Dass Priester der römisch-katholischen Kirche männlich sein müssen, sei eine reine Machtfrage, sagt die Theologin Doris Strahm. Sie ist Mitautorin einer Studie über Leitungs-Funktionen von Frauen im Judentum, im Christentum und im Islam.
Eveline Kobler, swissinfo.ch
13:06:2011
Vielleicht sind vor Gott alle gleich. Doch dass dies in gewissen Religionsgemeinschaften auf der Erde nicht so gesehen wird, zeigt die Studie "Rabinerinnen, Kantorinnen, Imaminnen, Muftis, Pfarrerinnen, Bischöfinnen, Kirchenrätinnen…". Sie wurde vom Interreligiösen Think-Tank, einem institutionell unabhängigen Zusammenschluss von Exponentinnen des interreligiösen Dialogs, erstellt.
Berücksichtigt wurden drei Strömungen im Judentum, die reformierte und römisch-katholische Kirche des Christentums und der Islam in der Schweiz.
Sowohl in liberalen jüdischen Gemeinden und im evangelisch-reformierten Christentum können Frauen geistliche Führungspositionen übernehmen.
Doris Strahm: Die katholische Kirche begründet es so, dass Jesus nur Männer zu Aposteln berufen habe, und mit der katholischen Tradition. Dies ist ein unhaltbares Argument, denn Jesus war ein Jude, und er hat keine Kirche gegründet. Das kultische Priesteramt entstand erst im 5. Jahrhundert.
Selbst die päpstliche Bibelkommission kam 1976, als diese Frage zur Debatte stand, zum Schluss, dass man den Ausschluss der Frauen vom Priesteramt nicht aus der Bibel herleiten könne.
Bis in die 1980er-Jahre wurde das Verbot zur Priesterweihe von Frauen zudem auch mit dem sakramentalen Charakter des Priesteramtes begründet: Der Priester repräsentiere in seinen priesterlichen Funktionen Christus, der ein Mann gewesen sei, und der Priester müsse daher männlichen Geschlechts sein.
D.S.: Es gibt keine anderen speziellen Kriterien ausser dem Geschlecht. Die Priester haben die gleiche theologische Ausbildung wie die weiblichen Theologinnen.
Dass das männliche Geschlecht so wichtig ist, hat meiner Meinung nach mit der patriarchalen Prägung unserer Kultur und speziell auch der christlichen Theologie zu tun: Männliche Gottesbilder wie Vater, Herr, Schöpfer, Richter und ein männlicher Erlöser.
Der Mann wurde als Norm des Menschseins und Ebenbild Gottes gesetzt, die Meinung, die Frau sei dem Mann schöpfungsmässig untergeordnet – all dies zementiert die Vorstellung, dass der Mann gottnäher sei als die Frau. Die Kirchenherren, die das Sagen haben, scheinen dies noch immer so zu sehen. Es geht hier schlicht um eine Machtfrage.
D.S.: Hinter der Diskriminierung der Frauen in der römisch-katholischen Kirche steht das patriarchale Verständnis von der kultischen Unreinheit der Frau, das Bild der sexuellen Verführungskraft und der verminderten Gottebenbildlichkeit der Frau, das innerkirchlich noch nicht überwunden ist.
D.S.: Das zeigt, dass es keine wirklichen biblischen und theologischen Grundlagen gibt, um die Frauen von den geistlichen Ämtern auszuschliessen. Es sind ja genau die gleichen Quellen, auf die sich die Protestanten und Protestantinnen stützen, es ist die gleiche Tradition, es ist der gleiche Erlöser.
D.S.: Man kann ihn sich nur mit dem Machterhalt der Heiligen Katholischen Männerkirche erklären, der offenbar nichts heiliger ist, als die Weihegewalt in den Händen von Männern zu behalten. Ich finde, diese Gleichsetzung ist für beide Seiten ein Schlag ins Gesicht und zynisch.
D.S.: Auf die Strukturen der Weltkirche können sie keinen Einfluss nehmen, eben, weil sie nur wegen ihres Geschlechts von der Priesterweihe ausgeschlossen sind, und die Priesterweihe ist eine Voraussetzung für alle Ämter, die mit Leitungs-, Entscheidungs- und Lehrvollmacht zu tun haben.
D.S.: Das priesterlich-sakramentale, allein dem Mann vorbehaltene Amt ist eine Besonderheit des römischen Katholizismus. Und auch, dass jene, welche die Macht haben, ein Definitionsmonopol beanspruchen über jene, die sie von der Macht fernhalten, und sich dabei auf den göttlichen Willen berufen. Sie machen sich immun gegen Argumente, wenn sie einfach behaupten, 'Jesus hat das so gewollt'.
Bei den anderen Religionen wird der Ausschluss der Frauen von Leitungsfunktionen wenigstens nicht mit einem göttlichen Nimbus versehen.
D.S.: Seit den 1980er-Jahren haben Frauen begonnen, ihre Energie nicht mehr in den Kampf gegen die Strukturen zu stecken, sondern für ihre eigenen religiösen Bedürfnisse einzusetzen. Sie beanspruchen, dass auch sie Kirche sind. Es ist eine konfessionsübergreifende weltweite Bewegung von kritischen Frauen.
D.S.: Von oben, von der römischen Amtskirche her, sehe ich diese Entwicklung gar nicht. Wenn sich etwas verändern soll, dann muss es von unten kommen. Die Ortskirchen müssten den Mut haben, neue und eigene Wege zu gehen und den römischen Zentralismus zu durchbrechen.