Wo die Frauen regieren

Frauen-Bräuche

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Während drei Tagen ist die Macht in weiblichen Händen.
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Männer landen in den Fangnetzen der Frauen.

Meitlitage

 

Ein historisches Ereignis liegt den Meitlitagen zugrunde. Nach mündlicher Überlieferung griffen die Seetaler Frauen im 2. Villmergerkrieg von 1712 ein und behüteten ihr Volk damit vor weiteren Kriegereien. Zum Dank für die Hilfe und den tapferen Einsatz schenkte der Berner Heeresführer Oberst Tscharner den wackeren Kämpferinnen drei eigene Tage, an denen sie über das „Mannevolch“ regieren dürfen. Der Meitli-Donnerstag, Meitli-Sonntag und Meitli-Montag waren geboren worden, die jährlich um den zweiten Sonntag im Januar gefeiert werden.


Daten der diesjährigen Meitlitage:

12. Januar, Meitlidonnerstag

15. Januar, Meitlisonntag mit Jubiläumsumzug

16. Januar, Meitlimontag


 

In Fahrwangen und Meisterschwanden übernehmen für drei Tage die Meitli das Zepter und die Macht – immer im Januar. Der Brauch der Meitlitage geht auf das 18. Jahrhundert zurück und hat auch mit der Ostschweiz zu tun.

 

Cornelia Forrer

16:01:2012

 

Der 2. Villmergerkrieg wurde durch einen Aufstand der protestantischen Toggenburger gegen ihren weltlichen Herrn, den Abt von St. Gallen, ausgelöst. Die Innerschweizer Orte nahmen für den Abt Partei, der ein gebürtiger Luzerner war. Zürich und Bern nutzten den Anlass, um 1712 noch einmal eine militärische Entscheidung zu suchen. Die Zürcher besetzten Wil, St. Gallen und Baden, die Berner Mellingen. Ein erster Friedensvertrag wurde von den Landsgemeinden Schwyz, Unterwalden und Zug nicht angenommen. Schliesslich kam es am 24. Juli 1712 zur zweiten Schlacht bei Villmergen, mit ungewissem Erfolg. Die Katholiken wussten sich aber gekonnt zu verteidigen – dank ihrer Frauen.

 

Dem Wybervolch zu Ehren

 

Der alte Herr von Hallwyl mochte der Stärke seiner Landsleute, den Bernern, nicht richtig trauen und machte eine Flankenbewegung mit dem gesammelten „Wybervolch“, um den Männern zu helfen. Er führte die Frauenarmee aus Meisterschwanden und Fahrwangen in die Wälder und in den Hinterhalt der Urkantönler und liess sie so viel Lärm machen, als ob eine ganze Armee den Bernern zu Hilfe käme. Die Luzerner waren der Meinung, ein neues reformiertes Heer sei im Anzug und zogen sich zurück. Die Kriegslist gelang und war nicht unwesentlich für den Abzug der Urkantönler verantwortlich.

Beim Friedensschluss wurde eine gerade Grenzlinie von der Kirche in Lunkhofen bis zum Fahrwanger Richtplatz angenommen. Oberhalb dieser Linie liegt das obere Freiamt, das wie bisher gemeine Herrschaft blieb, aber Herrschaftseinfluss in Bern erlangte. Das unterhalb der Grenzlinie liegende Gebiet, also das untere Freiamt, wurde Zürich, Bern und Glarus zugesprochen.

 

Drei Tage reine Frauenpower

 

Mit Trommelwirbeln ziehen die Tambourinnen am Meitlidonnerstag am frühen Abend des Meitlidonnerstag durch die Strassen von Meisterschwanden und Fahrwangen und verkünden den Beginn der „Weiberherrschaft“. Die rassigen Trommelwirbel rufen alle Frauen und Meitli zur Generalversammlung auf. In altmodischen Roben gekleidet, den Kopf mit eleganten Hüten geschmückt, finden sich jeweils über 80 Frauen dazu ein.

Nach Abwicklung der Geschäfte schwärmen die Frauen in Gruppen in die Gaststätten aus, bewaffnet mit Männerfanggeräten. Als Zeichen der Machtübernahme wird den Herren als Gegenleistung für den geforderten Tanz ein Gläschen Wein offeriert. Im Grasbogenfangnetz zu landen ist eine Ehre für die Herren, die letztlich mit einer Meitlisonntags-Plakette bestätigt wird. Die Spannung ist immer gross, wer in den Fängen der Weiber endet.

Der Meitlisonntag wird in den Restaurants gefeiert. Dort herrscht fröhliches Maskentreiben. Gruppenweise suchen die hübsch kostümierten Frauen und Meitli die Lokale auf und sorgen für eine gute Stimmung. Unter den Masken verbergen sich nur einheimische Frauen und Meitli. Farbenprächtig krönt der Umzug am Meitlisonntag ein erstes Mal die weibliche Regierungszeit. Das Umzugsmotto legen die Vereinigungsvorstände fest. Die Wagenchefinnen und ihre Helferinnen nähen und kreieren, kleben und basteln, zimmern und malen schon Monate vor der Frauenherrschaft Wagen und Kostüme, die zu kleinen Kunstwerken werden. Männer sind nur als Fuhrleute und Musikanten erwünscht, auch wenn in diesem Jahr ausnahmsweise eine Tambourengruppe mitmarschieren darf.

 

Früh übt sich, wer regieren will

 

Der Kindertanz am Meitlimontag bezweckt, dass der Brauch erhalten bleibt und die Freude daran von Kindesbeinen an geweckt wird. Ob Prinzessin, Gartenzwerg, Marienkäfer oder Clown: Die Kinderschar geniesst die festliche Stimmung in der Mehrzweckhalle, während die Jugendlichen der Oberstufe in der Disco feiern. Während des Maskentreibens der Erwachsenen wird das Dorfgeschehen aufgegriffen, worauf  die Gäste mit Spannung warten. Als Höhepunkt gilt die Eierzopfverteilung, die in einer Polonaise endet. Das Verteilen des Eierrings besiegelt die Frauenherrschaft. Die Regentschaft geht um Mitternacht wieder in männliche Hände zurück. Es wird gemunkelt, dass einige Frauen auch nach den Meitlitagen die Regentschaft behalten …



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