CANDICE BREITZ The Scripted Life

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Candice Breitz Working Class Hero (A Portrait of John Lennon), 2006 Ausstellungsansicht 3. OG, Kunsthaus Bregenz.
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Candice Breitz Produktionsfotos von New York, New York, 2009 Liveperformance, Abrons Arts Center, Henry Street Settlement, New York, 12. November 2009 A Performa Comission with Kunsthaus Bregenz.

Candice Breitz
hat an der Universität von Witwatersrand (Johannesburg), an der University of Chicago und an der Columbia University studiert und am Whitney Independent Studio Program des Whitney Museum in New York teilgenommen. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt worden: New Museum (New York), Castello di Rivoli (Turin), Palais de Tokyo (Paris), Modern Art Oxford (Oxford), De Appel (Amsterdam), Moderna Museet (Stockholm). Sie hat an Biennalen in Johannesburg (1995), São Paulo (1998), Istanbul (1999), Kwangju (2000), Taipeh (2000) und Venedig (2005) teilgenommen. 2007 wurde Breitz mit dem Prix International d’Art Contemporain der Fondation Prince Pierre de Monaco ausgezeichnet.
Die Künstlerin lebt und arbeitet in Berlin und hat eine Professur an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig inne.

Im Kunsthaus Bregenz sind ihre Arbeiten bis zum 11. April 2010 zu sehen.

Konsequent, jedoch immer wieder überraschend beschreitet die Künstlerin Candice Breitz (*1972 in Johannesburg, Südafrika) ihren künstlerischen Weg, welcher zunächst mit collageartigen Fotografien (Rainbow Series, 1996) beginnt und sich Ende der 1990er-Jahre dem bewegten Bild zuwendet. 2005 gelang ihr auf der Biennale in Venedig mit ihrer Videoinstallation Mother + Father, einem auf klischeehafte Szenen zusammengeschnittenen Porträt der durch das Hollywood-Kino propagierten Elternrollen, der Durchbruch.

 

Medienmitteilung

18:03:2010

 

In der für die Künstlerin charakteristischen Methode von Montage und Collage liefern teils neue Aufnahmen, teils bereits vorhandene Filme das Ausgangsmaterial, das sie digital bearbeitet und nach einem eigenen Drehbuch neu strukturiert, formt und schneidet. Breitz’ technisch ausgefeilte und inhaltlich komplexe Videoarbeiten behandeln und durchleuchten die Erzählstrukturen des Hollywood-Kinos, gelebte Fankultur sowie die Position des Individuums in der medialen Massengesellschaft. In der Arbeit Him , 1968 –2008, beispielsweise verwebt die Künstlerin 23 Filmrollen des Schauspielers Jack Nicholson aus seiner 40-jährigen Karriere.

Die filmischen Fragmente lassen den Schauspieler in einen kaleidoskopischen, schizophrenen Dialog mit sich selbst treten. Während die männlichen Figuren in Him sich mit Fragen der Selbstdefinition und der sexuellen Leistung herumschlagen, wird das Selbstwertgefühl der weiblichen Figuren in der Arbeit Her , 1978 –2008 (einem Dialog zwischen 28 Rollen der Schauspielerin Meryl Streep), durch ihre Beziehungen zu anderen Menschen in ihrem Leben bestimmt.

Candice Breitz untersucht in ihren aufwändigen Videoinstallationen – aus zahlreichen Monitoren oft zu Bildschirmwänden arrangiert – die Massenwirksamkeit von Popkultur und fragt nach Mythos, Idol, Projektion und Identität. Ihre Darstellungen von Popmusik-Fans bewegen sich zwischen der Bestätigung und der Persiflage von Stereotypen, zwischen gesellschaftlichen Konventionen und den kreativen Möglichkeiten, der eigenen Identität in unserem Zeitalter Ausdruck zu verleihen.  

Das Kunsthaus Bregenz zeigt einige ihrer bekanntesten großformatigen Videoinstallationen sowie neue, in Europa erstmals ausgestellte Werke. Ein besonderer Höhepunkt ist die Premiere der für die Ausstellung geschaffenen Videoinstallation New York, New York, 2009, einer Koproduktion von Performa 09, New York, und dem Kunsthaus Bregenz.


New York, New York basiert auf der Aufzeichnung der ersten Liveperformance vor Publikum, die Candice Breitz je realisiert hat. Am 12. und 13. November 2009 präsentierte die Künstlerin im Abrons Arts Center, New York, eine improvisierte Performance mit zwei beinahe identischen Besetzungen, bestehend aus vier eineiigen Zwillingspaaren, die jeweils auf zwei Gruppen mit je vier Darstellern aufgeteilt wurden. Den Aufführungen gingen intensive Sitzungen voraus, in denen Breitz die Zwillingspaare separat aufforder te, eine Rolle zu erarbeiten, welche beide Geschwister getrennt voneinander auf der Bühne spielen sollten. Diese wurde von beiden Zwillingen konsequent dargestellt, wenn auch getrennt voneinander in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden improvisierten Performances, bei denen sie erstmals auf die jeweils anderen in derselben Form entstandenen fiktionalen Charaktere trafen.


Breitz schuf für die zwei vollkommen unterschiedlichen Performances die absolut gleichen Voraussetzungen mit gleichen Charakteren, gleich aussehenden Darstellern und demselben Bühnenbild. Mit New York, New York überträgt Breitz die Erkundung von Gleichheit und Ungleichheit, die für ihre bisherigen Videoarbeiten (zuletzt Factum) zentral war, in den Bereich der Liveperformance und verbindet ihr Interesse daran, was sie einmal »das Leben nach Drehbuch« genannt hat, mit ihrer Auseinandersetzung mit dem fragilen Zustand der Individualität.
Eine zentral positionierte Kamera hat die Improvisationen in einer nahtlosen Aufnahme festgehalten. Im Kunsthaus Bregenz wird New York, New York als zeiteilige Videoinstallation gezeigt.

Die Videoinstallation Working Class Hero (A Portrait of John Lennon) zeigt eingefleischte John-Lennon-Fans bei der Interpretation seines ersten Soloalbums John Lennon/Plastic Ono Band (1970). Das Album befasst sich mit den traumatischen Erfahrungen in Lennons Kindheit und ist unter dem Eindruck der Janov’schen Urschreitherapie entstanden. Lennon schreit seine Wut und Verzweiflung heraus, und 25 Fans, welche von Breitz unter zahlreichen Bewerbern auf ihre Anzeigen in Fanmagazinen hin ausgewählt worden sind, präsentieren nun ihre persönliche Interpretation des Lennon-Albums.

 

Man fühlt den Schmerz, die Bedeutung der Lieder und der Person John Lennons für jeden Einzelnen, der von der Künstlerin jeweils für sich separat in einem seiner vielleicht intimsten Fanmomente gefilmt wurde. Den Betrachter erwartet ein 25-köpfiger A-cappella-Chor, welcher die Einzelinterpretationen der Fans, die vornehmlich aus England, Wales und Schottland stammen, zusammenfügt und in der Gesamtlänge des Albums von 39 Minuten und 55 Sekunden auf 25 Flachbildschirmen in einer Endlosschleife zeigt.

 

Working Class Hero ist Breitz’ viertes Porträt eines Popstars, seiner Musik und Fans. Vorangegangen sind ihm Legend (A Portrait of Bob Marley), 2005, Queen (A Portrait of Madonna), 2005, und King (A Portrait of Michael Jackson), 2005. In ihrer Gesamtheit stellen die Porträts eine laufende Bestandsaufnahme der Entwicklung der Fankultur sowie der subtilen Projektions-, Identifikationsund Konsummechanismen dar, die für die Beziehung zwischen Ikonen und ihrer Anhängerschaft charakteristisch sind.


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