Frauen lesen Frauenliteratur

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Sie lesen das Herztier: Pia Waibel und Regine Weingart.
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Herta Müller, hier auf der Leipziger Buchmesse 2007. Bild: Wikipedia.

Die Lesungen finden am Sonntag, den 16. Mai um 11 Uhr und Mittwoch, den 19. Mai um 19.30 Uhr im Theater Parfin de siecle statt.

Frauenlesungen, beziehungsweise Frauen lesen Frauenliteratur und portraitieren gleichzeitig die jeweilige Schriftstellerin, das hat im Theater Parfin de Siecle, St. Gallen schon fast Tradition. Dieses Jahr steht „Herztier“ von Herta Müller, Nobelpreisträgerin für Literatur 2009 auf dem Programm. Es lesen Pia Waibel und Regine Weingart.

 

Elke Baliarda

08:05:2010

 

Im Mittelpunkt von Herta Müllers zweitem Roman stehen vier junge Menschen, die im totalitären Ceausescu-Regime Rumäniens der achtziger Jahre leben und versuchen der Diktatur zu entkommen. Die Ich-Erzählerin ist eine junge Angehörige der deutschen Minderheit der Banater Schwaben, ähnlich wie Herta Müller.


Um Herta Müller in St. Gallen vermehrt bekannt zu machen, hat Pia Waibel das Buch „Herztier“ ausgewählt. „Weil es inhaltsmässig mit der Autorin zu tun hat, ausserdem ist es hervorragend geschrieben, einerseits unglaublich poetisch und andererseits gibt es auch sehr harte Passagen“, erläutert Pia Waibel.

Spätestens mit diesem Roman wurde Herta Müller zu einer der bedeutendsten und eigentümlichsten Autorinnen der deutschsprachigen Literatur und in ihr eine absolut unverwechselbare und originelle Stimme.


Aus dem Inhalt

Der Roman beginnt mit einer Geschichte, die von einer jungen Frau namens Lola handelt. Lola stammt aus einem kleinen rumänischen Dorf, das sie verlässt, um in der Grossstadt zu studieren. Dort lebt sie im Studentenheim mit weiteren fünf Mädchen in einem kleinen Zimmer, das sie als „Viereck“ bezeichnen.
Um sich in eine andere Welt zu flüchten hat Lola wahllose Affären mit Fabrikarbeitern, später auch mit einem Turnlehrer der Universität. Weil ihr die Flucht nicht gelingt, erhängt sie sich. Posthum wird sie öffentlich aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen.

„Das Buch hat 250 Seiten, für eine Lesezeit von einer Stunde und 20 Minuten hiess das zusammenfassen auf 62 Seiten, was mir ausserordentlich schwer gefallen ist“, sagt Pia Waibel.


Herztier

Der Titel „Herztier ist eine neologistische Anlehnung an das rumänische Wort „inimal“, das eine Verschmelzung der Worte „inima“ (Herz) und „animal“ (Tier) darstellt. Jeder Mensch, so sagt der Roman, trägt ein Herztier in sich, das seinen Charakter und sein Gemüt bestimmt.

 "Das Kind hat zwei Grossmütter. Die eine kommt am Abend mit ihrer Liebe ans Bett, und das Kind sieht zur weissen Decke, weil sie gleich beten wird. Die andere kommt am Abend mit ihrer Liebe ans Bett, und das Kind schaut ihre dunklen Augen an, weil sie gleich singen wird. Wenn das Kind die Zimmerdecke und die dunklen Augen nicht mehr sehen kann, stellt es sich schlafend, Die eine Grossmutter betet nicht zu Ende. Sie steht mitten im Gebet auf und geht. Die andere Grossmutter singt das Lied zu Ende, ihr Gesicht ist schief, weil sie so gerne singt. Wenn das Lied zu Ende ist, glaubt sie, das Kind liegt tief im Schlaf. Sie sagt: Ruh dein Herztier aus, du hast heute so viel gespielt." (Seite 39/40). Übrigens: wichtige Rollen in Herta Müllers Leben spielten die Grossmütter.


Herztier ist kein chronologisch verfasster Roman. Vielmehr springt Herta Müller von einem Schauplatz zum andern. „Dementsprechend verhalten wir uns auch in der Lesung. Doch zum besseren Verständnis mache ich am Anfang für das Publikum eine kleine Zusammenfassung“, erklärt Pia Waibel.

Herta Müller

Herta Müller wurde 1953 in einem deutschsprachigen Dorf im Banat/Rumänien geboren. Nach einem Publikationsverbot und Repressionen durch die Securitate konnte sie 1987 nach Berlin ausreisen, wo sie auch heute lebt. Zu ihren bekanntesten Werken gehören der Erzählungsband „Reisende mit einem Bein“ und der Roman „Der Fuchs war damals schon ein Jäger“.
Für „Herztier“ erhielt Herta Müller 1998 den Impac Dublin Literary Award, den weltweit höchstdotierten Literaturpreis für ein Einzelwerk. Darüber hinaus wurde sie mit zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnet, darunter der aspekte-Literaturpreis, der Kleist-Preis, der Franz-Kafka-Preis und der Walter-Hasenclever-Literaturpreis.

„Atemschaukel“ heisst ihr neuer Roman. 2009 erhielt Herta Müller den Nobelpreis für Literatur.


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