Die Zukunft fest im Visier

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Beda Meier leitet das Kompetenzzentrum Integration, Gleichstellung und Projekte.
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Es gibt noch immer viel zu tun bei der Gleichstellung der Geschlechter.

Empowerment als Strategie der Ermächtigung und Ermutigung, die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern als Dauerthema und eine von Umbrüchen geprägte Gesellschaft, die neue Perspektiven auch in puncto Gleichstellung braucht und eröffnet. ostschweizerinnen.ch hat Beda Meier, Leiter des Kompetenzzentrums Integration, Gleichstellung und Projekte IGP Kanton St. Gallen, zu diesem Themenkomplex befragt.

 

Eva Grundl

21:09:2009

 

Herr Meier, wie ist im IGP der Begriff des Empowerment für Frauen definiert und welche Strategien der Umsetzung praktiziert das IGP in seiner Arbeit?

 

Empowerment verfolgt einen Humankapitalansatz, der auf einen knappen Nenner gebracht besagt: Wenn Frauen und Männer in bestimmten Bereichen besser werden, verbessert sich die Gleichstellung.

Empowerment ist eines unter mehreren Elementen auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann. Es stösst dort an Grenzen, wo die Rahmenbedingungen - rechtliche, institutionelle, strukturelle - der tatsächlichen Chancengleichheit Grenzen setzen.

Deshalb engagiert sich das IGP auch für verbesserte Rahmenbedingungen, sei es bei der Lohngleichheit und dem chancengleichen Zugang zu Jobs oder bei der Vereinbarkeit von privaten Engagements und Erwerbsarbeit.

 

Der Anteil von Frauen in der Schweiz, die in Teilzeit beschäftigt sind, liegt bei circa sechzig Prozent. Das ist verbunden mit Folgen wie der schlechteren sozialen Absicherung, geringeren Weiterbildungsbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen. Was muss getan werden, um mehr Frauen in die Vollbeschäftigung zu bringen?

 

Die Kernfrage für das IGP ist im Moment nicht, was zu tun ist, damit mehr Frauen Vollzeitstellen annehmen. Uns beschäftigt mehr, wie Teilzeitanstellungen für Männer an Attraktivität gewinnen.

Im Zentrum der Überlegungen steht dabei der 'Abschied vom Ernährerlohnmodell' und damit von der ungeschriebenen Norm der Hundertprozentanstellung als Regelfall, auf den auch das System der sozialen Absicherung abstellt.

Längerfristig müssen wir von Teilzeit als Regelfall ausgehen, unter anderem damit private gemeinnützige Engagements, ohne die unser Gemeinwesen nicht mehr funktionsfähig wäre, innerhalb und ausserhalb von Familien auch weiterhin möglich sind.

Das bedeutet allerdings, dass auch das System der sozialen Absicherung auf eine neue Basis gestellt werden müsste.

 

Das Thema Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern ist ein 'Dauerbrenner' in der Gleichstellungspolitik. Wie lauten Ihre Empfehlungen für die Frauen selbst, sich aktiv für einen gerechten Lohn einzusetzen?

 

Wir wissen, dass sich Frauen und Männer in Bewerbungsgesprächen und bei Lohnverhandlungen unterschiedlich verhalten. Männer sprechen Lohnfragen selbstverständlicher und offensiver an.

Ein Schlüssel liegt darin, dass Frauen in ihrer Vorbereitung auf entsprechende Gespräche Lohnfragen bewusst gleich gewichten wie andere jobrelevante Aspekte. Oder in Betracht ziehen, sich in einem speziellen Bewerbungskurs für Frauen mit ihrem eigenen Bewerbungsverhalten auseinanderzusetzen.

 

Bei den ehrenamtlichen und freiwilligen Tätigkeiten übernehmen Frauen im Rahmen der informellen Freiwilligenarbeit weitaus häufiger unbezahlte Hilfeleistungen für Verwandte oder Bekannte als Männer. Wie sieht es im Kanton SG mit der Anerkennung dieses Engagements aus, das die Frauen leisten?

 

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Freiwilligenarbeit rückt auch im Kanton St.Gallen erst allmählich ins Bewusstsein. Wer sich beispielsweise mit der demographischen Entwicklung auseinandersetzt wird realisieren, dass die zunehmende Alterung der Bevölkerung auch eine Zunahme bei den Pflegekosten mit sich bringt.
Würden auch die freiwillig erbrachten Leistungen voll monetarisiert, wäre die Altenpflege unter keinem Titel mehr finanzierbar.

Ein erster Schritt wurde im Kanton mit dem Demographiebericht gemacht, der diesen Herbst im Kantonsrat diskutiert wird und unter Anderem mehr Anerkennung für Freiwilligenarbeit vorschlägt.

Aus Sicht des IGP ist eine stärkere Anerkennung der Freiwilligenarbeit der Frauen unbestritten. Und unbestritten ist auch, dass Männer in der Freiwilligenarbeit stärker gefragt sind. Wenn es mittelfristig gelingt, dass Teilzeitarbeit auch für Männer zum Regelfall wird, dürften sie auch in der Freiwilligenarbeit präsenter werden.


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