George und Grete

Kulturtipp

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Schreibt über Kultur bei ostschweizerinnen.ch: Elke Baliarda.

Claudia Wiedemer ist freie Schauspielerin und lebt mit Familie in Berlin. Sie wurde 1973 in Bonn geboren, studierte Schauspiel, Gesang und Tanz in Hamburg, Seit 1997 war sie u.a. in Hamburg, Wien, Düsseldorf, sowie Bühnen Berlins tätig. Besondere Wertschätzung erhielt sie für die Triologie der klassischen Mädchen, drei Solo-Abende nach Kleists Käthchen, Schillers Johanna und Goethes Gretchen, die am Berliner Theater unterm Dach entstanden.

Grete wurde mit dem Friedrich Luft-Preis 204, dem Sonderpreis des Impulse- Festival 2005 und dem 1. Preis beim internationalen Monodrama-Festival Thespis ausgezeichnet. Zuletzt war sie als blonde Schönheitskönigin in einer Uraufführung von Theresia Walsers Stück "Eine Stille für Frau Schirakesch" zu sehen, das im Juni auch bei den Autorentagen des Deutschen Theaters Berlins zu sehen sein wird.

Zwei Stücke des Theaters St. Gallen und eine Darstellerin in beiden Produktionen: Claudia Wiedemer. In Alan Ayckbourns Komödie „Alle lieben George“ spielt sie - richtig! nicht etwa den George sondern dessen Exfreundin Kathryn. Eine Frau, die in einer festgefahrenen Ehe ihrem Mann Colin gerne mal über den Mund fährt und erst durch den Verlust des alten Freundes George, der an Krebs stirbt und vorher einigen Aufruhr zwischen den Eheleuten fabriziert, wieder beginnt das Leben und ihren Ehemann zu schätzen.

 

Elke Baliarda

10:05:2012

 

 "Der Abend macht großen Spaß. Den Leuten im Publikum, deren Lachern man anhört, daß sie viele der Situationen, die wir zeigen, kennen. Und auch uns Spielern, denn Ayckbourne ist ein Meister seines Faches und die Figuren alle tolle Vorlagen", so Claudia Wiedemer.
Ayckbourn sagt, er hätte kein Interesse von guten Menschen zu erzählen.

Alle seine Charaktere hätten Fehler und seien pockennarbig und er versuche nicht sie kosmetisch zu verschönern. Ein besonderes Vergnügen sei auch das Spiel mit den wunderbaren Kollegen wie zum Beispiel Diana Dengler, Marcus Schäfer oder Anselm Lipgens sagt Claudia Wiedemer. Die Uraufführung der schwarzen Komödie, die weder Tabus noch falsche Rücksichtnahme kennt, war in England ein voller Erfolg. Und auch in St. Gallen war das Haus bisher gut gefüllt. 

 

Wer die schwarze Komödie  - die dank tollem Bühnen- und Lichtkonzept auch immer wieder sehr bunt aussieht - sehen will, sollte unbedingt demnächst ins Theater gehen. Sie wird noch am Freitag 11. Mai 19.30 Uhr gespielt.


In ihrem Solo-Abend "Grete" nach J.W. Goethes Faust übernimmt Claudia Wiedemer dann allerdings alle Rollen - von Marthe über Mephisto und Faust inclusive Engelschor.
„Scheitern und zu Grunde gehen – die Unbedingtheit im Handeln, nicht nur alle Schranken der bürgerlichen Existenz, sondern alle Bedingungen des Lebens selbst hinter sich zu lassen, formuliert Faust. Gretchen handelt danach.

Sie bricht aus den gesellschaftlichen Normen aus und durchlebt die grosse Tragödie der Verstossenen. Dabei zieht sie ihre Familie ins Unglück, wird zu Mörderin am eigenen Kind und befreit sich, indem sie nicht, wie Faust ihr anträgt, flieht, sondern sich ihren Taten stellt. „Grete“ untersucht, welche Möglichkeiten der heutigen Aneignung diese Frauenfigur zwischen Hingabe und Auflehnung, jenseits des Klischees vom blondbezopften Mädchen, bietet.“, so heisst es in der Ausschreibung des Solo-Abends .

 

"Beinahe 200 Mal habe ich die Grete gespielt von Chicago bis Teheran am Fajir-Festival und in Deutschland von Nürnberg bis Hamburg und von Duisburg bis Chemniz“. sagt die Schauspielerin. "Jede Vorstellung ist immer wieder ganz neu, eine intensive Begegnung mit dem Publikum, ganz egal, ob hauptsächlich Schüler, alte Theaterhasen oder Menschen, die gar kein deutsch verstehen und erst die Übertitelung lesen mußten, da waren."


Die Regisseurin Anja Gronau hat den subjektiven Blick der berühmtesten Nebenfigur der deutschen Literatur auf das Geschehen herausdestilliert und der Grete ein Stimme gegeben. Das Original ist klar erkennbar, zirka 50 % des Textes stammen aus Goethes Feder, der Rest stammt aus verschiedensten Quellen: Prozeßakten der Kindsmörderin Margarethe Brandt, die Goethe zu seiner Figur inspiriert haben soll, verschiedener Erzählungen, Romane, Improvisationen - und auch die katholische Osterliturgie kommt vor.

 

Grete beschließt die "Trilogie der klassischen Mädchen", zu der auch  "Käthe" nach Kleists Käthchen von Heilbronn und "Johanna" nach Schillers Jungfrau von Orleans gehören. "Nachdem wir mit Johanna einige Erfolge auf Festivals wie "Impulse" gehabt hatten und Anja vorschlug, als nächstes das Gretchen aus dem Faust zu bearbeiten, war ich erst nicht sehr begeistert, ich war gerade erst Mutter geworden und nach der Heldin Johanna hatte ich keine Lust auf das altbacknene Männeropfer Gretchen. Aber Anja hat mich überzeugt mit ihrem Ansatz, Grete als Überwinderin zu sehen, mein wunderbarer Mann hat mir den Rücken freigehalten und so haben wir eine echte kleine Sternstunde zuwege gebracht" sagt Claudia Wiedemer.

 

Das scheint auch durchaus glaubwürdig. Denn in einer Kritik heisst es dazu "mit welcher Präsenz und Spielfreude Claudia Wiedemer der literarischen Figur Leben gibt, ist faszinierend. "

 

Eine Inszenierung mit Mut zu grossen Gefühlen. Nichts ist angestaubt. Eine zauberhafte und kraftvolle Claudia Wiedemer. Ihr Solo-Abend ist in der Lokremise St. Gallen Mittwoch, 16. Mai um 20 Uhr und Freitag,18. Mai um 20 Uhr.


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