Frauen sind spannend und anders!

24:03:2014

FrauenVernetzungsWerkstatt zum Thema Dialog

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Dr. Antje Schrupp, Politikwissenschafterin und Journalistin (Bild: Sam Thomas)
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Juristin Caterina Meier-Pfister, Geschäftsführerin Nationales Komitee Schweiz der UN Women (Bild: Sam Thomas)
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Die FrauenVernetzungsWerkstatt hat Tradition. Seit 1998 vernetzt sie die Vielfalt weiblicher Lebensrealitäten. Ob Angestellte, Unternehmerin, Bäuerin, Kaderfrau, Politikerin, ob junge, mittelalterliche oder ältere Frau: Frau lernt sich an der FrauenVernetzungsWerkstatt kennen und tauscht sich aus. Man kann schweizweit suchen und findet doch keine weitere Vernetzungstagung, die nur Frauen vorbehalten ist, sie in Dialog treten, vernetzen lässt, Bildungsmöglichkeiten und einen Marktplatz bietet… ostschweizerinnen.ch ist die im Jahr 2003 geborene jüngere Schwester der FrauenVernetzungsWerkstatt, eine Plattform für und von Frauen, damit wir auch übers Jahr im Dialog bleiben.


„Frauen im Dialog“, lautet der diesjährige Slogan der FrauenVernetzungsWerkstatt. Doch sind wir das nicht ständig? Mit Hinz und Kunz, mit dem Nachwuchs, der Verwandtschaft, dem Partner, dem oder der Vorgesetzten… Und wir haben Geduld. Wir schlucken, dass wir noch immer rund 18 % weniger als die Männer verdienen, oder dass an uns die ganze Kindererziehung delegiert wird. Wir warten mit Anstand, bis uns die Wege in die Verwaltungsräte, für die politischen Mandate, in die Funktionen der Entscheidungstragenden aufgehen. Wir warten, wir erwarten, wir hinterfragen, wir studieren zwar und wir handeln, doch wir… Sind wir frei und selbstbestimmt? Hilft der Dialog, auch mit dem Mann, um weiter zu kommen, um Gewalt an Frauen zu verhindern, um für uns Frauen eine selbstbestimmtere und gleichgestelltere Welt zu schaffen?

 

Cornelia Forrer

 

Werden wir auf dem Weg nach oben, in unserer „Gier um mehr Macht“ in unserem „Biss“ (Wieso klingt das bei einer Frau immer so negativ?) nicht oft gerade vom weiblichen Geschlecht behindert und gebremst? „Frauen sind lausige Netzwerkerinnen, es sei denn im privaten Umfeld“, warf Susanne Vinzenz-Stauffacher, Rechtsanwältin, FDP-Politikerin und Präsidentin der Frauenzentrale des Kantons St. Gallen, im Zuge ihres Referates in den Raum. So unterschiedlich die Meinungen seien, so wichtig sei der Dialog, der uns neue Ideen bringe und vielleicht sogar Lösungsansätze aufzeige. Wir haben viel erreicht, auch dank der Beharrlichkeit der „Emanzen“, die gekämpft haben zu einer Zeit, als Gleichstellung noch nicht „en vogue“ war, und die dafür Nachteile und drastische Konsequenzen in Kauf genommen haben. Die jungen Frauen dürfen dies ebenso wenig vergessen, wie die „älteren“ die jüngeren Frauen ernst zu nehmen haben. Toleranz ist hier gefragt. Toleranz und Dialog.


„Haben wir Tomaten auf den Augen“, fragte Politikwissenschafterin und Journalistin Antje Schrupp in ihrem packenden Referat. Die Betreiberin eines der bekanntesten Frauen-Blogs im deutschsprachigen Raum findet die jungen Frauen von heute „um einiges selbstbewusster und freier als Frauen vor 40 Jahren“. Sie fordert die „mittelalterlichen“ Frauen auf, das Licht nicht unter den Scheffel zu stellen und zu sich zu stehen. Junge Frauen können dies, selbst wenn ihre oft sexualisierte Art und die Inszenierung des weiblichen Körpers uns Mühe machen und wir uns wundern, dass sie zwar High Heels tragen und gleichzeitig wieder nostalgische Vorstellungen von Familienglück und Heimchen am Herd hegen. Keine junge Frau aber glaubt mehr, dass ihr Geschlecht schwächer und weniger wert ist als das männliche.


Das Verhältnis zwischen Mann und Frau hat sich verbessert. Die italienische Philosophin Luisa Muraro hat vor zwei Jahrzehnten schon die These aufgestellt, das Patriarchat sei tot. Ihr Hauptargument liegt darin, dass Frauen nicht mehr daran glauben und Männer, ihres Geschlechtes wegen, keinen Kredit mehr von Frauen erhalten.  Gut hinsehen, ist die Antwort, die vielen Frauen Leid ersparen kann, wie zum Beispiel die Aussicht, nicht mehr geschlagen zu werden, weil ein Frauenhaus offen steht, oder Verkäuferin zu werden, wenn dies die Leidenschaft ist. Auch die Errungenschaft, an einer Abtreibung nicht mehr zu sterben und dieser Entscheidung wegen, auch nicht mehr „straffällig“ zu werden.


„Frauen sind keine homogene Masse“ betonte Antje Schrupp. Es gilt darum, deutlicher zu sehen, dass es nicht „die Frau“ schlechthin gibt, sondern Unterschiede der Generationen, Hintergründe, Religionen, Finanzen, Lebensformen, Wünsche etc. bestehen. Jüngere Frauen sind nicht weniger politisch, auch wenn das vielleicht den Anschein macht. Sie gehen zwar nicht unbedingt an die Veranstaltungen der älteren Frauen, organisieren sich aber anders, z.B. über soziale Medien. „Während die Frauenbewegung der 70er Jahre die Praxis des weiblichen Separatismus erfunden hat, suchen jüngere Frauen heute den Dialog mit Männern, zumindest mit jenen, die feministische Anliegen teilen.

Menschen sind nicht mehr durch Geschlechtszugehörigkeit geprägt, sondern durch Hautfarbe, Alter, soziale Schicht oder Religion. Dies sei früher heruntergespielt worden, ist Journalistin Schrupp überzeugt. Nun muss es gelingen, die Differenzen zum Hebel für eine wirksame feministische Politik zu machen. Dafür braucht es keine Identitätspolitik, sondern eine Politik der Beziehungen. Feminismus fragt nicht mehr nach gleichen Rechten und Möglichkeiten für Frau und Mann, sondern stellt die Frage, wie die Welt sein muss, damit alle Menschen gut darin leben können. „In der Politik der Frauen geht es nicht um das Verhältnis von Frau und Mann, sondern um das der Frauen zur Welt“, so Schrupp. Das habe man vielerorts noch nicht verstanden. Die Politik der Frauen findet überall statt, nicht nur in Parlamenten und Parteien. Sie ist auf der Strasse, im Kreis der Kolleginnen und Kollegen, am Küchentisch, im Bus…


Juristin Caterina Meier-Pfister ist Geschäftsführerin des Nationalen Komitees Schweiz der UN Women. Als Mitglied und Ex-Kommunikationsberaterin von Max Havelaar, plädiert sie für die Einbindung von Gleichstellung im Erwerbsleben, einem Hauptanliegen der UN Women. Der Dialog mit Männern sei unumgänglich, ist Meier überzeugt, denn nur damit sei der Kampf für die Gleichstellung und gegen die weltweite Gewalt an Frauen und Mädchen zu gewinnen. Männer, die Frauen als gleichwertig betrachten, nehmen eine Vorbildfunktion ein, z.B. in der Erreichung der Gleichstellung im Erwerbsleben, in der Politik, im Recht, der Wirtschaft, in der Gesundheit und in den Medien. UN Women arbeitet diesbezüglich an mehreren Projekten, besonders in Entwicklungsländern.


Über die bunte Vielfalt und die Möglichkeiten und Visionen der Frauen hierzulande tauschten sich im Anschluss an die Kernreferate  die Referentinnen im Dialog mit dem Publikum aus. Es sei nichts Besonderes gewesen, neben den Brüdern als Mädchen auch in den Schwingsport zu gehen, so Sonia Kälin, Sekundarlehrerin und Schwingerkönigin 2012 aus Einsiedeln, die sich zur Diskussionsrunde gesellte. Noch vor wenigen Jahren wäre es eine Majestätsbeleidigung gewesen, sich als Schwingerkönig mit der Schwingerkönigin abzulichten. Schwingerkönig Matthias Sempach sieht das anders und macht sich für die weiblichen Sportskameradinnen stark. Erste Gesten und kleine Taten, denen immer weitere Schwinger folgen.


Das Feld ist bestellt, genauso wie jenes der Komik, auf dem Ex-Miss Schweiz Stéphanie Berger sich heute mit grossem Erfolg tummelt. Die gebürtige Bernerin feiert nicht nur Erfolge als Moderatorin, sondern schlüpft rotzfrech in verschiedenste Figuren und macht sich über Beauty Queens, Missen und deren Erfolge und natürlich über Machos lustig. Kaum eine FrauenVernetzungsWerkstatt läuft ohne Moderatorin Mona Vetsch ab. Die bekannte Journalistin aus dem Thurgau versteht es jeweils ausgezeichnet, den roten Faden durch das Tagesprogramm zu spannen und knifflige Themen aufzugreifen. Die Künstlerin Manon, an der FrauenVernetzungsWerkstatt als „einstige Miss Rimini“ im Einsatz, schlüpfte bildlich in 50 verschiedene Frauenrollen und zeigte auf, wie sich eine Miss Rimini aus den Siebzigerjahren hätte entwickeln können. Frauen sind schön und spannend, sie sind so vielfältig und reich, wie Manons Figuren. Sie sind witzig, klug und politisch, wie es Schrupp, Meier und Berger beschrieben. Sie sind Kämpferinnen und Siegerinnen, wie die Schwingerkönigin Kälin aufzeigte. Frauen sind verschieden und Frauen sind einfach toll. Bleiben wir im Dialog unter den Frauen, im Dialog auch mit den Männern!



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