Dem Heidi begegnen – Im Theater St. Gallen

Kulturtipp

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W. M. Güntensberger, Kalhamm, St. Signer, S. Rhode.
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Ensemble.

Nächste Vorstellungen:

So. 9. Dezember, Mi. 12. Dezember So. 16. Dezember, Mi, 19. Dezember, Mo. 24. Dezember, Mi. 26. Dezember jeweils um 14 Uhr.
www.theatersg.ch.

 

Wer kennt das Heidi nicht, das Maidli aus den Bündner Bergen, das Kind einer ganzen Nation. Uns ist Heidi seit Kindertagen vertraut, durch Johanna Spyris bekannten Roman, später durch zahlreiche Verfilmungen und zu guter Letzt durch das gleichnamige Musical Und jetzt kommt Heidi nach St. Gallen auf die Bühne des Theaters, in der Inszenierung von Wolf-Dietrich Sprenger. Kürzlich war Premiere-

 

Elke Baliarda

05:12:2012

 

Tante Dete bringt ihre fünf Jahre alte Nichte Heidi, die Vollwaise ist, zu deren Grossvater, dem Alp-Öhi in die Berge. Er soll sich bitte schön um seine Enkelin kümmern. Die unverheiratete Dete muss für ihren Lebensunterhalt sorgen und folgt deshalb einem Ruf nach Frankfurt ins Hessenland. Der mürrische Grossvater zeigt sich zuerst nicht besonders erfreut über seine neue Mitbewohnerin. Doch schnell schliesst er die fröhliche, aufgeweckte Heidi in sein Herz.  Heidi bekommt frischen Käse, Milch und Brot zum Znacht und darf auf der Tenne in einem duftenden Heubett schlafen, was sie herrlich findet. Die Geissen, die sie tagsüber auf den Bergwiesen umgeben, nun zum weltberühmten Geissenchor avanciert, singen sie auf drollige Art und Weise in den Schlaf.

 

Heidi fühlt sich wohl beim Grossvater in den Bergen. Sie freundet sich mit dem Geissenpeter (David Bühler) an und mit all den Geissen und  natürlich im Dörfli mit Peters Grossmutter (Vera Schweiger) und Brigitte. In dieser Welt möchte sie bleiben und nie wieder fort gehen.

 

Doch eines Tages taucht Dete, die Schwester von Heidis verstorbener Mutter, wieder auf, überzeugend dargestellt von Boglarka Horvath, und will das Kind mit nach Frankfurt nehmen, zu Familie Sesemann, damit Heidi etwas Anständiges lernt und der an den Rollstuhl gefesselten Klara (Stéphanie Signer) Gesellschaft leistet. Widerwillig folgt Heidi. In Frankfurt ist alles ganz anders. Man darf nicht sich selbst sein, man hat sich anzupassen, dafür sorgt schon die Gouvernante Fräulein Rottenmeier, gespielt von Silvia Rhode, die ihrer Rolle komplett gerecht wird. Fräulein Klara (das brave Mädchen aus gutem Hause) und Heidi mögen sich sehr und sie haben in Sebastian, dem Faktotum der Familie, liebenswert dargestellt von Oliver Losehand, einen Verbündeten, wenn Fräulein Rottenmeier mal wieder über „die Strenge“ schlägt.

 

 Heidi ist nicht glücklich in der Fremde. Sie sehnt sich nach den Bergen, nach ihrem Grossvater, dem Alp-Öhi. Hans Rudolf Spühler verkörpert diese Rolle sehr zurückgenommen. Als dann Heidi schliesslich noch nachtwandelt, stellt der Doktor fest: Das Kind leidet an Heimweh und muss schleunigst wieder in die Schweizer Berge.

 

„Heidis Lehr- und Wanderjahre“ sind nicht einfach in eine knapp zwei Stunden dauernde Aufführung zu verpacken Zudem ist es auch nicht einfach, sich an die weltberühmte Geschichte zu wagen. Der Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger hat es versucht, was ihm zum grossen Teil gelingt. Weniger gelingt ihm der Umgang mit dem Sauschwob. Das findet man im Publikum gar nicht lustig. Warum das Wort immer noch herumgeistert? Man sollte doch meinen, es sei aus der Mode gekommen. Oder?

Die Ausstattung stammt von Achim Römer. Die Kostüme hat er dem 19. Jahrhundert nachempfunden. Das Bühnenbild, modern gestaltet, gefällt ganz allgemein. Eine junge Besucherin begründet, weil es so praktisch sei, weil man im Nu eine Alphütte daraus zaubern kann.

Und das Heidi, Wendy Michelle Güntensberger, schlichtweg hinreissend. Die Kinder im Publikum sind begeistert. Sie werden von ihr und den anderen Figuren angesprochen und dürfen lautstark reagieren. Der Besuch des Familienstückes ist angesagt.

 

Schöpferin der bekannten Romanfigur Heidi

Johanna Spyri, geborene Heusser kam am 12. Juni 1827 in Hirzel zur Welt und starb am 7. Juli 1901 in Zürich. Sie war das vierte von sechs Kindern des Arztes Johann Jakob Heusser und der Dichterin Meta Heusser-Schweizer. Mit 15 Jahren zog sie zu ihrer Tante nach Zürich, wo sie die Schule besuchte. Im Sommer 1844 ging sie in ein Pensionat in Yverdon, um Französisch zu lernen.

 

Nach einem Jahr kam sie zurück und wohnte bis zu ihrem 25. Lebensjahr in Hirzel, wo sie ihre jüngeren Geschwister unterrichtete und der Mutter im Haushalt half. 1851 verlobte sie sich mit dem Zürcher Juristen und Redakteur Bernhard Spyri (1821 – 1884), der zum engsten Freundeskreis von Richard Wagner in Zürich gehört. Die Hochzeit fand am 9. September 1852 statt. 1855 kam Johannas einziges Kind, ihr Sohn Bernhard Diethelm zur Welt. Während der Schwangerschaft geriet sie in eine tiefe Depression, die jahrelang anhielt. Nach der Ernennung Bernhard Spyris zum Stadtschreiber zog die Familie 1868 in das Stadthaus am Kratzplatz um.

Die Ehe der Spyris war nicht wirklich glücklich. Johanna Spyri mochte die Hausarbeit nicht. Bernhard Spyri arbeitet viel und war oft abwesend. Halt fand Johanna in ihrer tiefen Freundschaft mit Betsy Meyer, der Schwester von Conrad Ferdinand Meyer. Über ihre Mutter, die Verwandtschaft in Bremen hatte, schloss sie Kontakt dorthin und machte des Öfteren Besuche in die Hansestadt. Der dortige Pastor Vietor regte Johanna zum Schreiben an. Im Laufe der Zeit entstanden zahlreiche Erzählungen und Kinderbücher.

 

1875 wurde „Frau Stadtschreiber Spyri“ in die Aufsichtskommission der Höheren Töchterschule in Zürich bestellt, wo sie bis 1892 tätig war.

Kurz vor Weihnachten 1879 erschien bei F.A.Perthes in Gotha „Heidis Lehr- und Wanderjahre“, das sofort ein grosser Erfolg wurde und Johanna Spyri einen sehr komfortablen Lebensabend ermöglichte. 1881 folgte der zweite Band „Heidi kann brauchen was es gelernt hat“, „Heidi „ wurde in mehr als 50 Sprachen übersetzt.

Während ihrer letzten Lebensjahre schrieb und reiste Johanna viel. Mit Conrad Ferdinand Meyer hatte sie regelmässig freundschaftlich-professionellen Kontakt. Als sie1901 an Krebs erkrankte, liess sie sich von der ersten Schweizer Ärztin Marie Heim-Vögtlin behandeln.

 

Johanna veröffentlichte 31 Bücher, 27 Erzählbände und 4 Broschüren. Viele Bücher und Texte von ihr werfen einen kritischen nichts beschönigenden Blick auf die Schweiz und auf die Lebensbedingungen der Menschen während der frühen Industrialisierung.

Besonders das Schicksal der Kinder und jungen Frauen lag ihr am Herzen. Ihre Texte sind deshalb nicht nur von literarischem, sondern auch von sozialgeschichtlichem Interesse.


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