Easy Virtue - Eine unmoralische Ehefrau

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Stephan Elliott hat einen hinreissenden Film geschaffen.
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Das Plakat zur unmoralischen Ehefrau.

Läuft ab Donnerstag (9.9.) im Cineplexx Hohenems und im Kino Lustenau.
Quelle: kultur-online.net.

Stephan Elliott gelang mit der Verfilmung einer Noel Coward-Komödie aus den 1920er Jahren eine spritzige und zeitlose, vor Spielfreude sprühende Gesellschaftskomödie mit einem prächtigen englischen Landsitz als fotogener Kulisse.

 

Walter Gasperi

07:09:2010

 

Die blonde Larita (Jessica Biel) kommt nicht nur aus der amerikanischen Autostadt Detroit, sondern fährt auch noch Autorennen. Dem jungen englischen Adeligen John Whittaker (Ben Barnes) imponiert diese selbstbewusste Frau, sodass er sie nach ihrem Sieg bei der Monte Carlo-Rallye vom Fleck weg heiratet.

 

Jetzt soll Larita der Familie des Gatten, das ist vor allem die dominante Mutter, die nur mit Misses Whittaker oder «Mom» (Kristin Scott-Thomas) angeredet wird und deren Vornamen Veronica man erst gegen Ende erfährt, vorgestellt werden. - Kaum ist der Vorspann vorbei, der mit nachinszeniertem Schwarzweißfilm das Rennen in Monte Carlo zeigt, wird man also schon von der sonnigen Riviera ins verregnete England auf den Landsitz der Whittakers versetzt.

 

Neben Mom gehören zur Familie die zwei nicht zu verheiratenden Töchter Hilda und Marion sowie ein Ehemann (Colin Firth), der nicht viel zu melden hat und, vom Ersten Weltkrieg traumatisiert, sich lieber einem alten Motorrad widmet, ein bisschen trinkt und sein eigenes Leben führt, aber nichts von den Standesdünkel der Gattin hält.

Die freilich ist entsetzt, dass die Schwiegertochter, die nur kurz auf dem Landsitz bleiben will, Amerikanerin ist. Da sich ihr Gatte, noch ein richtiger Junge, der dominanten Mutter aber nicht widersetzen kann oder will, verlängert sich der Aufenthalt und es entwickeln sich hinreißende Rededuelle und köstliche Situationen.

Da trifft mit dem Culture Clash USA-England auch moderne Maschinenwelt mit Traktoren, Autos und Motorrädern auf Traditionen wie Reiten und Fuchsjagd, vor allem aber unbändige Lebensfreude und Lebenslust auf stures Festhalten an Konventionen und Traditionen und offene Gesellschaft auf Klassengesellschaft mit strenger Trennung von Herrschaften und Dienerschaft. – Wer da raucht wie Larita und Papa Whittaker, darf das nur vor der Tür und wird so zum Außenseiter.

 

Staubfrei und zeitlos wirkt Stephan Elliotts Adaption von Noel Cowards Komödie, die Alfred Hitchcock schon 1927 als Stummfilm verfilmt hat. Viel Schwung schafft der Australier, der 1994 mit «Priscilla, Königin der Wüste» einen Kultfilm drehte, mit einem swingenden Soundtrack mit Titeln von Cole Porter bis Coward selbst, rasanten Dialogen, schnellem Schnitt und einer sichtlich bestens aufgelegten Besetzung. Hinreißend ist da vor allem Kristin Scott Thomas als stocksteife Mutter, der die blonde Jessica Biel aber durchaus Paroli bieten kann.

Woran sich Elliott hier orientiert hat, macht sowohl der Hinweis auf die Ealing Studios als auch die im Stil der 30er Jahre gehaltenen Vorspanntitel deutlich. Bissig und voll Esprit wird wird mit Vorurteilen gespielt, für Freiheit und Lebenslust plädiert. «Let´s Misbehave» von Cole Porter ist da ein zentraler Song: Daneben benehmen soll man sich und die Konventionen über Bord werfen.

 

Lustvoll anarchistisch ist «Easy Virtue» in diesem Aufruf zu Liederlichkeit, im Plädoyer fürs Vorwärtsschauen und der Absage ans rückwärts gerichtete, von überholten Vorstellungen bestimmte Agieren.

Während Papa Whittaker dem Einiges abgewinnen kann, reagiert Misses Whittaker mit versteinerter Miene – ein gefühlloser, durch Konventionen innerlich gestorbener Mensch. Rettung kann man da nur in der Flucht suchen: «When the going gets tough, the tough gets going».

Die Herkunft von der Bühne sieht man dieser spritzigen Komödie, bei der ein prächtiger englischer Landsitz für optischen Genuss sorgt, ebenso wenig an wie ihr Alter.

Obwohl die Handlung in den 1920er Jahren spielt, wirkt «Easy Virtue» ganz heutig und übt wie vor bald einem Jahrzehnt Robert Altman in «Gosford Park» bissig, aber um einiges schwungvoller und unterhaltsamer Kritik an dieser verkrusteten Gesellschaft, die sich allen Neuerungen, auch einem Truthahnessen zu Thanksgiving, verschließt.

Man spürt das Vergnügen, das der Dreh dieses Films allen Beteiligten bereitet haben muss. Locker leicht, wie dahingetupft kommt diese Gesellschaftskomödie daher und das Vergnügen der Crew überträgt sich direkt auf den Zuschauer. – Eine Komödie in bester Screwball-Comedy- und Ealing-Studio-Tradition, elegant inszeniert, geschliffen in den Dialogen und von hohem Tempo.


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