Von Bildern und anderen Augen

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Das Leben leicht nehmen.
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Diäten fördern Übergewicht.

Seien Sie ruhig etwas toleranter mit sich selber und schenken Sie besonders auch Ihren Pluspunkten die Beachtung, die Sie verdienen. Die ausdrucksvollen Augen, die schönen Hände werden von uns leider zu oft übersehen. Schauen Sie hin!

 

Stellen Sie sich einmal vor, ab morgen kleiden sich alle Frauen nur noch in schmeichelhaften indischen Saris. Was für ein anmutiges und farbenfrohes Bild, vielleicht gefällt es Ihnen auch? Im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Veranstaltungsreihe "Gender Gesundheit: Körperbilder", wozu es am 20. September in Herisau einen Vortrag gibt, habe ich mir so einige Gedanken gemacht zu den Bildern, die wir kreieren, von anderen und von uns selber. Das Erscheinungsbild und das Selbstbild, die Eigen-wahr-nehmung.

 

Franziska Elsaesser

16:09:2010

 

Wie erscheinen wir anderen, wie nehmen wir uns selber wahr? Was ist denn Schein und was Wahrheit in diesem Zusammenhang? Zum tatsächlichen Körperbild gehört das Innen wie das Aussen und oft habe ich den Eindruck, dass hier eine grosse Unstimmigkeit besteht.

Meist sehen uns die anderen viel grosszügiger und attraktiver als wir uns selber. Denn schliesslich kennen wir uns ja so gut. Jedes Pölsterchen an der falschen Stelle wird bemängelt, jede unwillkommene Falte, die Frisur, die nicht sitzt, und so weiter. Ich bin sicher, auch Sie könnten noch einiges beisteuern. Nur, welche Sichtweise entspricht denn nun der Wahrheit und was ist Einbildung oder Zerrbild?

 

Unsere persönliche Traumfigur und die realistische Vorstellung davon stimmen nicht immer überein. Während manche von uns einen gut gepolsterten Po haben, besitzen andere füllige Oberschenkel, wieder andere haben zwar Stecklibeine, aber halt ein kleines Bäuchlein.

Wenn wir uns bemühen, finden die meisten von uns etwas zum Aussetzen, nicht wahr. Doch lohnt es sich Energie zu verschwenden an etwas, woran wir nichts ändern können, weil es von Natur aus gegeben ist? Schlanke Beine mögen zwar schön sein,  aber wenn gleichzeitig die Rippen hervorstehen, finde ich das nicht unbedingt vorteilhaft.

 

Weshalb also sind viele von uns so streng mit sich selber, besonders, wenn es um die eigene Figur geht? Die Ideale. So streng, dass sie sich von einer Diät zur nächsten verleiten lassen, zu Getriebenen werden,  eine dauerhafte  Gewichtsreduktion dabei oft eher Glückssache ist.

 

Natürlich sind wir uns wohl alle einig, dass ein vernünftiges Gewicht eindeutig von Vorteil ist. Weder Herzbeschwerden, Rückenschmerzen, Gelenkprobleme noch Bluthochdruck als Begleiterscheinungen von Übergewicht sind etwas, das wir in Kauf nehmen sollten. Wir alle kennen die gesundheitlichen Nachteile, wenn sich zu viel Fett um die Taille ansammelt und ausserdem sind Kleider, die kneifen schlicht unangenehm, schränken ein. Kein Zweifel.

 

Davon will ich gar nicht reden. Mir geht es vielmehr um die vielen Menschen, die keine gesundheitlichen Probleme haben und die sich an einem vermeintlichen, von anderen kaum wahrgenommenen Schönheitsmakel stossen.

Wie wir seit Längerem wissen, ist dieses Phänomen leider bereits bei unseren Jüngsten zu beobachten und mittlerweile gibt es unzählige Menschen, zu deren treuen Begleitern seit vielen Jahren die verschiedensten Diäten gehören.  Und bei jeder handelt es sich selbstverständlich um die bahnbrechende, die einzig wirklich erfolgversprechende, die noch nie da gewesene. Zur Unterstützung sind zudem ausgeklügelte Diätprodukte erhältlich - nicht ganz billig, doch zusammengestellt nach den höchsten wissenschaftlichen Standards.

Betrachtet man demgegenüber die stetige Zunahme der Zahl von Übergewichtigen in der westlichen Welt, lässt sich einfach erkennen, dass die damit einhergehende Zunahme von Diätangeboten keine Abhilfe geschaffen hat. Vielmehr scheint mir, müsste man sich fragen, ob nicht eher ein Zusammenhang besteht: mehr Diäten, mehr Leute mit Gewichtsproblemen.

Wenn die Aufmerksamkeit ständig auf dem Essen liegt, ist man schon beinahe gefangen im Esswarteraum, im Mangelgefängnis. Zudem bewirkt eine drastische Einschränkung der Nahrungszufuhr einzig, dass unser körpereigenes Warnsystem loslegt: Achtung Hungersnot! Die natürliche Reaktion auf diese Botschaft besteht darin, dass wir ein grösseres Hungergefühl verspüren und mehr essen wollen. Der Beginn des Teufelskreises.

Und so kenne ich leider nur zu viele Diätgeschädigte, Leute, die sich als Versager sehen, die einem unablässigen Wechselspiel von aufkeimender Hoffnung und tiefer Frustration ausgesetzt sind.

 

Was können wir also tun, wenn wir tatsächlich etwas ändern und uns selber besser gefallen möchten?

Für mich persönlich liegt die Antwort darin, wie wir uns fühlen und was wir ausstrahlen. Denn das zu beeinflussen ist viel einfacher, schliesslich gibt es im Leben noch so viel mehr zu geniessen.

Wäre es demnach nicht hilfreicher, uns auf etwas zu konzentrieren, das uns freut? Denn diese Freude spiegelt sich sofort in unserem Gesicht wider, unser Gang wird aufrecht, beschwingt und unsere Lebensfreude überträgt sich auf die Menschen, die uns begegnen.

Was wärmt das Herz mehr als ein liebevoller Blick und ein offenes Lächeln -  wer bemerkt dann noch die kleine Rolle über dem Gürtel? Und überhaupt, wer sich mit selbstbewusster Anmut bewegt, kann auch einen Minirock tragen, selbst wenn die Figur nicht unseren gängigen Minirocknormen nicht entspricht.

Unsere Ausstrahlung können wir immer verstärken, von der Jugend bis ins hohe Alter. Ich bin sicher, Sie kennen viele Leute, denen dies gelingt; mir selber kommt jetzt zum Beispiel gerade Vanessa Redgrave in den Sinn im Film Briefe an Julia. Sie ist 73 und wunderschön. 

Seien Sie also ruhig etwas toleranter mit sich selber und schenken Sie besonders auch Ihren Pluspunkten die Beachtung, die sie verdienen. Die ausdrucksvollen Augen, die schönen Hände werden von uns leider zu oft übersehen. Schauen Sie hin! Und wenn Sie sich im Sari vorstellen oder in einem schönen Abendkleid, wie geht es Ihnen dann?

 

Zudem hat sich der Sommer eh verabschiedet, der Bikinidruck lässt Gott sei Dank nach. Und so kann es ja auch gut sein, dass es ihn in Ihrem Leben nicht mehr geben wird. Gleich vom nächsten Sommer an.


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