, am Ende für die Zuhörerinnen und Zuhörer zurechtgeschnitten, montiert. Und die Protagonisten im Studio sind mehrheitlich zufrieden, wenn sie so genannt aussagekräftige Sätze formuliert haben.

Eine Uraufführung von Ruth Erat im Parfin de siècle. Noch bis zum 28.April steht „Gallus. Der Fremde“, ein Schauspiel von Ruth Erat auf dem Programm von Parfin de siècle. Das Stück gibt, in farcenhafter Form, eine Diskussions- und Medienwelt wieder- kommt dennoch zu wesentlichen Fragen- beginnt und endet aber in einem Talk-Desaster.

 

Elke Baliarda

23:04:2012

 

Am Anfang stand für Ruth Erat der Auftrag, die wesentlichen Begriffe der christlichen Kultur zu beleuchten. Die Kirche wollte dafür fünf Szenen haben. Der Regisseur Armin Halter hatte dazu eine Vorstellung, „die ich aber beim Schreiben so nicht umsetzte, da sich durch das Schreiben und Denken anderes ergab, dem ich folgte, um zu sehen, was aus diesem sich selbständig machenden „Gallus“ heraus entstand. Diese erste Fassung war die Grundlage für das Anpassen an das Theater „Parfin de Siècle“ – an sein Möglichkeiten in personeller, technischer und räumlicher Hinsicht“, so Ruth Erat.

 

Was die Autorin dabei interessiert, ist das Thema des Fremden. Was ist ein Fremdes? Was bewirkt es? Inwiefern und in welcher Weise ist der Fremde frei? Inwiefern ist es das Fremde, das unsere Kultur schuf? Dazu kam die Möglichkeit, alles, was für uns heute noch wesentlich ist, aus verschiedenen Blickwinkel zu sehen: Unsere Wege, unser Nein-Sagen, unsere Abstraktionen, unsere Zerstörungen, unsere Vorstellungen von der Freiheit.

 

Gezeigt werden Denkansätze, die wirksam wurden, die uns heute noch prägen, die ihre Schattenseiten haben: zum Beispiel, die, was wir ohne Rebellen wären? Das ist alles in einen Talk eingebunden. Man schwätzt. Man streitet. Man kommt nicht voran. Man könnte vorankommen, wenn…

 

Die Theologin sieht die Zerstörung durch den Monotheismus. Der Kulturwissenschaftler ist fasziniert vom Rebellischen. Der Consulant erklärt mit Hilfe von Erkenntnissen aus der Hirnforschung. Die Frau, die ausserhalb des Studios Pflanzen zurechtstutzt und ein Foto und einen Satz aufstellt, bringt die Gegenwart. Ibrahim, der getötet wurde oder umgekommen ist, ist der Fremde, an dem sich zeigt, wie wir mit Fremden umgehen- nicht umzugehen wissen, sie instrumentalisieren, vor dem Scheitern im Umgang mit Fremden ratlos bleiben.

 

„Das Stück schliesst mit der Frage, die zufällig gestellt wird, so, wie sie gestellt wird, eine ganz gewöhnliche Frage zu etwas ist, worüber man einfach stolpert. Zugleich und in jedem Fall ist das aber die wichtige Frage. Am Ende also vielleicht die Möglichkeit, dass man fragt – sich endlich fragt, was ist: der Fremde, der Mensch…sagt Ruth Erat.

 

Es spielen Pia Waibel, Regine Weingart, Beat Josef Brunner und Matthias Flückiger

Gallus. Der Fremde. Ein Schauspiel, das man nicht verpassen sollte. Nächste Vorstellungen: Mittwoch 25. April, Freitag, 27. April und Samstag, 28. April, jeweils um 20 Uhr

 

Zur Autorin

 

Ruth Erat ist ein vielseitig begabter Mensch. Sie ist Lehrerin. Sie schreibt Bücher und Theaterstücke und sie malt, kurzum eine malende und schreibende Frau. In Herisau geboren wuchs sie in Bern und Arbon auf. Sie besuchte das Lehrerseminar Rorschach und studierte anschliessend in Zürich Germanistik, Kunstgeschichte, Volksliteratur, Philosophie und promovierte mit einer Arbeit über Mechthild von Magdeburg.

Sie hat eine Tochter und einen Sohn. Als Lehrerin ist sie tätig in den Bereichen. Sonderklasse, Berufsschule, Lehrerinnen- und Lehrerbildung sowie Mittelschule.

 

Zuletzt hat sie „Moosbrand“ bei edition suhrkamp und „Der Werkszeugkoffer im All“ bei Huber Frauenfeld publiziert. Hinzu kommen verschiedene Improvisationen mit Musikern, zuletzt mit Béatrice Rogger: „Der Werkzeugkoffer im All“ Mit Dog House Stereo: Am See steigen Plastikgedanken auf“. Theatertexte zuletzt: „Odyssee“ für Figurentheater und Parfin de siècle St. Gallen. „Die Ludwig“ für Laienbühne Rorschach. „Gallus. Der Fremde“ für Parfin de Siècle. Ausstellung 2011/ 2012: White gloves and eyes.

 

Malend und schreibend

 

Ruth Erat:„Die Fakultät wechseln. Die andere Form der Arbeit beim Malen: Sehen, was entsteht, wie lange ein Bild so, wie es gemalt wurde, bleiben kann. Eine Möglichkeit, entstehen zu lassen, sich auf einen Prozess einzulassen, ihn weiter zutreiben, dann inne zu halten, zu überarbeiten, zu löschen, zu reduzieren, alte Schichten aufzudecken, neu zu integrieren- irgendwann etwas belassen, wie es ist, daran vorbei gehen, sehen, was sich entwickelt, ohne dass weiter zu malen ist…das belassen, was nichts mehr enthält, was ich zwingend verbessern muss,…, das belassen, das für sich ist.

 

Schreibend einen Gedanken verfolgen. Schreibend einer Person folgen. Auch hier ist es immer wieder dieselbe frage nach dem was entsteht, Was kommt zusammen? Wie kommen die Dinge zusammen? Was ergibt sich daraus? Welche Konsequenz? Welches Ende einer Geschichte? Welcher Gedanke, der so zuvor nicht von mir gedacht wurde?

 

Wie das zusammenkommt und was daraus entsteht als Frage auch bei Installationen und den Gesamtkunstwerken, die mit andern zusammen realisiert werden wie „Jahr und Tag auf ins Grüne“ mit Hélène Wiss-Kaufmann, Béatrice Rogger und Martin Stierli.


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