Das rätselhafte Weib

Bild
Entführung, Opus VI 'der Handschuh', 1882 /III Ausgabe. Radierung, 63 x 44,9 cm, Inv. Nr.: KA(FP) 18209 D
Bild
Entsetzen, Opus XIV 'Zelt', 1915. Ex. 53/110, Radierung, 58,3 x 40 cm; Leihgabe Sammlung Neuerburg

Das rätselhafte Weib
Bis 6. Januar 2013
Stiftung Museum Kunstpalast

Museum Kunst Palast
Ehrenhof 4-5
D - 40479 Düsseldorf
T: 0049 (0)211 8992460
E: info@museum-kunst-palast.de
W: http://www.museum-kunst-palast.de

Öffnungszeiten:
Di bis So 11 – 18 Uhr
Donnerstag 11 - 21 Uhr

Zu den großen Themen des ausgehenden 19. Jahrhunderts gehörte die Beziehung der Geschlechter. Das Hauptinteresse galt dabei der «Enträtselung» des weiblichen Wesens, das als Abweichung von der Norm, d.h. von der Natur des Mannes, verstanden wurde. Auch der Maler, Bildhauer und Graphiker Max Klinger (1857- 1920) beschäftigte sich in seinem Werk immer wieder mit den gesellschaftlichen Bedingungen von Liebe und Sexualität. In der Ausstellung «Max Klinger. Das rätselhafte Weib» wird die Auseinandersetzung mit diesem Thema anhand von zwei sehr unterschiedlichen graphischen Zyklen des Fin de Siecle-Künstlers visualisiert.

 

Quelle. kultur-online.net

01:01:2013

 

In dem frühen Werk «Ein Handschuh» (1882, 10 Blätter und ein Deckblatt) schildert Klinger in wenigen Bildern einen (Alp-)Traum, den der Fund eines Handschuhs, eines Symbols für die Frau, bei dem männlichen Protagonisten auslöst. In seinem letzten Zyklus «Zelt» (1915, 46 Blätter verteilt auf zwei Teile mit je einem Deckblatt und Inhaltsverzeichnis), erfindet er ein fantastisches Märchen, in dem detailliert die unterschiedlichsten Formen der Liebe bis hin zu Gewalt und Tod dargeboten werden. Die Gegenüberstellung bei der Folgen verdeutlicht nicht nur Klingers innere sondern auch seine enorme stilistische und technische Entwicklung.

Der «unvergleichlich erfinderische, dämonisch-geniale Max Klinger», als der ihn der berühmte etwa gleichaltrige, dänische Literaturkritiker Georg Brandes bezeichnete, hat sich in allen Phasen seines Lebens mit den Themen Liebe und Tod als den wesentlichen Elementen menschlicher Existenz befasst. Für das wilhelminische Deutschland waren seine Darstellungen von unehelichen Liebesbeziehungen, Prostitution, Vergewaltigung, Schwangerschaft und Abtreibung schockierend neu. Genauso ungewöhnlich war es noch viele Jahre vor den Forschungen von Sigmund Freud, die psychische Verfassung und die Empfindungswelt eines unglücklich verliebten jungen Mannes darzustellen, der einerseits von Sehnsucht und sexuellem Verlangen, andererseits von Ängsten und Gefühlen der Ohnmacht beherrscht wird, wie dies in «Ein Handschuh» mit deutlich autobiografischen Anspielungen geschehen ist.

Das «Unbehagen am Weibe» - hervorgerufen durch den ständigen Wechsel zwischen Faszination und Beunruhigung - ist eine Gefühlslage, die Klinger bis zuletzt prägte und ihn in einem Brief an seine langjährige Lebensgefährtin Elsa Asenijeff, eine aktive Frauenrechtlerin und ausgesprochene «Männerverachterin», bemerken ließ: «Könntest Du Dir nicht ein Zusammenleben denken, wo Jeder seine Zeit seinen Willen hätte ... und man sich mehr gäbe und liesse, sich gegenseitig mehr achtete und doch liebte, weißt Du, liebte mit Herz und Kopf. Jeder als Person. ... Aber leben, lieben und theilen, Alles was es sei und doch zwei Menschen bleiben - wäre das nicht schön?»

Durch die direkte Gegenüberstellung von «Ein Handschuh» und «Zelt» wird nicht nur das komplexe Thema der Beziehung der Geschlechter, für das in der Zeit von 1890 bis zum Ersten Weltkrieg auch der Begriff des «Geschlechterkampfes» geprägt wurde, facettenreich dargestellt, auch Klingers Einfallsreichtum und die Experimentierfreudigkeit bei dem Einsatz graphischer Techniken wird sichtbar. Während er für «Ein Handschuh» bereits häufig Radierung und Aquatinta auf einem Blatt mischte, werden bei «Zelt» sämtliche Register gezogen, so dass zusätzlich Strichätzungen, Schabkunst und Kaltnadel zur Anwendung gelangen, um Stimmungen besonders eindrucksvoll herauszuarbeiten.

Wie aktuell die von Klinger dargestellten Liebes- und Leidensgeschichten heute noch sind, verdeutlicht beispielsweise das Lied «Un guanto» des italienischen Cantautore Francesco de Gregori, das von Ein Handschuh inspiriert, sich eng an den Zyklus anlehnt und Teil des 1996 von de Gregori veröffentlichten Albums «Prendere et lasciare» ist. In der Ausstellung besteht die Möglichkeit, diese moderne Interpretation des ausklingenden 20. Jahrhunderts in direkter Verbindung mit den graphischen Originalen des Stars der deutschen Kunstwelt um 1900 zu erleben.


zurück            Diesen Artikel versenden            Mein Kommentar zu diesem Artikel
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch