Stimmen gegen die Mädchenbeschneidung

Bild
130 Millionen Mädchen sind weltweit schätzungsweise durch Beschneidung gequält worden.
Bild
Das beschnittene Topmodel Waris Dirie kàmpft weltweit erfolgreich gegen die Mädchenbeschneidung.

Mädchenbeschneidung

Unter www.unicef.de erfahren Sie mehr über die Beschneidungen und dieser Link informiert zu den laufenden Kampagnen.


Buchtipp:

Verschiedene Bücher zum Thema hat die selbst beschnittene Waris Dirie verfasst, deren Schwester und zwei Cousinen an den Folgen einer Beschneidung starben. Das ehemalige Topmodel und die Bestsellerautorin ist UN-Sonderbotschafterin. In „Schmerzenskinder“ beschreibt sie ihr Leben von dem Tag an, an dem sie ihr Schweigen brach. Sie berichtet von Begegnungen mit Opfern und Tätern, von den mühsamen Recherchen, von Rückschlägen und Erfolgen. „Schmerzenskinder“ ist erschütternd, doch ein Buch auch voller Hoffnung und Kraft für Millionen Frauen auf der Welt.


Schmerzenskinder
Waris Dirie
Ullstein Taschenbuch Verlag, 2006
ISBN 10-3-548-36886-7
EAN 9783548358863

Stellen Sie sich vor, Sie werden von „lieben Tanten“ mitgenommen und sind voller Hoffnung, dass nun etwas ganz Besonderes mit Ihnen geschieht: Sie werden zur Frau gemacht. Dass dies mit unsäglichen Schmerzen verbunden ist und Sie vielleicht um Ihr Leben kämpfen müssen – das wissen Sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht …

 

Cornelia Forrer

09:03:2010

 

Mehr als 130 Millionen Frauen und Mädchen sind weltweit beschnitten; in der Schweiz schätzt man die Zahl auf 6700. Damit muss alle zehn Sekunden ein Mädchen auf der Welt ein fürchterliches Schicksal erleiden. Die Beschneidung hat gesundheitliche Folgen und Nebenwirkungen, die ein Leben lang Auswirkungen haben. Neben dem Verlust der körperlichen Integrität, schweben beschnittene Mädchen oft in Lebensgefahr oder müssen den Akt gar mit dem Leben bezahlen.


Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes verlangt die Abschaffung der rituellen Handlungen, die der Gesundheit von  Kindern schaden. Die weibliche Genitalbeschneidung ruft jedoch neben den afrikanischen Ländern auch weltweit zum Handeln auf, denn durch die Migration leben weltweit beschnittene Mädchen und Frauen. In der Schweiz alleine hat jede/r siebte Gynälogin/Gynäkologe mit einer beschnittenen Frau Kontakt. Das geht aus einer UNICEF-Umfrage aus 2004 hervor. 208 gaben damals an, von mindestens einer Mädchenbeschneidung in der Schweiz gehört zu haben. In sechs Fällen wurde das Gesundheitspersonal gebeten, eine Beschneidung vorzunehmen.


Um die Fragen, wie mit der Problematik der Mädchenbeschneidung in unserem Land und in Europa umgegangen wird, diskutierten Fachleute an einer Tagung im Jahr 2005. Dabei standen medizinische, rechtliche, soziokulturelle und strategisch-politische Aspekte im Fokus. Es darf nie vergessen werden, dass die Eltern ihren Mädchen keinen Schaden zufügen wollen, sondern mit besten Absichten, den kulturellen Normen folgen. Der Einbezug von Frauen aus den betroffenen Ländern als Mediatorinnen ist deshalb wichtig, denn unser Fachpersonal ist oft nicht entsprechend ausgebildet und kennt die Hintergründe wenig. Genauso bedeutsam ist ein tiefes Verständnis und Vertrauensverhältnis, was ebenfalls nur sprachlich wie kulturell kundige Frauen garantieren können.


Auch die Politik ist gefragt, denn es besteht eine Pflicht der Staaten, kein Mädchen und keine Frau in ein Land auszuliefern oder auszuweisen, wo die Beschneidung droht. Die Schweiz hat dies als Ausschaffungshindernis anerkannt. Die genitale Verstümmelung erfüllt auch eine ganze Anzahl Tatbestände des schweizerischen Strafgesetzbuchs. Im Vordergrund stehen die einfache oder schwere Körperverletzung, aber auch die Nötigung und Freiheitsberaubung kommen oft zur Anwendung. Sofern es um mehr als einen harmlosen Einschnitt in die Vorhaut der Klitoris geht, kommt die schwere Körperverletzung zur Anwendung und hat den Entzug der Unmündigen und Verletzten der Fürsorge- oder Erziehungspflichten zur Folge.


Die Entfernung der Klitoris beraubt die Frau der Fähigkeit, sexuelle Lust zu erleben. Das muss auch gesetzliche Folgen haben, wenn die Frau weiter leben kann, denn die Entfaltung der Persönlichkeit der Person nimmt damit unersetzlichen Schaden. Das Einverständnis der Eltern kommt nicht zur Geltung, da es um ein höchstpersönliches Recht des betroffenen Mädchens geht, das zum Zeitpunkt des Eingriffs in der Regel sowieso nicht urteilsfähig ist. Doch selbst im Falle der Urteilsfähigkeit, wäre eine Einwilligung zur Selbstverstümmelung kaum gültig. Die Betroffene müsste nämlich im Detail über die Folgen und den Zweck unterrichtet worden sein -und zu beweisen, dass das Mädchen einverstanden war, ist nahezu unmöglich.


Schweizer Gynäkolog/-innen könnten im Notfall einen Schnitt machen, wenn jemand den Eingriff verlangte mit dem Hinweis, ihn sonst unter unhygienischen Verhältnissen und ohne Narkose im Busch vorzunehmen. Hier müsste das Berufsgeheimnis dem höheren Interesse der Integrität des Mädchens weichen. Selbstverständlich wäre dies aber ein unabwendbarer Eingriff, dem eine umfassende Information vorangehen müsste. Im Straffalle wäre hier zwar die Person, die den Eingriff ausführte verurteilbar, doch würden die Eltern als Anstifter, Mittäter oder Gehilfen ebenfalls gestraft. Beim Eingriff im Ausland wäre auch die Person strafbar, die das Kind in die Ferien genommen und damit den Eingriff ermöglicht hat.


Und was können wir für die gefährdeten Mädchen tun? Die UNICEF ruft immer noch auf, ein Verbot dieser Praktik in allen Ländern zu erreichen. Elektronische Postkarten werden anlässlich des UNO-Tages der Frau in einer öffentlichen Aktion im Bundeshaus übergeben. Jede Stimme zählt auch weiterhin.



zurück            Diesen Artikel versenden            Mein Kommentar zu diesem Artikel
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch