Der grösste Fitness-Klub der Schweiz liegt im Wald

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Doris Leuthard beim Internationalen Jahr des Waldes 2011. Bild: www.wald.ch
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Seit einem halben Jahrhundert regelmäßig im Wald anzutreffen: Eva Grundl, Chefredaktorin ostschweizerinnen.ch.

Erholung im Wald

Fast die ganze Bevölkerung der Schweiz kann in Kürze einen Wald erreichen. Gemäss einer Umfrage der Arbeits-Gemeinschaft für den Wald brauchen die Bewohner im Durchschnitt 19 Minuten, um den nächsten Wald zu erreichen.

Viele Schweizer suchen den Wald auf, um sich zu erholen. Allerdings gibt es lokal erhebliche Unterschiede. Landesweit begeben sich im Sommer 13% aller Personen täglich in den Wald, im Winter sind es 9%. Im Raum Lugano sind es aber beispielsweise nur 2 bis 3%.

Das "Waldverhalten" der Schweizer gleicht demjenigen der Deutschen. In Deutschland begeben sich 48% der Bevölkerung mindestens einmal im Monat in den Wald, in der Schweiz sind es 34% im Sommer und 29% im Winter.

Die wichtigsten Aktivitäten im Wald: Hund ausführen, Natur beobachten, reiten, laufen, joggen, Rad fahren, relaxen, mit den Kindern spielen, feiern.
Quelle: Arbeitsgemeinschaft für den Wald

Der Wald hat für die Schweizer eine besondere Bedeutung. Das Absolvieren eines Vita Parcours zählt zu den Lieblings-Beschäftigungen. Diese Fitness-Pfade entstanden in den 1960er-Jahren und haben sich seither auf der ganzen Welt ausgebreitet.

 

Michela Montalbetti, swissinfo.ch

20:07:2011

 

Rund 13 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer begeben sich im Sommer täglich in den Wald, um zu laufen oder anderen Aktivitäten nachzugehen. Der Wald spielt eine sehr wichtige Rolle bei den Freizeitbeschäftigungen der Schweizer.

Besonders beliebt sind die Vita Parcours – ein Pendant zu den deutschen Trimm-dich-Pfaden. Dieser Fitness-Parcours besteht aus diversen Stationen, an welchen Übungen für Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination absolviert werden können. In der Schweiz gibt es rund 500 Vita Parcours.


 

Idee in der Schweiz geboren

Der erste Vita Parcours wurde 1968 eingeweiht. Die Initiative stammte von einer Männer-Gymnastik-Gruppe aus Wollishofen bei Zürich. Dieses Team hatte damit begonnen, im Wald zu trainieren und natürliche Hindernisse wie umgefallene Baumstämme und Baumstrünke zu benutzen.

Die Waldarbeiter sorgten aber regelmässig für Ordnung im Wald. Daher fand die Gruppe ihre "Turngeräte" häufig nicht mehr vor. So kam man auf die Idee, bei der Gemeinde einen Antrag zu stellen, dauerhaft einen Pfad mit natürlich Hindernissen anzulegen und der ganzen Bevölkerung zugänglich zu machen.

Die Gemeinde griff den Vorschlag auf. Und sie fand einen wichtigen Sponsor: die Vita-Versicherung (heute Zurich). So erhielt der Parcours den Namen Vita Parcours. Und ein bekannter Professor von ETH Zürich, Charly Schneiter, sorgte für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts.

"Die Vita-Versicherung wollte von Anfang an nicht nur in Wollishofen, sondern an vielen Orten diese Parcours verwirklichen", sagt Josef Bächler, Leiter der 1994 gegründeten Stiftung Vita Parcours.


 

Ein regelrechter Boom

Was im Kleinen als lokales Experiment begann, breitete sich somit in Windeseile aus. "Es war wie ein Schneeball, der zur Lawine wurde. Im ganzen Land entstanden Vita Parcours", hält Bächler fest.

Anfänglich war der Vita Parcours für durchtrainierte Athleten gedacht. Doch 1972 weitete man das Konzept auf Familien und weniger sportliche Personen aus. Nur fünf Jahre nach dem ersten Vita Parcours wurde im Jahr 1973 bereits der 100. Fitness-Pfad in der Schweiz eingeweiht.

In den 1970er- und 1980er-Jahren sprossen die Vita Parcours allenthalben wie Pilze aus dem Boden. 1990 wurde der 500. Vita Parcours in Betrieb genommen. Heute zählt man genau 501.

Doch das Schweizer Vorbild wurde auch im Ausland nachgeahmt. Weltweit schätzt man die Zahl der Trimm-dich-Pfade auf 2500.

"In unseren Nachbarländern gibt es viele Vita Parcours, vor allem in Deutschland. Gelegentlich erhalte ich auch Anfragen aus fernen Ländern wie Südafrika, Kanada, USA und Australien. Häufig stecken Auslandschweizer dahinter, welche diese Idee in ihrer neuen Heimat verwirklichen wollen. In diesen Fällen bieten wir unser Know-how an. Zudem verkaufen wir die Schilder mit den Übungen zum Selbstkostenpreis", erklärt Bächler.


 

Unterhalt in den Regionen

Die Stiftung kümmert sich um die Entwicklung und Koordination aller Schweizer Vita Parcours. Doch ohne eine Unterstützung in den Regionen - von Sportvereinen, Gemeinden oder Tourismusverbänden - könnten die Vita Parcours nicht unterhalten werden.

Nach dem Bau der Geräte und der Einrichtung des Pfads, die von der Stiftung mit Unterstützung der Zurich Versicherung vorgenommen wird, müssen sich lokalen Organisationen um den Unterhalt, die Kontrolle und die Pflege des Vita Parcours kümmern.

"Die jährlichen Kosten betragen je nach Länge und Lage rund 1000 bis 2000 Franken. Mit diesem Geld lassen sich gewisse Reparaturen und der allgemeine Unterhalt finanzieren", so Bächler.


 

Von Hard- zu Soft-Übungen

Die Geschichte der Vita Parcours ist zweifellos eine Erfolgsgeschichte. Doch gelegentlich kam auch Kritik auf. Beispielsweise wurde kritisiert, dass nicht alle Übungen wirklich der Gesundheit dienten. "Bis Ende der 1980er-Jahre gab es in der Tat sehr anspruchsvolle Übungen", räumt Bächler ein.

Längst tendiere man zu einem niederschwelligen Niveau bei den Übungen.
In der 43-jährigen Geschichte wurde das Konzept des Vita Parcours mehrmals überarbeitet. Das Publikum, die Anforderungen, aber auch die Erkenntnislage in den Sportwissenschaften haben sich geändert.

Bächler: "Wir arbeiten seit 1998 eng mit der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen zusammen. Unsere Fitness-Pfade entsprechen den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sogar von Profi-Fussballmannschaften werden sie inzwischen genutzt."


 

Keine Ausweitung geplant

Gemäss einer Umfrage des Instituts Lamprecht & Stamm nutzen zirka 10 Prozent der Bevölkerung einen Vita Parcours. "Vielleicht ist diese Zahl zu optimistisch, aber ich denke, dass 5 bis 7 Prozent der Wahrheit nahe kommt", meint Bächler.

Eine Ausweitung des Angebots ist im Moment nicht geplant. Die bestehenden 500 Vita Parcours sind gemäss Bächler ausreichend und regional gut verteilt.

Zugenommen hat auch die Vielfalt der Aktivitäten in der Natur. Aber Bächler will nicht von Konkurrenz sprechen: "Es ist gut, wenn sich die Leute bewegen."


(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)


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