Weniger Adoptionen – ein Zeichen der Zeit

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20. November 2010: Tag der Adoption in dne USA.
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Hätte beinahe ein Adoptivschwesterchen bekommen: Eva Grundl, Chefredaktorin ostschweizerinnen.ch.Bild: Gebhardt.

Adoptions-Voraussetzungen für Eltern

Ehepaare können ein Kind gemeinschaftlich adoptieren, wenn sie mindestens fünf Jahre verheiratet oder mindestens 35 Jahre alt sind.  
Unverheiratete Personen können adoptieren, wenn sie mindestens 35 Jahre alt sind. 
Zudem können Kinder eines Ehepartners, einer Ehepartnerin adoptiert werden, wenn ein Paar mindestens 5 Jahre verheiratet ist (Stiefkind-Adoption). 
Adoptiveltern müssen mindestens 16 Jahre älter sein als das Kind.
 
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen rechtlich weder gemeinsam ein Kind noch ein Kind des Partners oder der Partnerin adoptieren. 
Leihmutterschaft ist in der Schweiz verboten. 
Das Parlament wird in den nächsten Monaten über Erleichterungen bei den Altersvorgaben entscheiden.

In der Schweiz ist die Anzahl Adoptionen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen: Von 1600 im Jahr 1980 auf 500 im Jahr 2009, wie aus einer jüngst veröffentlichten Studie des Bundesamts für Statistik hervorgeht.

 

Clare O'Dea

09:01:2011

 

Im Jahr 2009 kamen gemäss der Studie auf 1000 Geburten noch 7 Adoptionen. 1980 waren es noch 20 Adoptionen auf 1000 Geburten gewesen.
 
Mit dem gesellschaftlichen Wandel der vergangenen Jahrzehnte hat sich aber nicht nur die Zahl der Adoptionen, sondern auch deren Muster verändert.
 
1980 waren noch vor allem Minderjährige aus der Schweiz adoptiert worden, heute gibt es mehr Adoptionen aus dem Ausland. Insgesamt werden mehr Mädchen als Knaben adoptiert.
 
1980 waren zudem noch zwei Drittel der Adoptionen innerhalb von Familien erfolgt, oft wenn ein Mann Kinder adoptierte, welche die Frau in die Ehe mitbrachte. Heute machen Adoptionen innerhalb von Familien nur noch einen Drittel aus.
 
Dass es weniger Adoptionen gibt, hat auch damit zu tun, dass ledige Mütter heute in der Gesellschaft besser akzeptiert werden, und dass die Zahl unerwünschter Schwangerschaften zurückgegangen ist.
 
1980 waren in der Schweiz noch etwa 300 Kinder zur Adoption freigegeben worden, heute sind es pro Jahr noch zwischen 25 und 30.


 

Kinder in Not

Internationale Adoptionen waren immer wieder umstritten, weil es keine allgemein gültigen Standards gab, gleichzeitig aber weltweit viele Kinder, die teilweise in arger Not lebten.
 
Die schockierenden Bilder von Kindern in Waisenhäusern und Heimen in Rumänien und China, die vor rund 20 Jahren um die Welt gingen, sind heute noch im kollektiven Gedächtnis verankert.
 
"Anders als damals gibt es heute in vielen der früher häufigen Herkunftsländer eine Gesellschaftsschicht, die selber Kinder adoptieren kann", erklärt Rolf Widmer von der Schweizer Fachstelle für Adoptionen gegenüber swissinfo.ch.
 
"Das Haager Adoptions-Übereinkommen zielt darauf ab, dass Kinder wenn möglich von Familien in ihren Heimatländern adoptiert werden und nur für internationale Adoptionen freigegeben werden, wenn sich keine andere Lösung findet", sagt Widmer. Das habe erste Priorität.
 
Die Haager Konvention wurde 1993 verabschiedet und bis heute von rund 80 Ländern unterzeichnet. In der Schweiz trat das Abkommen 2003 in Kraft.
 
Weltweit gebe es mehr Leute, die auf legalem Weg ein gesundes Kleinkind adoptieren wollten als solche Kinder, erklärt Marlène Hofstetter, die Leiterin des Adoptivdienstes des Kinderhilfswerks Terre des hommes.
 
"Dank dem Haager Abkommen haben viele Länder ihre Strukturen und Gesetze verbessert und finden im eigenen Land Lösungen für betroffene Kinder. Und da immer noch sehr viele Leute Kinder adoptieren wollen, haben viele Staaten die Anforderungen nach oben geschraubt, was Alter, Gesundheit und Einkommen Adoptivwilliger angeht, um die Nachfrage einzuschränken."


 

Gute Vorbereitung

Hofstetter denkt auch, dass sich die Einstellung möglicher Adoptiveltern ändern muss. "Die Herausforderung im Bereich Adoptionen ist, dass sich künftige Eltern besser bewusst werden müssen, dass Kinder, die eine Adoption brauchen, wahrscheinlich eher etwas älter sind oder gesundheitliche Problemen oder eine Behinderung haben."
 
Auch Widmer sagt, dass vor allem ältere Kinder eine Familie am meisten brauchen. "Das sind die Kinder, die in den Heimen zurückbleiben und oft wirklich niemanden haben. Und dies ist eine sehr grosse Herausforderung für Adoptiveltern. Denn ein solches Kind hat schon seine eigene Geschichte, die es mit sich bringt."
 
Mögliche Adoptiveltern müssten sich gut auf die Herausforderungen vorbereiten, die sich stellten, einem Kind mit solchen Erfahrungen eine liebevolle Umgebung und ein Zuhause zu bieten, sagt Widmer.
 
Auch Christine Piffaretti von der Westschweizer Organisation Espace Adoption in Genf teilt diese Ansicht. Wer in Betracht ziehe, ein älteres Kind zu adoptieren, müsse sich diesen Entscheid gut überlegen. Auch sie verweist darauf, wie wichtig es sei, dass sowohl die möglichen Eltern als auch das Kind sehr gut vorbereitet würden.
 
"Wenn es um Adoptionen aus einem anderen Land geht, kann man nicht vorsichtig genug sein, vor allem, wenn es um ein älteres Kind geht", sagt Piffaretti. "Eine internationale Adoption sollte immer nur die letzte Möglichkeit sein, und immer im Interesse des Kindes."


 

Teurer Traum

Potentielle Schweizer Eltern, die für eine internationale Adoption als geeignet in Betracht gezogen werden, müssen sich nach den ersten Schritten auf weitere Verzögerungen und Hindernisse einstellen, bevor sie damit rechnen können, ein Kind mit nach Hause zu bringen – und viele geben im Verlauf des Verfahrens ihre Pläne schliesslich auf.
 
Einige Paare sind zudem bereit, in ihrem Streben nach einem Traumbaby hohe Gebühren oder "Spenden" zu entrichten, die Agenturen oder Kinderheime fordern.
 
Eine Schweizerin, die in Zentralamerika ein Kind adoptierte, erklärte swissinfo.ch, sie habe eingewilligt, dem Waisenhaus, mit dem sie über die Adoption verhandelte, 20'000 Dollar zu bezahlen, um das Verfahren zu beschleunigen.
 
"Wenn Geld ins Spiel kommt, steigt das Risiko von Kinderhandel", warnt Hofstetter. "Wenn Leute ohne Beizug einer anerkannten Adoptionsagentur versuchen, ein Kind zu finden, besteht die Tendenz, dass sie nicht weiter sehen als bis zu ihrer Nasenspitze", so Hofstetter.
 
"Sie können sich unter Umständen auch in Ländern umsehen, die für dubiose Praktiken bekannt sind." Oft wollten solche Leute ein Kind um jeden Preis.
 
Neben den Adoptionen stehen Paaren, die Probleme mit der Fruchtbarkeit haben, heute auch andere medizinische Optionen offen als früher, ein eigenes Kind zu kriegen. So kommen heute in der Schweiz dank moderner Reproduktionsmedizin jedes Jahr etwa 3000 Kinder zur Welt.

Textquelle: RadioSRI/ swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch).


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