"Du hast eh noch einen Wunsch frei"

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Die Perchten haben viele Gesichter. Hier die Filzmooser Perchten aus Österreich.
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Eva Grundl hatte noch einen Wunsch frei. Bild: T. Gebhardt.

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Eigentlich habe ich meine Großeltern ja immer ganzjährig geliebt und ich tue das auch heute noch. Groß war mein Verdruß allerdings als Kind regelmäßig in der Zeit zwischen den Jahren. Schließlich wurden die Vorbereitungen zur Weihnacht jedes Jahr vom finalen Großeinsatz in punkto Wäsche waschen unterbrochen und wurde ich in der Zeit zwischen Heilig Abend und Heilig Dreikönig immer wieder zum stille halten angemahnt. Letzteres merkwürdigerweise auch dann, wenn ich keinerlei Schabernack angestellt hatte.

 

Eva Grundl

02:01:2009

 

Mit dem Großvater, den Onkeln und dem Vater Schnee zu schippen, mit den Cousinen und Cousins riesige Schneemänner zu bauen, bunte Plätzchen zu backen, der Großmutter, der Mutter und den Tanten beim Stricken am prasselnden Ofen zu assistieren - das waren in meiner Kindheit erklärtermassen meine Lieblingsbeschäftigungen im Winter. Indes wurden diese ebenso wichtigen wie beschaulichen Aktivitäten Jahr für Jahr jählings unter- und abgebrochen durch den lauten Schreckensruf meiner Großmutter: "Jjjjjeeeehhhh, wir müssen den Waschkessel anheizen, sämtliche Wäsche muss vor Weihnachten gewaschen werden. Eva, spring mit dem Großvater in die Waschküche hinunter und hilf ihm, aber schnell!"


Hurtig, brav und nahezu stillschweigend wurde die großmütterliche Anordnung in die Tat umgesetzt, der Großvater schaffte und schwitzte ohne zu murren, aber auch, ohne mir auf meine wiederholt gestellte Frage nach den Gründen eine Erklärung für die plötzlich aufkommende Hektik zu geben. Und genau dieser Umstand bedeutete, dass es sich hier um etwas eminent Bedeutsames handeln musste - etwas, das war wie es eben war und das gut war.


Einen Tag nach dem anderen also verbrachten wir in der wohlig warm-dampfenden Waschküche, heizten, schrubbten, bürsteten und wrangen die Wäsche, schwiegen - während gleichzeitig meine Vorfreude auf Weihnacht in schwindelerregende Höhen kletterte.
Zumindest der Waschzuber-Spuk würde nach Heilig Abend vorbei sein, dachte ich mir. In der Tat war dem so und machten sich Erleichterung, Fröhlichkeit breit. Für die folgenden, bis Heilig Dreikönig anhaltenden Absonderlichkeiten im Verhalten der ansonsten gutmütigen, liebevollen Großeltern jedoch brachte ich überhaupt gar kein bis wenig Verständnis auf. "Sei staad", also "Sei stille" - mit diesen Worten wurde ich in dieser Jahreszeit stets bedacht, wenn ich mal besonders munter, laut oder: ein bißchen vorlaut war.


Ich pflegte mich daraufhin beleidigt auf den Schoß meiner Mutter zu flüchten und zu fragen, was das denn bitte schön alles zu bedeuten habe. "Wir sollten alle ganz leise sein; es ist gerade eine ganz besondere Zeit", lautete leise ihre Antwort.

Vor einigen Jahren strömte am 24. Dezember am frühen Nachmittag ein wohlig warm-dampfender Waschküchen-Duft durch meine Wohnung. Zunächst schwelgte ich in Erinnerungen an die Vor-Weihnachtszeiten meiner Kindheit - bis ich feststellte: meine Waschmaschine hat wegen des finalen Großeinsatzes ihren Geist aufgegeben. "Das ist nicht schlimm", meinte meine Mutter am Telefon. "Du hast eh noch einen Weihnachtswunsch frei".


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