Die weisse Rose

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Martha Beéry-Artho: Der erste Eindruck entscheidet.
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Die Geschwister Scholl und ihre MitstreiterInnen hatten einen Hoffnungsschimmer über Nazi-Deutschland gebracht - und mit dem Leben bezahlt.

Das Einsteinhaus in Ulm finden Sie hier.

Ich hatte noch eine Tageskarte für eine Fahrt nach Deutschland – entschied mich für Ulm – nicht zu weit weg von St. Gallen – gut erreichbar – mit verschiedenen Museen und einer Gedenkstätte der Geschwister Scholl. Seit langem für mich Vorbilder als mutige junge Menschen, die nicht bereit waren, mit der Masse mitzudenken und einem Führer zu folgen.

 

Martha Beéry-Artho

23:11:2011

 

Es war mir ein Anliegen, mir über die Denkweisen in unserer Gesellschaft klar zu werden. Eine Wirtschaftsgesellschaft, die den Diktaten der Wirtschaft folgt oder vielleicht schon zu folgen hat. Ich wollte versuchen, wieder etwas klarer denken zu können, mich in die Wege von Menschen zu vertiefen, die sich nicht „verführern“ liessen.

Im Einsteinhaus der Volkshochschule Ulm ist diese Gedenkstätte gleich beim Eingang. Eine grosse Schaumstoffskulptur mit der Familie Simpson (die mit den farbigen viereckigen Köpfen), hingeflätzt auf einem Sofa, stand da und prägte den Raum unübersehbar. So der erste Eindruck und Schreck.

Erdrückend unverwechselbar amerikanische Comics Figuren im Eingangsbereich einer Gedenkstätte, die eindrücklich von der Weigerung jener jungen Leute erzählt, in der Nazijugend Bewegung mitzumarschieren. Die ihre Weigerung öffentlich kundtaten und einige davon es mit dem Leben bezahlten.

Ich weiss, dass sich der erste Eindruck durch eine Gehirnleistung genannt Priming einprägt und nicht wieder gut gemacht werden kann. Trotzdem versuchte ich die Plastikskulptur auszublenden. Ich ging irritiert durch den Raum, las die Geschichten, versuchte mich einzustimmen, hineinzudenken, hineinzuversetzen und hatte permanent diese riesige Figur mit einer, vor dem Fernseher mit seinen Botschaften, versammelten Familie im „Hinterkopf“ wenn nicht buchstäblich im Nacken.

Es war mir ein Anliegen, die Leitung des Zentrums auf meine Irritation aufmerksam zu machen. Dazu wartete ich bis 15.00 auf die Öffnung des Büros. Als niemand kam, entschloss ich mich, beim Büro der Gedenkstätte anzuklopfen und nach der Leitung zu fragen.


Nein, es sei niemand mehr da, schliesslich sei ja Freitagnachmittag und diese Figur, die sei ja nur vorübergehend da, es tue ihnen leid, wenn ich jetzt extra aus der Schweiz gekommen sei, aber die Volkshochschule sei ein Ort mit vielfältigen Aktivitäten von Cabaret bis….ja bis wohin?

Bis zum gedankenlosen Umgang mit einer Gedenkstätte, vorübergehend oder nicht…. Und es geht mir nicht nur um mich. Es geht mir um die 3 anderen Personen, die an diesem Freitagnachmittag diese Stätte besucht haben, vielleicht andere schon vorher, hoffentlich andere nach mir.

Ich muss gestehen, dass ich mir auch Sorgen mache um die Leute, die nicht mehr wahrnehmen, dass eine Gedenkstätte für Widerständige gegen das Nazigedankengut kein Abstellplatz für Comics Figuren ist, auch nicht vorübergehend. Am Donauufer versuche ich meine Gedanken zu ordnen. Zu beschreiben was mich beschäftigt. Die an den ausländischen Kleinhändlern begangenen Morde kommen mir in den Sinn…

Und dann, obschon ich weit und breit keinen Blumenladen gesehen hatte, war ich überzeugt, einen zu finden. Ich kaufte eine weisse Rose, eilte zurück zur Gedenkstätte, erbat mir eine Vase und stellte die Rose neben die Tafel, die für Sophie Scholl da war, dies mit einem Versprechen.


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