Sie war eine selbstbewusste Frau und zeigte Frauenpower in einer Männerdomäne. Und dies im Mittelalter. Das Leben der Nonne und Naturheilkundlerin Hildegard von Bingen ist immer noch im Kino zu sehen.
Cornelia Forrer
19:01:2010
Erst achtjährig wird die kleine Hildegard von den Eltern ins Kloster Disibodenberg gebracht. Das war damals so üblich. Sie wird von der berühmten Magistra Jutta von Sponheim erzogen und in die Medizin und Kräuterheilkunde eingeführt. Als diese stirbt übernimmt Hildegard deren Aufgabe als Magistra des Inklusorium und unterrichet die Novizinnen und Nonnen in Theologie, Medizin und Botanik.
Kampf für eine Vision
Eines Tages gesteht Hildegard dem Mönch Volmar, dass sie verschiedene Visionen gehabt habe. Dieser informiert daraufhin den Papst, welcher eine Kommission bestimmt, um die Richtigkeit zu überprüfen. Der erwähnte Rat aber, lehnt die Bedeutung der Visionen ab.
Nun wendet sich Hildegard an Bernhard von Clairvaux, den angesehensten Theologen ihrer Zeit. Clairvaux bestätigt die Visionen und erreicht für Hildegard die Erlaubnis des Papstes, alles niederschreiben und veröffentlichen zu dürfen.
Richardis, die beim Klostereintritt noch skeptische Tochter der Marktgräfin von Stade, wird später zur guten Freundin, auf die Hildegard auch immer zählen kann, sogar als sie beschliesst, mit ihren Nonnen ein eigenes Frauenkloster zu gründen.
Der Abt willigt aber erst ein, als Richardis Mutter persönlich beim Erzbischof von Mainz interveniert. Im Rupertsberg, dem neuen Frauenkloster, wird Hildegard Äbtissin und Mönch Volmar, ebenfalls ein treuer Freund, wird Probst.
Als Richardis von Hildegards Bruder beauftragt wird, ein anderes Kloster als Äbtissin zu führen, ist Hildegard traurig, kann es aber nicht verhindern und muss sich von ihrer Freundin trennen. Richardis zieht weg und erkrankt am neuen Ort nach nur wenigen Monaten schwer, bis sie der Krankheit erliegt. Darauf wird auch Hildegard krank und fällt ins Koma. Als sie nach langer Genesungszeit erwacht, beschliesst sie, mit Volmar auf Predigerwanderschaft zu gehen …
Eine selbstbewusste Frau
Beim Betrachten des Filmes über das Leben der Hildegard von Bingen wird klar, dass es Drehbuchautorin und Regisseurin Margarethe von Trotta nicht wirklich darum ging, das Leben der grossen Frau bis ins Detail zu zeigen. Es ist die selbstbewusste Frau, die in einer von Männern dominierten Welt, entschieden und mit grosser Stärke für ihre Ideen und Ziele kämpft und sich nicht klein kriegen lässt, die Trotta porträtieren will. Dies gelingt ihr im Film denn auch bestens. Vieles muss die/der Zuschauende aber selber erkennen.
Weltuntergangstimmung wird gezeigt, als die Zeit vom ersten ins zweite Jahrhundert wechselt und ein kleines Mädchen das Licht der Welt erblickt, das aber nur als Symbol für den Neubeginn steht, denn es handelt sich nicht um Hildegard persönlich. Höllenvisionen, dunkle Fresken und gar Selbstkasteiungen demonstrieren eine düstere Zeit, in der Sinnenfreuden fern sind und das ganze Leben auf das Jenseits ausgerichtet ist. Doch dann wird die Stimmung des Filmes immer heller – und dies, je weiter er fortschreitet. Ausschnitte passend zu beleuchten und Lichtblicke aufzuzeigen, das gelingt der Regisseurin hervorragend in ihrem Werk.
Etwas schade ist es aber doch, dass das literarische Werk Hildegards von Bingen, im Film kaum gewürdigt wird und auch die Religion kaum zur Sprache kommt, denn immerhin spielt Hildegards Leben in klösterlichem Umfeld. Dies wäre wohl nötig, um der/dem Zuschauenden noch besser verständlich zu machen, wer Hildegard von Bingen war. Die Rolle als Naturheilkundlerin, als Mystikerin und Musikerin wird ebenfalls nur oberflächlich angeschnitten und dies wären doch die Kernpunkte des Lebens dieser Frau.
Zeitlose Frauenpower
Was aber gelungen ist, ist das zeitlose Porträt einer entschlossenen, mittelalterlichen, starken Frau. „Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“ ist auch kein historisch verstaubter Streifen, den frau/man schon in wenigen Monaten nicht mehr sehen möchte. Ja, eigentlich hält Trotta mit dem Titel des Filmes, genau das, was sie verspricht.
Zu verdanken ist die Spannung des Filmes insbesondere der hervorragenden Leistung von Barbara Sukowa, die für ihre Rolle im Film den Bayerischen Filmpreis 2009 als beste Darstellerin erhielt. Bereits im Jahr 1985 hat Sukowa mit Regisseurin Trotta die Hauptrolle in „Rosa Luxemburg“ gespielt. Die beiden Frauen sind ein gut eingespieltes und starkes Film-Team, denn die Nähe und dasselbe Denken der Regisseurin und Hauptdarstellerin leuchten aus dem Film heraus.
„Der Film war schön, wir warteten aber auf mehr Visionen, mehr Kräuterkunde, mehr Eingebungen, mehr Ausprobieren … Irgendwie fehlte das Aussergewöhnliche. Schade“, schreibt Dani in einer Filmkritik. „Es wurde alles ausgelassen, was interessant gewesen wäre. Die Dialoge sind klebrig und langatmig. Ich hab mich selten so gelangweilt“, kritisiert auch Claudio. Damit liegen die beiden Kritiker zwar nicht in jedem Falle falsch, doch entschädigen die hervorragend gespielten Szenen für die fehlenden Hintergründe. Fazit deshalb trotzdem: mit Sicherheit sehenswert!