Ständeratskandidierende kreuzten die Klingen

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Paul Rechsteiner, Eugen David, Karin Keller-Sutter und Toni Brunner (v.l.) stellten sich den Fragen von Moderator Stefan Schmid (Mitte).
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Mehrere hundert Gäste liessen sich das Happening nicht entgehen.

Ständeratswahlen


Es lohnt sich gerade auch für Frauen, sich ein Bild über die künftigen Ständeratsmitglieder zu machen. Welche Ansichten haben sie zu den Kernfragen wie Energie, Arbeitsmarkt, Sicherheit, Mobilität, Umwelt, Frauenfragen ...


Man bedenke, dass jedes Gesetz auch durch die Hände unserer KantonsvertreterInnen geht. StänderätInnen vertreten unseren Kanton und nicht ihre Partei. Wir brauchen einen ausgleichenden Rat mit konsensfähigen KantonsvertreterInnen. Der Ständerat darf kein kleiner Nationalrat mit denselben Grabenkämpfen werden.


Beteiligen Sie sich an den Wahlen und wählen Sie gut!


Eure Cornelia.

Zwei Dinge wurden anlässlich der Podiumsdiskussion der Studentenverbindung Alt-Zofingia im Audimax der Universität St. Gallen klar: Regierungsrätin Karin Keller-Sutter ist in jedem Thema sattelfest und scheut sich nicht, die klare Meinung auch öffentlich zu vertreten. Und: Gewerkschaftssekretär und Nationalrat Paul Rechsteiner ist der beste und glaubhafteste Frauenvertreter im Team der Kandidierenden.

 

Cornelia Forrer

10:06:2011

 

Nun soll dies nicht schon ein plumper Wahlaufruf sein, denn schliesslich handelt es sich um Kandidaturen für den Ständerat, was ja bedeutet, dass in erster Linie der Kanton vertreten sein soll und die Ständeratsvertretung einen Ausgleich zur Nationalratsvertretung schaffen muss, wo Kantone wie Zürich stimmenmässig in der Überzahl sind. Nationalrat und SVP-Schweiz-Präsident Toni Brunner sieht dies allerdings anders. „Jeder von uns gehört zu einer Partei und das soll auch nicht ganz ausgeblendet werden“, sagte er.

Regierungsrätin Karin Keller (FDP) will in erster Linie Kantonsvertreterin sein, auch wenn sie eine klare, liberale Position vertrete. Es falle ihr zudem nicht schwer, mit Andersdenkenden einen Konsens zu suchen, wenn dieser dem Kanton und der Sache diene.


Als einzige Kandidatin im Karussell der anwesenden Kandierenden, schlug sie sich hervorragend und stach mit ihren klaren Voten immer sehr positiv hervor, was ihr nicht selten den sonst spärlich verteilten Applaus der mehreren hundert Gäste im Publikum einbrachte. Und was steht überhaupt an Themen in der nächsten Zeit im Ständerat an?

Die Finanzkrise müsse aufgearbeitet werden, was auch die St. Galler Bevölkerung betreffe, meinte Paul Rechsteiner (SP). Infrastrukturen wie ein Poststellennetz, das den Namen auch verdient habe und einen öffentlichen Verkehr, der eine gute Anbindung auch für Randregionen garantiere, sieht er weiter als zentrale Themen.


Die Kernenergiefrage kann nach Fukushima nicht ausser Acht gelassen werden. Keller-Sutter bedauert den Nationalratsbeschluss und will nicht alle Türen zugeschlagen haben, bevor keine klare Untersuchung und Zahlen vorlägen. Auswirkungen, Kosten, Umwelt, Lenkungsabgaben, Alternativen, andere Szenarien oder ein Ausstiegsfahrplan seien Stichworte, die es vorher zu klären gelte, bevor man nein sagen dürfe.

Das sei ihre eigene Überzeugung und nicht jene der Partei, für die sie nicht gesamthaft reden könne. Dass die Regierungsrätin ihre Hausaufgaben gemacht hat und weiss, wovon sie spricht, demonstrierte sie anhand von Zahlen, die keiner der sonstigen Kandidaten bieten konnte: 75 Prozent der Energie im Kanton St. Gallen stammt aus Kernkraftwerken.

Davon wird die Hälfte aus dem Ausland importiert. „Wir können nicht einfach den Stecker ziehen und Schluss sagen“, gab sie zu bedenken. Sie sei äusserst erstaunt, dass aufgrund von einfachen Vorstössen ein dermassen wichtiger Entscheid gefällt wurde, auch wenn sie die guten Absichten durchaus nachvollziehen und unterschreiben könne.


Europa, die Personenfreizügigkeit und Schengen wurden weiter diskutiert. Ständerat Eugen David (CVP) sieht Vorteile für die Schweiz. Rechsteiner will die Arbeitsplätze jedoch in eigenen Händen behalten. Als Erfolg sieht auch Keller die Zusammenarbeit mit dem EU-Raum mittels Bilateraler Verträge. Man habe auch sehr qualifizierte Arbeitskräfte in die Schweiz holen können, auch wenn die Medaille natürlich zwei Seiten habe.

Auf Toni Brunners Ängste, die Handlungsfreiheit gäbe kein anderes Land auf der Welt einfach aus den Händen, kam die Frage von Moderator Stefan Schmid vom Tagblatt, ob er die Bilateralen Verträge gefährden möchte. Ständeratskandidat Brunner erklärte lange, wie falsch diese Frage sei und dass selbst Volkswirtschaftsminister Schneider-Ammann nachverhandeln wolle.


Rechsteiner mag das Lamentieren über die „bösen“ Ausländer nicht mehr hören. Grosse Zuwanderungsraten seien in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts unter dem Kontingentssystem erfolgt, einem System, das nicht funktioniert habe und die SVP nun wieder einführen wolle.

Auch Eugen David warf der SVP vor, die Schweiz vollkommen abschotten zu wollen und damit einen Wohlstandsverlust in Kauf zu nehmen. Karin Keller-Sutter sieht die Bilateralen im Moment eher blockiert, was etwa der Abbruch der Agrarfreihandelsabkommen in den letzten Tagen zeige. Bezüglich der Energie und auch in anderen wichtigen Themen, sei es höchst bedeutungsvoll, weiter zu verhandeln. Ohne Gegenforderung sei es aber nicht möglich, Verhandlungen einfach so abzubrechen und gleichzeitig Forderungen stellen zu wollen.


Die Armee wurde als weiteres Thema diskutiert. Keller-Sutter und Brunner stehen klar hinter einer starken Armee, die auch angemessene Finanzen benötige. „80‘000 Mann sind zu wenig“, meinte Keller-Sutter, es benötige 100‘000. Sie stehe hinter einer Milizarmee, die ihren Auftrag aber auch erfüllen könne und die notwendigen Mittel dafür habe, auch neue Flieger.

Die Idee, einen obligatorischen Gemeinschaftsdienst ins Leben zu rufen, den ein Votant in der Fragerunde als Szenario sah, findet Keller gut, will aber nicht von der Wehrpflicht abrücken. David sieht den Gemeinschaftsdienst in vielen Punkten bereits erfolgreich realisiert, während Brunner für die bisherige Form der Wehrpflicht plädiert und Rechsteiner den Gemeinschaftsdienst eine prüfenswerte Sache findet, jedoch etwa in der Altersarbeit das Fachwissen der Dienstleistenden vermissen würde.


Keine Debatte kann ohne Frauenthemen geführt werden. Die Erhöhung des Rentenalters der Frauen stand zur Diskussion. Rechsteiner findet die AHV so richtig "zwäg". Man habe hier zu schwarz gemalt. Er sieht darum keinen Grund für eine Erhöhung des Frauenrentenalters, da zuerst besser der Lohn auf dasselbe Niveau der Männer angehoben werden müsste. Mit einem feurigen Referat glänzte der Gewerkschaftspräsident schliesslich zum aktuellen Thema Lohngleichheit und war kaum mehr zu bremsen.

 

Es war klar zu erkennen, wie viel Herzblut Rechsteiner für die Gleichstellung vergiesst. Sein imposantes Kämpfen machte schliesslich die einzige Frau in der anschliessenden Fragerunde zunichte, als sie fragte, "warum eine verheiratete Frau, die älter als ihr noch arbeitender Ehemann sei und niemals was arbeitete, ebenfalls die AHV erhalte". Es sollte nach Moderator Stefan Schmid eine krönende Schlussfrage, von einer Frau gestellt, werden. Nun mussten sämtliche für den Ständerat Kandidierende erst nach Atem ringen, machten grosse Augen und fragten nach, um überhaupt zu verstehen, was sie beantworten sollten.

 

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Ständeratskandidierende im Kanton St. Gallen:


- Karin Keller-Sutter, Regierungsrätin und Justizministerin, FDP

- Yvonne Gilli, Nationalrätin und Ärztin, Grüne (nicht anwesend am Podium)

- Paul Rechsteiner, Gewerkschaftssekretär und Nationalrat, SP

- Toni Brunner, SVP-Präsident und Nationalrat

- Eugen David, Ständerat, Jurist, CVP.


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