Ueli dä Pächter - Reisen durch Frauenbilder

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Kinderhüten und dem Manne zur Seite stehen: die richtige Rolle einer Frau.
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Waschtag von anno dazumal, zu sehen am Bauernmarkt.

«Ueli dä Pächter»
wird am 19./23./24./28./29./30. August sowie 2./5. und 6. September aufgeführt.

Karten sind unter
www.theater-lenggen
wil.ch
  oder unter  071 947 10 94 erhältlich.

Neben dem Freilichttheater werden ein grosser Bauernmarkt mit altem Handwerk und ein fünfgängiges Gotthelfznacht geboten.

Ganz so idyllisch geht es in "Ueli dä Pächter" nicht zu und her, wie damals, als er noch Knecht war: Eines aber haben beide Folgen gemeinsam: das für moderne Frauen unverständliche Frauenbild. Da gehen die Gedanken auf Wanderschaft.

 

Cornelia Forrer

16:08:2008

 

Momentan gehen im 750-Seelen-Bauerndörfchen Lenggenwil in der Nähe von Wil wiederum traditionelle Freilichttheaterspiele über die Bühne. In diesem Jahr spielt man "Ueli dä Pächter". Es ist immer ein Erlebnis, mit wie viel Liebe zum Detail die Verantwortlichen ihre Stücke umrahmen und wie das ganze Dorf dabei mitwirkt.

In diesem Jahr war der Aufwand wieder besonders gross, hat man doch originalgetreu nach den Plänen der Kulisse der Ueli-Verfilmung in den 50er-Jahren das Umfeld nachgebaut. Mit dem Hühnerstall im Hintergrund, dem Glunggehof mit Stöckli und Gemüsegärtchen, der Dorfbeiz und der Mühle fühlt sich der Zuschauende mitten im Geschehen.

Auch die Rolle wird den Schauspielenden jeweils fast auf den eigenen Leib angepasst. Die rund dreistündige Handlung wirkt zu jedem Zeitpunkt überzeugend. Hier hat Regisseur Peter Bernhardsgrütter wieder eine gute Nase für die richtige Besetzung bewiesen. Insbesondere auch die weiblichen Darstellerinnen überzeugen: Vreneli (Barbara auf der Maur) oder Louise Bernhardsgrütter als Base.



Das wahre Glück einer Frau?

"Wie Ueli und Vreneli als Pächterpaar zu ihrem wahren Glück finden", so der Titel des ersten Aktes. Das seit zwei Jahren als Pächterpaar wirkende Paar hat ein Töchterchen bekommen. Joggeli und die Glunggebäuerin haben sich ins Stöckli zurückgezogen. Die Ernten sind erfreulich und die Knechte und Mägde arbeitsam. Das Glück könnte perfekt sein, würde nicht Ueli viel mehr auf Ratschläge vermeintlicher Freunde hören als auf die seiner Frau.

Diese versucht zwar mehrmals, mit ihm zu sprechen: es wird ihr aber immer wieder von der Glunggebäuerin, die sie gross gezogen hat und es sonst gut mit ihr meint, davon abgeraten. "Bisch kei Zwänggring und heb dich still", "E Frau muess de Ma lo mache und sich nid i so Sache ine mische", "Setisch nid so viel regiere", heisst es unter anderem.

Und Vreneli gehorcht und hält sich still. Sowohl dann, als Ueli Kriminelle als Knechte anstellt, damit er Geld sparen kann, als auch dann, als er einem armen Bauern eine schlechte Kuh verkaufte und diesen vor Gericht zieht. Still zusehen, wie der Gefährte die ganze Familie ins Unglück bringt, wird als gute und klare Rolle der Frau angesehen.



Die richtige Rolle der Frau?

Die Geschichten von Ueli wurden von Jeremias Gotthelf in den Jahren 1841 und 1848 geschrieben, waren aber zur Zeit der Verfilmung - also hundert Jahre später - immer noch aktuell. Und ich erinnere mich gut an ähnliche Szenen, die ich in meiner Kindheit und Jugend erlebte, auch wenn mein Vater sonst recht fortschrittlich dachte.

Wie oft hat er sich grössere, teure Dinge angeschafft, wie eines der ersten Autos im Dorf, ohne seine Frau zu informieren. Oder er hat sich Tiere in so grosser Zahl zugelegt, dass deren Pflege ohne Mutters Mitarbeit gar nicht möglich gewesen wäre. Die Kinder hatten nur zu sprechen, wenn sie gefragt wurden und sich sonst ruhig zu verhalten, wenn Vater zu Hause war.

Die Mutter fragte noch bis zu Vaters Tod, ob er ihr Geld für den Coiffeur geben könne. Und wenn es ihm nicht gefiel, dann wurde der Termin verschoben. Und neue Kleider gab es für Mutter auch nur, wenn Vater es für nötig befand. Sie schrieb ihm Einkaufslisten und er kaufte ein - und dies bis zum Tod vor wenigen Jahren.



Möglichst bald ausbrechen

Beim Betrachten des Stückes "Ueli dä Pächter" ging mir all dies durch den Kopf. Ich sah, wie ich mich schon als kleines Kind nie unterordnen konnte, wie ich aufmuckte, wenn ich etwas tun sollte, das ich nicht wollte oder dessen Sinn ich nicht verstand. Ich verstehe mich plötzlich wieder, wieso ich lieber Schläge in Kauf nahm, damit ich mich nicht für etwas entschuldigen musste, das ich mein gutes Recht fand: z.B. mit Jungen Fussball spielen, was sich nicht gehörte.

Ich weiss wieder, wieso ich so weit und so schnell es ging nach Übersee abhaute, sobald ich dies konnte. Ich bin heute dankbar, dass die Mutter mit ihrer grossen Kinderschar überfordert war, denn wäre es nicht so gewesen, hätte ich wohl eine noch eingeengtere Kindheit erlebt. So aber war sie froh, wenn wir alle möglichst jede freie Minute im Freien verbrachten.

Ich vergleiche mit dem Leben meiner Kinder und bin auf mich und meine Kinder auch etwas stolz. Kürzlich hat mein erwachsener Ältester gesagt, ich sei die beste Mutter der Welt, weil ich ihn immer so genommen habe, wie er sei. Meine elfjährige Tochter ist eine sehr selbstbewusste "junge Dame" mit oft hartem Kopf. Zugegeben: Sie ist nicht immer nur pflegeleicht. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann: Sie wird nie ein Vreneli sein, ihre Frau stehen, ihr eigenes Leben leben - und deshalb sicher glücklich sein.


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