Verdingkinder reden

04:04:2013

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Verdingkinder.
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Elke Baliarda.

Die Ausstellung dauert bis zum 24. April  2013

und ist dienstags bis sonntags von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.

 

Im Zentrum der Wanderausstellung stehen Hördokumente von Betroffenen, ausgewählt aus Interviews, die im Rahmen zweier Forschungsprojekte über Fremdplatzierung von Kindern und das Verdingkinderwesen in der Deutschschweiz und in der Romandie geführt wurden. Ehemalige Verdingkinder und Heimkinder berichten über ihr Leben, ihre Erinnerungen und den Umgang mit ihren Erfahrungen.

Verdingung bezeichnet in der neueren Schweizer Geschichte die Fremdplatzierung von Kindern zur Lebenserhaltung und Erziehung. Oft wurden die (faktisch schon durch Behörden entrechteten)Kinder an Bauern vermittelt, von denen sie als günstige Arbeitskraft meist ausgenutzt, misshandelt und missbraucht wurden. Heute haben Kinder und Jugendliche Rechte, besonders wenn sie nicht in ihrer Familie leben können. Das manifestiert sich in der UNO-Kinderrechtskonvention, und dafür setzt sich auch die Pflegekinder-Aktion ein „Verdingkinder reden“ im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen bringt ein Stück dunkle Schweizer Geschichte ans Tageslicht, vor dem man am liebsten die Augen verschliessen möchte. Gleichzeitig stellt sie „die Fremdplatzierung heute“ vor.

 

Elke Baliarda

 

„Das lange verdrängte, vergessene, unterdrückte Schicksal der Verdingkinder – es sind mehr, als man annehmen würde – ragt mitten in unsere Zeit hinein. Viele Betroffene, ihre Angehörigen, ihre Nachkommen trauen sich bis heute nicht zu sprechen. Weil viele von ihnen das, was ihnen widerfahren ist, als persönliches Verhängnis erlebt haben, obschon es nackte gesellschaftliche Gewalt und grosses kollektives Unrecht war. Bleischwer lasten die Scham, die Schande und das Schweigen auf ihren Seelen“, das sagte Ständerat Paul Rechsteiner unter anderem anlässlich der Vernissage dieser Ausstellung in St. Gallen.

 

 

Die Verdingkinder, ein dunkles Kapitel auch in der Ostschweiz, machen heute einen wichtigen Teil in der Sozialgeschichte des Landes aus. Die Wanderausstellung,  im Historischen und Völkerkundemuseum zu Gast, will die Diskussion, die 2009 in Bern eröffnet wurde, in St. Gallen und in der Region weiterführen

Betroffene berichten über ihr Leben und den Umgang mit ihren Erinnerungen. Historisch stecken sie die Jahre 1920 bis 1960 ab. Die Ausstellung klagt nicht an. Sie gibt den persönlichen Berichten Raum. In mehreren Schritten kommt man den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen allmählich näher, in einer vielschichtig und ansprechend inszenierten Ausstellung, die die Besucher in die Welt dieser Verding- und Heimkinder mitnimmt.

 

Die Ausstellung möchte die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema  lenken, das so lange tabu war. Deshalb sind vor allem jene Stimmen präsent, die die Art der Missstände und das Ausmass des erlittenen Leids bewusst machen, obwohl es auch Verdings- und Heimkinder gab, die ihre Kindheit als glücklich beschreiben. Die Geschichte der Fremdplatzierung von Kindern in der Schweiz soll hier samt ihren dunklen Seiten diskutiert werden – das entspricht nicht nur dem Wunsch der Betroffenen, sondern auch der Hoffnung, dafür zu sensibilisieren, sich heute und in Zukunft für das Wohl jener Kinder einzusetzen, die ausserhalb ihrer Familie aufwachsen.

 

„Was geht in einem Kind vor, das von seinen Eltern getrennt wird und in einem ganz neuen Umfeld aufwächst? Wie bewältigt es das Fremdsein, das Fehlen der Eltern, die Ausgrenzung? Wie wird ein Kind durch derartige Erfahrungen geprägt? Und wie integriert es diese in sein späteres Leben?“


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