Gertrud Wydlers letztes Loslassen

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Gertrud Wydler, hier im Jahr 2007. Bild: gä.
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"In China geboren" - der Band erschien zum 80. Geburtstag von Gertrud Wydler.

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Die im hohen Alter mit zwei autobiographischen Büchern bekannt gewordene Gertrud Wydler-Seipel, die lange in Herisau und Schönengrund lebte, ist im 92. Altersjahr in einem St. Galler Alters- und Pflegeheim gestorben.

 

Hanspeter Strebel

27:09:2010

 

Gertrud Wydler wurde 1919 in China als Tochter eines Missionarsehepaars geboren. Nach einem Heimaturlaub in der Schweiz entschlossen sich die Eltern, sie zusammen mit ihrer älteren Schwester für die nächsten zehn Jahre im Kanton Aargau zu Pflegeeltern zu geben, weil es für Mädchen in China damals keine Schule gegeben hätte.

Den zweijährigen Sohn nahmen sie mit. Kurz vor der Abreise verstarb die Schwester der vierjährigen Gertrud. Sie musste also bereits in ihrer frühestens Jugend lernen loszulassen, was ihr Leben immer wieder prägen sollte.


 

19 Jahre in Ausserrhoden

Im Alter von 20 Jahren heiratete sie nach einer kaufmännischen Lehre den Psychologen und Therapeuten Walter Wydler. Das Paar zog fünf Kinder gross.

Die Familie, die neben den Kantonen Zürich und Aargau auch 13 Jahre in Deutschland lebte, zog berufsbedingt häufig um. Immer wieder galt es auch örtlich loszulassen. 1982 kamen Gertrud und Walter Wydler nach Herisau, wo sie eine eigene Praxis als Kinderpsychotherapeutin eröffnete, nachdem sie sich inzwischen in Deutschland dazu ausgebildet hatte. Bis zum Tod Walters nach 62 gemeinsamen Ehejahren lebten sie dann 13 Jahre in Schönengrund.

Zuletzt wohnte Gertrud Wydler in Arbon und entschloss sich schliesslich 2005 zu einem erneuten Loslassen mit dem Übersiedeln in das Wohn- und Pflegehaus Wienerberg am St. Galler Rosenberg, obwohl sie ihren Alltag noch weitgehend selber bewältigen konnte. Dort ist sie nun verstorben.


 

Zwei Autobiografien

Ihr Leben hat sie in späten Jahren selber in zwei überraschend gut aufgenommenen Büchern dokumentiert.

Das Preisgeben von Privatem aus der bewegten Familiengeschichte mit zahlreichen Schicksalsschlägen kostete sie einige Überwindung und kam erst auf Drängen von Interessierten zustande. Aber Gertrud Wydler wollte anderen Menschen Mut machen, deren eigene Erfahrungen zum Klingen bringen und sie ermuntern, sich auf den je eigenen Weg zu begeben. Zum 80. Geburtstag erschien im Appenzeller Verlag «In China geboren».

Im ersten Teil ist die Lebensgeschichte ihrer willensstarken Mutter erzählt. Im zweiten führt Gertrud Wydler die Chronik weiter und bringt ihre eigene Perspektive samt dem Erleben zahlreicher Schicksalsschläge ein. Das Buch wurde zu einem schönen Verkaufserfolg und führte zu grosser Beachtung in den Medien. Dies brachte Gertrud Wydler zahllose Auftritte zu Lesungen und Diskussionen in kleineren und grösseren Zirkeln.

Mit 88 Jahren brachte sie – erneut im Appenzeller Verlag – ihr zweites Buch «Allem Abschied voran» heraus, erneut recht erfolgreich. Der Untertitel «Loslassen und frei sein im Lebensabend» zeigt, wie sie dem Unausweichlichen gelassen entgegenblickte und bereit war, darüber zu sprechen, wie es nicht viele vermögen. Gertrud Wydlers Altersbücher haben bewegt und zum Nachdenken verholfen.

Quelle: www.appenzellerzeitung.ch.


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