Sparen auf dem Rücken der Frauen?

Genug ist nicht genug: Gleichstellung jetzt!

Bild
Alexa Linder, Bettina Surber und Monika Lehmann.
Bild
Die Netzwerkerin Erika Bigler.

- 1980: Frauenhaus
- 1987: Frauenbibliothek Wyborada
- 1989 Kantonales Büro für Gleichstellung (geplante Sparmass-
nahmen)
- Feministische Juristinnen
- 1992: A.I.D.A. Alphabetisierungs-
kampagne und Deutschkurse für Einwanderinnen
- 1998: Erste FrauenVernetzungs
Werkstatt
- 1999: Ostschweizerisches Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte
- 2003: zum Kantonsjubiläum die Gründung der Onlineplattform 
ostschweizerinnen.ch
   - Herausgabe von „Blütenweiss bis Rabenschwarz“ mit 200 Portraits von Frauen, die sich für Gleichstellung eingesetzt haben (Erschienen beim Limmat Verlag, 480 Seiten, 46.- Fr).

Das „Komitee Gleichstellung jetzt“ lud am 3. Februar zur Medienkonferenz ein. Mit parteiübergreifenden Themen der Gleichstellung für Mann und Frau referierten 4 Frauen aus verschiedenen Perspektiven unter der Leitung von Bettina Surber. Anlass waren mehrere Jubiläen, aber auch das Bewusstsein, dass der Kampf um Gleichstellung der Geschlechter grössere Bedeutung hat denn je. Denn der Kantonsrat plant Einsparungen in den Bereichen Gleichstellung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie bei 20 Ausbildungsplätzen für junge Frauen.

 

Carmela Maggi

06:02:2011

 

Noch lange nicht müde

Auch wenn der Anlass der Medienkonferenz mit mehrfachen Jubiläen ein „Grund zur Freude“sei, macht Bettina Surber bewusst, dass hart erkämpfte Massnahmen zur Gleichstellung erhalten werden müssen. Einigen Mitgliedern des Kantonsrats kommt die Diskussion um Frauenrechte vermehrt als lästig und ermüdend vor. Deshalb greifen diese mit neuen Einsparungen die entsprechenden Institutionen an.
40 Jahre Frauenstimmrecht im Kanton St.Gallen,  30 Jahre Gleichstellungsartikel, 15 Jahre Gleichstellungsgesetz und 20 Jahre Frauenstreik sind nicht genug. Immer noch erhalten Frauen für gleiche Arbeit fast einen Viertel weniger Lohn als Männer. Zudem gebe immer noch zuwenig Teilzeitstellen, damit Familienväter sich vermehrt in Kindererziehung und Haushalt integrieren können, beklagt Bettina Surber. Deshalb sei die Beharrlichkeit der Frauen in der Politik nötig, um Erfolge erhalten und keine Rückschritte zu machen. Ebenfalls sei es wichtig, dass die Wirtschaft auf die Themen der Gleichstellung reagiere.

 

Alexa Linder macht sich für Frauen stark

Die Schweiz war das letzte Land Europas, in dem das Frauenstimmrecht am 7. Februar 1971, nach zwölfjährigem Kampf, durchgesetzt werden konnte. Alexa Linder war eine der Kämpferinnen, die sich damals für das „elementare Menschenrecht“ im Kanton St.Gallen stark gemacht hat. Sie erinnert sich noch genau an die Hürden, die sie in parteiübergreifendem Engagement mit ihren Mitkämpferinnen innerhalb und ausserhalb der SP überbrücken musste. Auch wenn bürgerliche Frauen grössere Hürden zu überwinden hatten.

Um zum Erfolg zu gelangen, hätte die Partei ihr Vorhaben in leicht verdaulichen Dosen vorlegen müssen, konnte aber 1971 mit der Mehrheit der stimmberechtigten Männer das Frauenstimmrecht durchsetzen. Doch damit gab sich Alexa Linder nicht zufrieden, denn Frauen durften sich lediglich Nationalratswahlen beteiligen, jedoch nicht an den Ständeratswahlen. Mit einer Stand-Aktion begann Alexa Linder deshalb, nach der Einführung des Frauenstimmrechts, auf dem Bärinnenplatz die Frauen selbst anzusprechen, um diese mit dem Thema Politik vertraut zu machen. Damals wurde sie von einzelnen Frauen als „blöde Emanze“ beschimpft wurde.

Mit einem Schmunzeln im Gesicht, erzählt die unermüdliche Frauenrechtlerin über weitere, heute undenkbare, Episoden um Stadtrat und Gesellschaft. Alexa Linder beklagt heute, dass es, nach mehr als 40 Jahren, grösstenteils ehrenamtlichem Einsatz, immer noch schwierig sei, Gelder für Frauenprojekte zusammenzutragen. Dennoch gelang es den St.Galler Frauen, einige Projekte in Gang zu setzen (siehe Infobox).

 

Erika Bigler setzt beim Denken an

Erika Bigler betont als unermüdliche Netzwerkerin ihre Parteilosigkeit im Engagement für die Frauen-Gleichstellung. Als Laufbahnberaterin stellt sie sich seit 22 Jahren auf die beruflichen Bedürfnisse der Frauen ein und beschäftigt sich vermehrt durch ihr „Studium ab 66 Jahren“ mit philosophischen Fragen. Vor 40 Jahren finanzierte Erika Bigler durch ihre Erwerbstätigkeit die Familie und das Studium ihres Ehemannes, mit dem sie heute noch zusammenlebt.

Damals, im Jahr der Einführung des Frauenstimmrechts, habe sie noch keinerlei Sensibilität für Frauenfragen gehabt. Dies habe sich jedoch, in einem langen Prozess, um 180 Grad gewendet. Erika Bigler ist es heute auf dem Weg der Gleichstellung und Gleichberechtigung wichtig, Denkkorsetts und –routinen zu durchschauen, die die Unterschiede und Hierarchien zwischen den Geschlechtern aufzeigen.

Deshalb setzt sie auf Aufklärung, Information, Wissen und Bewusstseinsbildung und gründete 2003 das Onlinemagazin „ostschweizerinnen.ch“. „Die Frauen sollen damit aufhören, sich andauernd anzupassen!“, propagiert Erika Bigler. Ein Konsens lasse sich erst finden, wenn frau mit einer klaren Opposition die Stirn bietet.


Eine ihrer Visionen setzt Erika Bigler deshalb beim Leeren des Briefkastens an: „Wie wäre es, wenn statt des Werbe-Tsunamis für überflüssige Produkte, Bildung und Info für Gesellschaftspolitisches ins Haus flattern würden, damit Reflexions- und Veränderungsprozesse direkt von der zivilen Gesellschaft, jenseits von Erwerb und Konsum, in Gang kämen?“
Dazu legt ein sie kleines Buch von Ina Praetorius vor, das den herrschenden Dualismus sichtbar mache: „Weit über die Gleichberechtigung hinaus – Das Wissen der Frauenbewegung fruchtbar machen“.


Sichtbar zeige sich der herrschende Dualismus auch an einigen Aktualitäten, die Erika Bigler schwer aufstossen:
- Der amtierende Bundesrat Ueli Maurer betitelt Frauen, die für die Waffeninitiative einsetzen, als „komische Frauen“- eine beispiellose Abwertung und Frauenverachtung komme hier zum Ausdruck.
- Schützen im Schützenhaus gegen Frauen im Frauenhaus. Ein krasseres Beispiel der herrschenden Macht- und Wertedualität gebe es nicht.
- Medienkonferenz von 10 Heimleitern (ausschliesslich Männer) berichten über Macht-Missbrauch und einem männlichen Sexualtäter.

 

Monika Lehmann will nicht am falschen Platz sparen

Die CVP-Frau Monika Lehmann schätzt es, in einer Generation aufgewachsen zu sein, in der Frauen abstimmen, studieren oder eine Lehre absolvieren durften. Trotz allem ist sie als Kindergärtnerin in einem Frauenberuf gelandet. Sie wollte nachdem ihr jüngstes von 3 Söhnen 2 Jahre alt war, wieder in ihren Beruf einsteigen.

Doch nur unter der Bedingung, dass ihr Ehemann seine Erwerbstätigkeit auf 50% herabsetzt, um sich zur Hälfte Haushalt und Kindern zu widmen. Dazu habe er sich bereit erklärt, sei jedoch bei mehreren Arbeitgebern auf taube Ohren gestossen, weshalb er mehrere Male die Arbeitsstelle gewechselt hat. Doch der Weg zeigte sich als richtig und war schliesslich ein Gewinn für die ganze Familie.

Aus diesem Grund stösst sich Monika Lehmann besonders an den Sparmassnahmen des Kantonsrats, der die Errungenschaften der Gleichstellung in Zukunft fallen lassen möchte. Hierbei nennt sie nicht nur die Kürzung des Kantonalen Büros für Gleichstellung, sondern auch die 13 Massnahmen für die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, für die sowohl Koordination als Zuwendungen gestrichen werden.

Eine weitere Unmässigkeit ist ebenfalls die Gebührenerhebung von 15'000 Fr. für die Teilnehmerinnen der „Lernwerkstätte für Bekleidungsgestalterinnen“ (ehemals Damenschneiderinnen), die die Abschaffung von jährlich 20 Ausbildungsplätzen für junge Frauen bedeuten dürfte.
Monika Lehman ist es nach wie vor wichtig, „den Motor am Laufen zu halten“, damit Modelle der Gleichstellung in der Familie, die auch den Männern zugute kommen, erreicht werden.

 

Monika Staubli stellt sich der Realität

Die Geschäftsführerin der Frauenzentrale St.Gallen Monika Staubli erinnert sich an den letzten Auftritt mit einem Stand an der Fest- und Hochzeitsmesse zum Thema: Gemeinsam Regie führen. Hier wurden junge Paare direkt befragt, wie sie sich ihre Zukunft mit dem gemeinsamen Zusammenleben vorstellen.
Monika Staubli staunte darüber, dass sich die jungen Leute sehr detaillierte Gedanken über Teilung der Haus- und Familienarbeit gemeinsame Berufstätigkeit, und Kinderwünsche machten.

Ebenfalls staunte sie darüber, dass die meisten jungen Paare die Gleichstellung als Realisiert betrachten und damit keine Probleme haben. Bei näherem Hinsehen zeigte sich jedoch, dass dies keineswegs der Fall sei. Denn für eine Unsetzung in der Praxis fehle es an Teilzeitstellen für Männer. Hinzu kommt, dass diese es oft als Selbstverständnis voraussetzen, dass die Frau für Haus und Kinder zuständig sei. Die Partnerinnen hätten sich jedoch in den seltensten Fällen damit einverstanden erklärt.


Einige Männer hätten sich erst mit der Rolle als Hausmann einverstanden erklärt, wenn die Frau mehr als er verdiene. Doch wie die Statistiken belegen sei dies kaum der Fall.
Monika Staubli möchte deshalb mit der Frauenzentrale die Bemühungen um Gleichstellung mit weiteren Aktivitäten verankern. Sie ist stolz, so viele Frauen über Parteigrenzen hinweg mobilisieren zu können und plant bereits weitere Aktionen, mit denen sie auf das Thema Gleichstellung aufmerksam machen will:
- Eines davon ist das Round-Table „Frauenwahlen“, das Frauen aus sämtlichen Parteien enthält. Diese motivieren weitere Frauen zum Einstieg in die Politik und dazu, Frauen zu wählen.
- Am 7. Februar wird auf dem Bärinnenplatz ein Stand betrieben, bei dem alle beteiligten Organisationen und Parteivertreterinnen Flyer zum Frauenstimmrecht verteilen und mit den Passantinnen und Passanten ins Gespräch kommen.
- Am 5. März wird bei der FrauenFrauenVernetzungsWerkstatt ein Auftritt mit dem Komitee und Parteivertreterinnen im Zusammenhang mit den Wahlen stattfinden.


zurück            Diesen Artikel versenden            Mein Kommentar zu diesem Artikel
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch