Ein Hauch Utopie am 8. März - und der Balkan macht mit!

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Können Blumen für 364 Tage Entbehrung und Aufopferung genug entschädigen?
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Für viele Frauen auf dem Balkan ein ewiges Dilemma, für Europäerinnen längst klar.

Die luxemburgische EU-Kommissarin Viviane Reding sprach sich 2008 für eine Abschaffung des Internationalen Frauentags aus: „Solange wir einen Frauentag feiern müssen, bedeutet das, dass wir keine Gleichberechtigung haben."

Es ist wieder Mal soweit - der Internationale Frauentag steht vor der Türe und wird in einigen Ländern Europas nach alter Tradition zu einer kitschigen Parodie verkommen. Eigentlich ein Tag, an dem Frau an die wirtschaftlichen, politischen und menschlichen Errungenschaften ihrer Vorgängerinnen erinnert werden sollte. Doch in einigen Ecken Europas sieht dies etwas anders aus…

 

Nina Nuhodzic

15:03:2010

 

Wie leben Frauen im modernen Pulverfass Europas? Wo sind die emanzipierten Frauen?

Während meiner Schulzeit in einem zerrütteten Nachkriegsland, das sich noch die frischen Wunden leckte, durfte ich oft die seltsamen Rituale am Weltfrauentag beobachten, ja sogar aktiv mitmachen.
Das Schulgebäude überfüllt von Schülern, Flüchtlingen und Stadtkindern aus dem ganzen Land, die Klassenzimmer provisorisch eingerichtet aus alten Relikten einer jugoslawischen Urzeitbildung. Unsere Lehrerinnen waren damals restlos überfordert mit der Schar traumatisierter Kriegskinder, die sie täglich zu bändigen hatten. Ein undankbarer Job, aber jemand musste es ja machen…

 

Umso mehr freute ein Vorwand, sich geschätzt zu fühlen, eben wie die Frauen im Westen, die über Satellitenfernsehen auf die heimischen Bildschirme in unsere (durchaus bescheidenen) Wohnzimmer gezaubert wurden. Gefangen in den Trümmerhaufen der Gebäude und zwischen kaputten Menschenleben hatten die Frauen damals nicht viel zu erwarten. Wir Kinder plünderten die gähnend leeren Sparschweine, um für unsere Lehrerinnen billige Blümchen in raschelnder Plastikhülle zu kaufen.

 

Plötzlich war der Tag für die Frauen nicht mehr so trüb, der Blick ging nicht so oft ins Endlose durch die vergitterten Fenster…auf die Fassaden einer ehemals schönen Hauptstadt, die jetzt aussah wie alle Kriege der Welt. Wenn die Lehrerinnen am Abend die grossen, vergriffenen Klassenbücher zuklappten und ihre vergängliche Blütenpracht nach Hause brachten, waren sie für einen Tag wieder Frau gewesen…

 

Als Frau bekommt man an diesem Tag Blumen, Geschenke, am Arbeitsplatz spendiert der Arbeitgeber ein Fest, einige Ehemänner überwinden ihr Männerbild und führen die Damen zum Essen aus. Für die aussenstehende Leserin doch ein Grund zum Schmunzeln - oder finden Sie diesen Gedanken nicht angenehm?

Die Emanzipation existiert auf dem Balkan seit unbestimmter Zeit, wenn auch nicht für alle Frauen. Entschieden allein nach Herkunft und Bildungsmöglichkeit, kann so ein Frauenleben ganz unterschiedlich verlaufen. Dabei ist es interessant, dass die Frauen heute mehr Freiheiten und Selbstbestimmung besitzen als ihre Grossmütter.

 

Der Unterschied zu vielen Europäerinnen ist aber, dass sie für sich selber ihre Freiheit und Gleichstellung leben, es aber nicht an die „grosse Glocke“ hängen. Wie immer im Leben funktionieren unsere Frauen mächtig im Hintergrund.

In einem Land, in dem eine Leichenstarre in der Gesellschaft eingesetzt hat, werden Frauen immer weniger als etwas Besonderes wahrgenommen. Trotzdem gibt es sie, die grossen Weltenbummlerinnen, Migrantinnen, Karrierefrauen, weibliche Pioniere meiner Heimat. Ohne ihren Mut wäre ich, wie viele andere auch, bildungslos und gestraft mit einem stillen Leben, geprägt von einem engen, einsamen Horizont, der an meiner Haustüre endet.

 

Ich persönlich bin der Meinung, dass es keinen speziellen Tag geben muss, um regelmässig dankbar zu sein für die Veränderungen, die eingetreten sind…ob in der Schweiz oder auch anderswo. Frau sein ist zwar nicht überall ein lebenslanger Traumjob, aber als Migrantin in der Schweiz fasziniert mich die Selbstverständlichkeit der Freiheit bei den Schweizerinnen, auf die diese reichlich stolz sein dürfen.


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